Feinstaub ist nicht nur schlecht für unsere Lunge, die Luftpartikel können auch die Gesundheit unseres Gehirns beeinträchtigen und zu Demenz führen. Aber warum?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Feinstaub, Stickoxide, Autoabgase, Ozon, Smog: Die Luft in unseren Städten ist ein toxischer Mix. Dass diese „dicke Luft“ auch die Gesundheit schädigt, ist seit langem bekannt. Wer in luftverschmutzten Städten lebt, leidet im Schnitt häufiger an Herz-Kreislauf-Krankheiten, Lungen- und Atemwegerkrankungen, Asthma und Schlaflosigkeit.

 

Was ist Feinstaub?

  • Stickstoffoxide – kurz Stickoxide genannt – sind gesundheitsschädliche Gase. Sie können Atemwege und Augen reizen und auf Dauer zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und zur Störung der Lungenfunktion führen.
  • Stickoxide sind Nebenprodukte, die von Kfz-Motoren – besonders Diesel – produziert werden oder beim Verbrennen von Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfällen entstehen. Sie tragen auch zur Bildung von Feinstaub bei. Die feinen Teilchen kommen in Dieselruß, Reifenabrieb oder in Abgasen von Industrie-, Kraftwerks- und Heizungsanlagen vor.
  • Feinstaub – ein komplexes Gemisch aus vielen Chemikalien, die als feine Partikel von maximal 2,5 Mikrometer Durchmesser in der Luft vorkommen (PM2,5) – ist klein genug, um beim Einatmen in die Lunge und von dort in den Blutkreislauf zu gelangen. Das kann unter anderem zu Gewebeschäden und Entzündungen in der Lunge führen.

Wie entsteht Feinstaub?

  • Feinstaub wird vor allem durch menschliches Handeln erzeugt. Er entsteht unter anderem durch Emissionen aus Kraftwerken, Fabriken und Heizungen sowie im Straßenverkehr.
  • Er kann aber auch natürlichen Ursprungs sein, beispielsweise als Folge von Waldbränden und Sandstürmen.
  • Feinstaub besteht laut Umweltbundesamt aus einem Gemisch fester und flüssiger Partikel und entsteht demzufolge etwa durch den Betrieb von Autos, Heizungen in Wohnhäusern oder der Industrie, etwa bei der Metall- und Stahlerzeugung.
  • Auch in der Landwirtschaft entsteht Feinstaub, etwa Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung.

Was sind die Folgen von Feinstaub-Belastung?

  • Die winzigen Teilchen können tief in die Atemwege eindringen und die Lunge nachhaltig schädigen. Studien zufolge kann eine hohe Feinstaubbelastung einen vorzeitigen Tod verursachen, beispielsweise infolge von Herz- und Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs und Infektionen der unteren Atemwege.
  • Daneben spielt Feinstaub aber auch eine Rolle beim geistigen Verfall. Wer langfristig Luftverschmutzung ausgesetzt ist, hat nachweislich ein höheres Risiko, eine neurodegenerative Erkrankung wie Alzheimer oder Parkinson zu entwickeln.
  • Schon eine geringe Feinstaub-Belastung beeinträchtigt das Denkvermögen. Das gilt auch für jüngere Erwachsene und Kinder, wie neuere Studien nahelegen.
Feinstaub entsteht unter anderem durch Emissionen aus Kraftwerken, Fabriken und Heizungen sowie im Straßenverkehr. Foto: Imago//Gottfried Czepluch
Feinstaub ist klein genug, um beim Einatmen in die Lunge und von dort in den Blutkreislauf zu gelangen. Foto: dpa/Jan Woitas

Warum schadet Feinstaub besonders dem Gehirn?

Aber warum ist das so? Ein Grund: Die winzigen Schadstoff-Partikel können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und lokale Entzündungen im Gehirn auslösen. Wie die Feinstaubpartikel darüber hinaus die kognitiven Funktionen in unterschiedlichen Altersklassen beeinflussen, ist jedoch wenig erforscht.

Ein Forscherteam um Benjamin Aretz von der Universitätsklinik Bonn ist dem nun mithilfe einer breiteren Gruppe an Probanden nachgegangen. Ihre Studie ist im aktuellen Fachmagazin „Alzheimer’s & Dementia“ erschienen.

Längere kognitive Verarbeitungszeit bei Feinstaubbelastung

Die Mediziner analysierten Daten von mehr als 66.000 Teilnehmern einer niederländischen Gesundheitsstudie. Dabei verglichen sie die Ergebnisse von Blutanalysen und kognitiven Tests, die bei den Testpersonen zwischen 2006 und 2015 durchgeführt wurden, mit Daten zur Luftqualität an ihrem Wohnort.

Wer langfristig Luftverschmutzung ausgesetzt ist, hat nachweislich ein höheres Risiko, eine neurodegenerative Erkrankung wie Alzheimer oder Parkinson zu entwickeln. Foto: Imago/Panthermedia

Das Ergebnis: Menschen, die zu Hause mehr PM2,5-Partikeln ausgesetzt waren, wiesen eine längere kognitive Verarbeitungszeit (CPT) auf als Personen, die weniger Feinstaub eingeatmet hatten. Dieser Messwert gilt als Maß dafür, wie schnell das Gehirn auf Reize reagieren kann. Das bedeutet, dass die Testpersonen durch den Feinstaub geistig langsamer geworden waren.

Immunsystem wird geschwächt

Dieser Effekt korrelierte zudem mit einem anderen Messwert: der Zahl der Monozyten im Blut. Diese weißen Blutkörperchen sind Teil des Immunsystems. Menschen mit hoher Feinstaubbelastung und starkem geistigen Verfall wiesen mehr solcher Monozyten auf. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem dieser Menschen gegen Entzündungen im Körper ankämpft.

„Wir vermuten, dass die Zahl der weißen Blutkörperchen als Reaktion auf Schadstoffe steigt“, erklärt Koautorin Gabriele Doblhammer von der Universität Rostock. Insbesondere bei Männern und Teilnehmern über 40 Jahren stellten die Wissenschaftler diesen Zusammenhang mit Monozyten fest. Diese Reaktion scheint demnach in der zweiten Lebenshälfte eine größere Rolle zu spielen als in der ersten.

Menschen mit hoher Feinstaubbelastung und starkem geistigen Verfall wiesen mehr weiße Blutkörperchen (Monozyten) auf. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Systemische Entzündungen

Feinstaub kann über den Blutkreislauf in unseren Körper gelangen, dann die Blut-Hirn-Schranke überwinden und lokale Entzündungen im Gehirn verursachen. Dasselbe passiert Vermutungen zufolge, wenn der Feinstaub über den Riechnerv ins Gehirn gelangt. Feinstaub kann aber auch systemische Entzündungen auslösen, die ebenfalls das Gehirn beeinträchtigen.

Entzündungen spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen spielen Foto: Imago/Dreamstime

Entzündungen gefährden geistige Gesundheit

Die Forscher schließen daraus, dass die Luftverschmutzung zu ganzkörperlichen Entzündungen führt, in deren Folge auch die geistigen Fähigkeiten in Mitleidenschaft gezogen werden. „Systemische Entzündungen können als wichtiger Vermittler fungieren und die PM2,5-Exposition mit einer Beeinträchtigung der kognitiven Funktion in Verbindung bringen“, erläutert Aretz.

„Es konnte bereits gezeigt werden, dass Entzündungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen spielen. Daher kann die Entzündung, die wir als Reaktion auf Luftverschmutzung sehen, die Immunfunktionen im Gehirn stören und dadurch indirekt die kognitive Gesundheit beeinträchtigen“, ergänzt Doblhammer. Eine mögliche Folge dieser Hirnschäden könnte Alzheimer-Demenz sein.

Entzündungen spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen . Foto: Imago/Westend61

Die Studie zeigt damit zwei verschiedene Wege auf, wie das Gehirn unter Feinstaub-Einfluss abbaut:

  • direkt über lokale Entzündungen
  • indirekt über von Monozyten vermittelte, ganzkörperliche Entzündungen

Diese Erkenntnisse sind angesichts der alternden Bevölkerung wichtig, um Feinstaub gezielt zu reduzieren und das von ihm ausgehende Gesundheitsrisiko zu senken.