Die Stadt Ludwigsburg führt eine Verspätungsgebühr für Eltern ein, die ihre Kinder wiederholt nicht pünktlich aus der Kindertagesstätte abholen. Zu den Kommunen, die ebenfalls eine solche Verspätungsgebühr erheben, zählt beispielsweise auch das baden-württembergischen Ettenheim. Bei freien Trägern hingegen ist es durchaus üblich, Eltern für zu spätes Kommen zur Kasse zu bitten. „Die Mitarbeiterinnen müssen dann länger bleiben und es entstehen Überstunden, was bei der ohnehin schon zu dünnen Personaldecke zu Schwierigkeiten führt“, begründet Romano Sposito vom Stuttgarter Büro des Bundesverbandes freier unabhängiger Träger von Kindertagesstätten. „Es ist auch ein Zeichen des Respekts gegenüber den Erzieherinnen, die Kinder pünktlich abzuholen.“ Wie sehen das pädagogische Fachkräfte selbst? Ein Gespräch mit Anja Braekow, der Vorsitzenden des Verbandes der Kitafachkräfte in Baden-Württemberg.
Frau Braekow, Strafgebühren für Eltern, die ihre Kinder wiederholt zu spät abholen: Was halten Sie davon?
Ich halte das für legitim. Man kann einer solchen Gebühr eigentlich nur Positives abgewinnen, wenn man dabei ein paar wichtige Punkte beherzigt.
Die da wären?
Es müssen für alle Eltern dieselben Bedingungen gelten. Wenn man anfängt, nach Gründen für das Zu-spät-Kommen aufzudröseln, dann schafft man in der Kindertagesstätte den größten Unfrieden. Die Entscheidung darüber, was sind gute Gründe, was sind schlechte Gründe, was ist höhere Gewalt, kann man nicht der Kita überlassen. Und: Die Diskussion und Durchsetzung einer Verspätungsgebühr darf nicht ein Thema sein, das man den Kita-Leitungen auch noch aufs Auge drückt. So viele Träger nehmen gar nicht wahr, was die Leitungen schon alles wuppen. Ihnen das Handling einer solchen Gebühr auch noch aufzubürden, das wäre nicht mal von der Tapete bis zur Wand gedacht.
Weshalb halten Sie die Gebühr aber im Grundsatz für richtig?
Wenn die Betreuungszeit endet und das Personal länger mit einem nicht abgeholten Kind warten muss, sind das Überstunden. Diese Zeit fehlt dann an anderer Stelle, was wieder zu Lasten der Kinder geht. Und vom Kind her gedacht: Es ist wirklich nicht gerade ein gutes Gefühl, wenn einer nach dem anderen abgeholt wird und man zum Schluss noch allein mit der Erzieherin dasitzt, die nebenher schon aufräumt und andere Dinge erledigt.
Gibt es grundsätzlich Situationen, in denen Sie Verständnis für Eltern haben, die mehrfach zu spät kommen?
Das ist ein schwieriges Thema. Aus meiner Erfahrung heraus sind es jedenfalls die allerwenigsten, die sagen, mein Kind ist ja gut versorgt, dann kann ich die zehn Minuten länger doch auch noch in der Sitzung bleiben. Wobei: Wir hatten mal eine Mutter, die hat so viel gearbeitet, dass ich sie irgendwann regelmäßig angerufen und gesagt habe: Du denkst schon daran, dass es schon viertel vor fünf ist? Die Gründe für zu spätes Abholen sind aber sehr vielschichtig. Eltern verschlafen, weil sie eine Nachtschicht hatten. Oder sie stecken im Verkehr, obwohl sie rechtzeitig losgefahren sind. Ich arbeite in einer Kita in der Nähe der Schweiz, da gibt es oft massive Staus an der Grenze. Verallgemeinerungen sind also fehl am Platz. Man muss mit den betreffenden Eltern immer im Gespräch bleiben und auf ihre Situation schauen. Andererseits: Auch wir Erzieherinnen und Erzieher sind Eltern, haben unsere Familien, unsere Hobbys und einen Anspruch darauf, verlässlich rauszukommen.
Wenn aber einfach nicht genügend Betreuungszeit für Vollzeit arbeitende Eltern angeboten werden kann?
Dann müssen politisch schleunigst und dringend Rahmenbedingungen geändert werden. Kinder, Eltern und Erzieherinnen müssen büßen, was politisch seit Jahren versäumt wurde, an allen Ecken und Enden werden nur noch Löcher gestopft. Wir haben den Beruf gewählt, weil wir mit Kindern arbeiten und leben wollen, nicht, um nur noch auf sie aufzupassen. Aber wir Fachkräfte werden ja, im Gegensatz zum Gesamtelternbeirat, Trägerverbänden und Gewerkschaft, nicht einmal zum entsprechenden runden Tisch im Kultusministerium eingeladen.
Warum läuft der Betrieb an den meisten Kitas trotzdem weitgehend geräuschfrei?
Weil pädagogische Fachkräfte immer noch zum Team Möglichmacher gehören. Aber wenn es an immer mehr Ecken knirscht, kann ich nur hoffen, dass in immer mehr Kitas die Fachkräfte sagen: So arbeite ich nicht mehr. So leid es mir für die Familien tut: Vielleicht braucht es noch größeren Druck von Elternseite, dass politisch endlich etwas in Bewegung kommt.