Stuttgart - Noch immer horten die Deutschen ihr Geld am liebsten auf dem Sparkonto. Das ist kein Geheimnis. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass sich das langfristig eigentlich nicht lohnt, denn gute Zinsen gibt es dafür schon lange keine mehr. In diesem Text soll es darum gehen, warum es eine Überlegung wert sein kann, in Aktien und ETFs zu investieren – und für wen sich diese Form der Geldanlage lohnt.
Niels Nauhauser arbeitet bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. und ist Abteilungsleiter für Altersvorsorge, Banken, Kredite. Die Empfehlungen der Verbraucherzentrale stützen sich auf historische Analysen des Finanzmarktes – also immer auf die Vergangenheit.
Von Prognosen zur Zinsentwicklung und über künftige Renditen hält Nauhauser nichts. Was man aber wisse ist zum Beispiel, dass Aktien in den vergangenen 100 Jahren „bei Anlagezeiträumen von 30 Jahren in 93 Prozent der Fälle die ertragreichste Geldanlage“ waren, „vorausgesetzt, man hat richtig angelegt“, sagt der Finanzexperte. Aber was heißt das genau und wie gehe ich vor, wenn ich vor der Überlegung stehe, mein Geld anzulegen?
1. Der berühmte Notgroschen
Bevor man Geld anlegt, sollte man sich Gedanken darüber machen, was in den kommenden Jahren an Ausgaben anstehen könnte. Klassischerweise ist im Zusammenhang mit dem Notgroschen von der plötzlich defekten Waschmaschine oder dem kaputten Auto die Rede – anfallende Reparaturkosten oder Neuanschaffungen müssen bezahlt werden können. Doch wie hoch sollte die Rücklage sein?
Von Faustformeln wie dem dreifachen Nettomonatsgehalt als Notgroschen hält Finanzexperte Nauhauser wenig. „Die Rücklagen hängen vom individuellen Bedarf ab“, sagt er. Was für den einen passen kann, muss für den anderen noch längst nicht reichen. Plump gesagt: Wer kein Auto hat, dem kann es auch nicht kaputt gehen. Auch das Arbeitsverhältnis kann dabei eine Rolle spielen: Wer einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat, hat per se eine größere Sicherheit als ein Angestellter in Probezeit oder ein Minijobber.
2. Stehen größere Anschaffungen an?
Mindestens so wichtig wie der Notgroschen sind laut Nauhauser die Anschaffungsrücklagen. Wird in den kommenden zehn Jahren ein neues Auto gekauft? Und wie steht es um die Wohnsituation: Will ich in den nächsten zehn Jahren womöglich ein Haus bauen, eine Eigentumswohnung kaufen oder wohne ich weiter zur Miete?
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„Wenn der Immobilienkauf eine ernsthafte Option ist, stellt sich die Frage, ob man das Risiko an der Börse überhaupt tragen will“, so Nauhauser. Aus seiner Erfahrung als Berater weiß er, dass die meisten Verbraucher da kein Risiko eingehen wollen. „Wenn der Immobilienkauf kein Thema ist, kommen grundsätzlich auch Anlagen in die Aktienmärkte in Frage“, so der Finanzexperte.
3. Was ist die beste Geldanlage – Aktien oder ETF?
Die Frage nach der besten Geldanlage wird auch dem Verbraucherschützer immer wieder gestellt. Der Finanzexperte Nauhauser empfiehlt, sich möglichst breit aufzustellen, das heißt, auf verschiedene Branchen, aber auch auf verschiedene Länder zu setzen. „Gerät etwa die heimische Automobilbranche unter die Räder, könnte zum Beispiel die amerikanische oder asiatische Konkurrenz profitieren“, erklärt Nauhauser. Und während es der Luftfahrtbranche schlecht geht, kann die Pharmaindustrie einen Aufschwung haben. Der Trick liegt also in der Streuung.
Bei der Entscheidung, ob man einzelne Aktien kauft oder in einen ETF investiert, muss man sich den Unterschied klar machen. „Wer in einzelne Aktien investiert, muss viel größere Wertschwankungen aushalten als bei einer breiten Streuung über dreitausend Aktien weltweit, wie sie etliche ETFs bieten“, so der Finanzexperte. Denn Aktien sind Anteile an Unternehmen. Wer Einzelaktien kaufe, zum Beispiel von der Daimler AG oder der Lufthansa, der trage ein Totalverlustrisiko. Damit ist gemeint: Geht das Unternehmen pleite, ist meine Geldanlage wertlos.
Ein ETF („Exchange Traded Fund“) hingegen ist ein börsengehandelter Indexfonds, der die Entwicklung eines Index nachbildet, also ganze Märkte umfasst. Man miniert mit der Investition in einen ETF also das Risiko, Geld durch beispielsweise Insolvenzen zu verlieren. „Ein ETF, der Aktien aus verschiedenen Ländern und Branchen zusammenfasst, ist zum Beispiel der MSCI World, der MSCI All Countries World oder der FTSE All World Index“, erklärt Nauhauser. „ Der STOXX Europe 600-Index streut ebenfalls sehr breit, allerdings begrenzt auf Europa.“ Als alleinige Anlage sei er daher nicht die erste Wahl.
4. Einmalanlage oder monatlicher Sparplan?
Ob man in einen monatlichen Sparplan in ETFs investieren will oder eine größere Summe Geld auf einmal anlegt, hängt vor allem von den persönlichen Umständen ab: Habe ich womöglich Geld geerbt und will beispielsweise 10.000 Euro auf einmal anlegen? Oder habe ich mir ausgerechnet, dass ich monatlich 50 Euro zur Seite legen könnte und langfristig anlegen möchte?
Laut dem Verbraucherschutz gibt es da „kein richtig oder falsch“. Wer den Unterschied vergleichen möchte, kann dies mit dem Renditerechner der Verbraucherzentrale ausrechnen. Die Daten beziehen sich immer auf die Vergangenheit, denn der Rechner kann logischerweise keine Prognosen für die Zukunft geben.
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Hätte man zum Beispiel monatlich 50 Euro in Aktien angelegt (gemessen am Index MSCI World) und das über einen Zeitraum von 25 Jahren, hätte man im Durchschnitt knapp 24.000 Euro erhalten – Inflation und übliche Kosten für ETFs bereits abgezogen. Hätte man 10.000 Euro auf einmal in Aktien angelegt und das über den selben Zeitraum, hätte man im Durchschnitt etwa 36.000 Euro zusammen bekommen. Allerdings nicht ohne heftige Tiefen: Zwischendurch hätte der Anleger einen Wertverlust von 40 bis 63 Prozent aushalten müssen. Aber am Ende nie einen realen Verlust.
5. Wann sollte man die Finger von Aktien und ETFs lassen?
Der Finanzexperte sagt ganz klar: „Aktien und ETFs sind selbst bei breiter Streuung nicht für jeden die richtige Geldanlage“. Doch welche Eigenschaften erfordert das Handeln an der Börse? „Vor allem Gelassenheit“, sagt Nauhauser. Man müsse es aushalten und aussitzen können, wenn die Aktienkurse fallen. „Und sie werden ganz sicher immer wieder auch heftig fallen“, so Nauhauser.
Vereinfacht gesagt: „Wer nachts senkrecht im Bett steht, weil das Depot 10 Prozent im Minus ist, für den ist das eher nichts.“ Außerdem brauche man einen sehr langen Atem. Ab einer Anlagedauer von rund 20 Jahren gab es in den letzten 50 Jahren keinen Zeitraum mehr, bei dem die Anleger am Ende mit einem Verlust dastanden, wenn sie weltweit und kostengünstig angelegt haben. Aber: „Eine absolute Garantie kann einem niemand geben“, so Nauhauser.