Immer mehr junge Städter leben heute alleine. Wenn es um die Liebe geht, haben wir so viele Freiheiten wie nie zuvor: Zu viel Auswahl, zu viele Möglichkeiten und ja nichts verpassen? In unserer Serie „Wie liebt Stuttgart“ begeben wir uns auf Liebesspurensuche.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Wer um kurz vor 20 Uhr im Café Lichtblick mit suchendem Blick zur Tür reinkommt, wird gleich vom Kellner gefragt: „Socialmatch? Hinten im Biergarten links.“

 

Fünf Männer, eine Frau und Spielleiter Robert Kummer warten dort bereits an einem langen Tisch, in der Mitte ist bereits das Spielfeld ausgebreitet. Die restlichen, angemeldeten Damen haben es sich dann doch anderes überlegt. Zehn Personen hätten es eigentlich sein sollen beim Socialmatch, fünf Frauen und fünf Männer logischerweise. Macht aber nichts, das Spiel sei auch mit weniger Spielern spannend und lustig, kündigt Kummer an. „Wir sind hier immer die letzten, die rausgekehrt werden.“

Spezielle Single-Veranstaltungen sind ja meistens nicht so der Knüller: Single-Partys gelten als üble Resterampe und beim Speeddating muss man allzu oft mit Menschen sieben Minuten sprechen, mit denen man keine sieben Minuten füllen kann – schlicht weil die Stimmung angespannt ist. Der klassische Spieleabend hingegen ist ein Pärchending, Singles halten sich von solchen Veranstaltungen eigentlich lieber fern. Warum aber nicht mal ein paar Singles zusammen einen Abend lang gemeinsam spielen lassen, sich dabei kennenlernen, wie man es früher gemacht hat: in echt. Das Spiel dafür haben die Socialmatch-Gründer Patrick Kuhlmann und Valentin Rieger eigens für die Kennenlernabende entwickelt.

Pantomime und Improtheater mit Wahrheit oder Pflicht

„Es ist eine Mischung aus beliebten Gesellschaftsspielen, Actionelementen und Fragerunden, bei denen ihr euch besser kennenlernt“, erklärt der Spielleiter die Regeln zu Beginn. Das Spiel ist quasi eine Mischung aus Pantomime, Improtheater, Tabu und dem guten alten Wahrheit oder Pflicht – da werden kurz Erinnerungen an die Teeniepartys von damals wach und die Angst vor der Pflichtrunde, bei der man ja häufig sabbernde Bussis vor versammelter Mannschaft entgegennehmen oder verteilen musste.

Ganz so ist es dann beim Socialmatch glücklicherweise nicht. Küssen muss sich direkt am Tisch gar niemand, und die meisten Spielrunden sind dann auch eher harmlos. Kreativität statt Mut ist da eher gefordert. Das hat einen einfachen Grund: „Ihr sollt euch ja richtig kennenlernen“, sagt der Spielleiter. Socialmatch gehe es nicht um schnelle Interaktionen zwischen Mann und Frau, sondern um ein langsames, ja spielerisches Kennenlernen. Persönliche Fragen bei der Quizrunde sollen dazu anregen, ein bisschen privat zu werden und über sich zu erzählen. Ganz harmlos: „Wie sieht dein Tagesablauf aus? Was ist dein ausgefallenstes Hobby?“ Und siehe da, als die einzige Frau in der Runde von ihrer erfolgreichen Tischkicker-Karriere erzählt, horcht der Mann ihr gegenüber sofort auf. „Oha, interessant“, entfährt es ihm.

Langfristige Beziehungen sollen beim Socialmatch entstehen

Alle Runden sind so angelegt, dass sich niemand bei irgendwas blamiert oder bloßgestellt wird. Aber beim Improvisationstheater spannend und lustig zu schauspielern, da gehört schon etwas Mut dazu. Zwei Herren müssen ein Paar spielen, ein Paar im Scheidungskrieg. Anlass: das Adoptivkind muss abgeholt werden, keiner von beiden hat Lust dazu. Und da kommen dann spontan so schöne Sätze wie: „Des Drecksbatzen nervt einfach.“

Und dafür gibt es natürlich zwei Punkte vom Spielleiter. Denn, wie bei jedem Spiel muss es natürlich einen Gewinner geben. Wer als Erstes wieder auf dem Startfeld ist oder wer zuerst zehn Punkte gesammelt hat, gewinnt. An guten Abenden hätten die Gruppen oft aber auch das Spiel Spiel sein lassen und sich nur noch so unterhalten, zu zweit. „Das ist ja auch das eigentliche Ziel“, betont Kummer. Viele Gruppen seien nach dem Spieleabend sogar so vertraut miteinander, dass sie sich im Anschluss noch oft regelmäßig getroffen haben.

Und das ist ja auch schön: Denn einige der Teilnehmer suchen auch neue Freunde, neue Bekanntschaften. „Das ist in Stuttgart nämlich echt schwer“, sagt die einzige Dame. Zu „Neu in Stuttgart“ gehe sie oft, einem wöchentlich stattfindenden Kneipenabend für Zugezogene. „Das war aber langweilig auf Dauer.“ Tinder ist nun eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen. „Aber mit den meisten treffe ich mich kein zweites Mal“, verrät sie in der Runde. Sie suche vornehmlich intelligente Männer, keine schönen. „Einen Physiker oder so.“ Das finden einige der Herren dann weniger nett, aber, na ja, natürlich habe man dieses Tinder auch mal . . . ähm ausprobiert und sei doch nicht über ein einzelnes Treffen hinausgekommen. „Mit manchen schreibt man so witzig, und das erste Treffen ist ein böses Erwachen“, so die Erfahrung eines Teilnehmers.

Viel Stress, den man sich bei einem direkten Kennenlernen, ohne Internet als Zwischenstation, erspart. Und man kommt ja auch gleich viel direkter in Kontakt, wenn man beim Spielen herausfindet, dass nicht nur Tischkicker ein gemeinsames Hobby ist, sondern man die Leidenschaft für Fesselspiele teilt. Und während man darüber so ins Gespräch kommt, erinnert auch schon die Bedienung: „Wir schließen jetzt.“ Die Antwort aus der Runde: „Egal, wir bleiben noch.“