Nach sieben Jahren verlässt Sternekoch Nico Burkhardt das Steigenberger-Hotel in Stuttgart, um sich in Schorndorf selbstständig zu machen. Finanzielle Risiken schrecken ihn nach eigenen Angaben nicht ab.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Stuttgarts jüngster Sternekoch trägt an der rechten Hand einen blauen Verband. Nein, es war kein Küchenunfall, warum Nico Burkhardt, 34, bei seiner zweiten (und letzten) Küchenparty im Steigenberger-Hotel Graf Zeppelin niemandem die Hand geben kann. Der „Aufsteiger des Jahres“, vom Schlemmeratlas 2017 dazu gekürt, hat sich bei der Gartenarbeit verletzt. Krank daheim bleibt er nicht.

 

Im Steigenberger-Restaurant Olivo sieht er selbst angeschlagen nach dem Rechten. So sei „der Nico“ halt, sagt ein Stammgast beim Feiern, verantwortungsbewusst bis zum Umfallen, besessen von dem Drang, für seine Gäste stets das Beste noch zu steigern. Vielleicht habe sich im Gegensatz dazu Frank Oehler, der Patron der insolventen Speisemeisterei, zu wenig um seine eigene Küche gekümmert und zu viel Fernsehen gemacht, ist beim Treffen von acht deutschen Spitzenköchen mit insgesamt zehn Sternen zu hören.

Neuer Küchenchef im Olivo wird Anton Gschwendtner

Von immer schwieriger werdenden Bedingungen für die Sterne-Küche, von strengen Hygienevorschriften oder harten Auflagen wegen des Arbeitszeitgesetzes lässt sich Burkhardt nicht abhalten, seinen Traum von der Selbstständigkeit zu verwirklichen. Es ist der Traum, ein Restaurant zu führen, das seinen Namen trägt. Der 34-Jährige wird das Boutiquehotel Pfauen in Schorndorf zum 1. September übernehmen und strebt dort erneut einen Stern an. Nur über acht Sitzplätze verfügt sein Gourmetrestaurant in einem Fachwerkhaus. Weitere 50 Plätze gibt es im zweiten Pfauen-Restaurant, das unterhalb der Spitzenkategorie mehr Gäste mit günstigeren Preisen anlockt. Einfach wird es nicht.

Vor „lauter Amtsschimmel“ sei das Kochen fast zur Nebensache geworden, hat Vincent Klink von der Wielandshöhe in seinem Blog geklagt. Die gesetzlichen Vorschriften drohten, den Kochspaß in Bürokratie zu ersticken. Klink schätzt, dass „jeder zweite Koch“ sich strafbar mache, wenn man mit jedem Buchstabe des Gesetzes genau hinschaue. Immer komplizierter werde es, ein Restaurant zu führen, ohne Ärger mit dem Finanzamt zu bekommen.

Als Bernd A. Zängle, 63, im vergangenen Dezember zurück ins Stuttgarter Steigenberger als Direktor kam, wo er fast 20 Jahre gearbeitet hat, ahnte er nicht, dass ein Zugpferd des Hauses den Absprung plante. Zu seinen ersten Aufgaben zählte es also, einen Nachfolger zu suchen. Anton Gschwendtner, 35, dem zuletzt im Restaurant Loft in Wien ein Stern gehörte, fängt am 1. Juli im Olivo an.

„Ohne Spaß hälst du das nicht durch“

Mehrfach wird Burkhadt gefragt, warum er nicht die möglicherweise frei werdende Speisemeisterei übernehme. Der 34-Jährige hat sich aber bereits für ein kleines, feines Restaurant im Remstal entschieden. Vieles an den Problemen im Schloss Hohenheim, glaubt Burkhardt, sei hausgemacht. Gäste der Küchenparty sagen, dass die Qualität bei Frank Oehler nachgelassen habe. Der Zwei-Meter-Mann Patrick Bittner vom Hotel Steigenberger Frankfurter Hof, der mit seinem Zopf als „Ironman“ der Sterneköche gefeiert wird, sagt, worauf es ankommt, damit man in Gourmethimmel Erfolg hat: „ Ohne Spaß kannst du dich auf höchstem Niveau im Hamsterrad nicht bewähren und hältst das alles nicht durch.“ Durch die strengen Auflagen und die häufigeren Kontrollen müsse ein Spitzenkoch mehr können als nur kreativ sein. Dies sei so viel Arbeit, dass keine Zeit mehr für umfangreiche Fernsehaktivitäten bleibe, sagt Bittner.

„Niemand zwingt einen dazu“

Unbezahlte Rechnungen, so führt die Speisemeisterei an, seien ein Grund für das Scheitern. „Große Firmen zahlen oft erst nach Monaten“, sagt Hoteldirektor Zängle. Die neuen Arbeitszeitregelungen verlangten nach mehr Personal. Ohne gute Leute gehe gar nichts mehr.

Der Bonner Sternekoch Robert Maas versichert, dass er seinen Beruf liebt, auch wenn dieser wegen der Verschärfung der Gesetze immer härter werde. „Man muss viel geben“, sagt er „aber niemand zwingt einen dazu.“ Weil die meisten Köche so großen Einsatz bringen, sei ein Sterne-Restaurant in finanzieller Schieflage die Ausnahme, heißt es bei der Küchenparty. Die Kollegen drücken Frank Oehler, der fürs Fernsehen andere Restaurants zu retten versucht, die Daumen, dass die Rettung ihm auch bei sich selbst gelingt. Mit einem Insolvenz-Image werde dies aber schwer, hört man.