Wie sich Ex-Partner in Frieden trennen Lass’ uns Freunde bleiben!

Haben es 2014 vorgemacht: das prominente Ex-Liebespaar Gwyneth Paltrow und Chris Martin ging in Frieden und als Team auseinander. Die Schauspielerin und der „Coldplay“-Sänger setzten auf die Methode des „Conscious Uncoupling.“ Foto: imago/Ikon Images/imago stock&people

Die Scheidungsraten gehen zwar zurück, trotzdem gibt es noch genug Paare, die sich trennen und das nicht selten im Streit. „Conscious Uncoupling“ heißt eine Coachingmethode aus den USA, die Menschen dabei helfen soll, gestärkt und in Frieden auseinander zu gehen. Wie funktioniert das?

Stuttgart - In fünf Schritten zur gütlichen Trennung – was klingt wie ein schnöder Werbeslogan für eine komplizierte Angelegenheit, soll tatsächlich funktionieren – zumindest laut denjenigen, die auf das Model „Conscious Uncoupling“ schwören. Die Methode der „bewussten Entpaarung“ kommt aus den USA: die Paar- und Familientherapeutin Katherine Woodward Thomas hat sie erfunden und durch das prominente Ex- Paar Gwyneth Paltrow und Chris Martin ist sie bekannt geworden. Die Schauspielerin und der Sänger trennten sich 2014 nicht einfach mir nichts dir nichts und auch nicht im Rosenkrieg, sondern bewusst und wohlwollend als Team – nach dem Programm von Katherine Woodward Thomas. Seither gilt die 61-Jährige als Expertin für gut gelingende Trennungen. 2016 erschien ihr Buch „Lass uns in Frieden auseinander gehen“ in Deutschland.

 

In fünf Sitzungen zur konstruktiven Trennung

„Wir wollen den Impuls, alles einzureißen und zu zerstören, in den Griff bekommen und die Energie daraus in eine positive Richtung lenken“, hat sie der „Süddeutschen Zeitung“ erklärt. Auch in Deutschland wird damit gearbeitet. Die Essener Rechtsanwältin Annette Oschmann unterstützt Paare als Mediatorin nach dem „Conscious-Uncoupling“-Prinzip dabei, sich einvernehmlich zu trennen. In der „Süddeutschen Zeitung“ betonte sie: „Eine Beziehung übergangslos und unreflektiert in eine Freundschaft münden zu lassen, ist nicht sinnvoll.“

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Doch wie funktioniert sie genau, die bewusste Entpaarung? Dorothea Behrmann, psychotherapeutische Heilpraktikerin und Paartherapeutin aus Hamburg, hat sich darauf spezialisiert und begleitet Paare vor, während und nach dem Trennungsprozess. Das Coaching ist kompakt für fünf Sitzungen angelegt, damit sich ein möglichst geordneter Trennungsprozess ergibt. Kostenpunkt: 150 Euro pro Sitzung. „Es geht um die emotionale Verarbeitung des Verlusts, um den Umgang mit der Kränkung und schließlich um das Loslassen“, erklärt Behrmann. Die Klienten müssen aktiv mitarbeiten, im besten Fall haben sie bereits psychotherapeutische Erfahrung. Das lösungsorientierte Coaching, das Behrmann ausschließlich online per Skype oder Facetime in Einzelgesprächen anbietet, basiert auf der Verhaltenstherapie.

Ein Verlust kann sich anfühlen wie ein Drogenentzug

Diese psychologische Schule geht davon aus, dass der Mensch in der Lage ist, seine Einstellung und seinen Umgang mit bestimmten Situationen zu verändern. In erster Linie bietet sich das Coaching für diejenigen an, die verlassen wurden. „Es ist ja nur sehr selten der Fall, dass sich beide einvernehmlich trennen“, sagt Dorothea Behrmann. Für die Verlassenen sei die Trennung oft ein Schock. „Unser Gehirn ist nicht darauf ausgerichtet, dass wir unsere Bindungen auflösen. Das ist eine existenzielle Belastung, deshalb kann sich so ein Verlust anfühlen wie ein Drogenentzug und die hässlichsten Seiten in uns hervor bringen.“

Auch für Paare, die Kinder haben, eignet sich das Konzept laut Behrmann gut. Schließlich sind sich selbst die zerstrittensten Paare in einer Sache meistens einig: Die Kinder sollen nicht unter der Trennung leiden. Das gelingt aber nur, wenn sich die Eltern nicht bekriegen. „Wenn Eltern es schaffen, nach der Trennung zu kooperieren, sind die Auswirkungen auf die Kinder geringer“, sagt die Psychologin Friederike von Tiedemann. Sie leitet das Hans-Jellouschek-Institut für Systemisch-Integrative Paartherapie in Freiburg und hat 25 Jahre Berufserfahrung in der Paartherapie. „Kinder möchten immer, dass die Eltern zusammen bleiben, selbst wenn es Aggressionen und Gewalt gibt. Die Abwertung des anderen Elternteils ist die stärkste Belastung, das empfinden Kinder wie ihre eigene Abwertung.“

Die akute Phase der Trennung dauert zwei Jahre

Von Tiedemann sieht das Model „Conscious Uncoupling“ kritisch: „Eine Trennung ist eine existenzielle Lebenskrise, bei der man als Paartherapeut fundiert vorgehen muss.“ Das Model enthalte zwar Elemente aus der systematischen Paartherapie, allerdings stark ausgedünnt. Die akute Phase der Trennung dauere ihrer Erfahrung nach mindestens zwei Jahre. „Bis alles sondiert ist, die Rollen neu verteilt sind, braucht es Zeit, das kann man nicht in ein Raster pressen“, sagt die Expertin. Menschen, die sich für „Conscious Uncoupling“ entscheiden, müssten aus ihrer Sicht eine gesunde Ich-Reife mitbringen. „Sie sind fähig zur Impulskontrolle und müssen ihre Bedürfnisse nicht nur spüren, sondern auch kompetent kommunizieren.“ Es hätten jedoch gerade die Menschen Schwierigkeiten in Beziehungen, die nicht über diese innere Stabilität verfügen, ein unsicheres Bindungsverhalten zeigen und damit ihre Beziehung oft überfrachten würden.

Jedes Therapiegespräch hat eine Eigendynamik

Der bekannte Paartherapeut Wolfram Zurhorst, der mit seiner Frau Eva-Maria Zurhorst das Modell „Trennung in der Beziehung“ entwickelt hat, findet die Idee des „Conscious Uncoupling“ sympathisch, sagt aber: „Jedes Paar tickt anders und jedes Coachinggespräch hat eine Eigendynamik, die man nicht schematisieren kann.“ Aus seiner Sicht braucht eine bewusste Trennung zwei Menschen, die bereit sind, friedlich auseinander zu gehen. Das könnten in einer Krise die wenigsten. Deshalb ersetze diese Methode kein klassisches Paarcoaching. Auch wenn er findet, dass viele Therapien oft zu lange dauern. „Menschen mit Beziehungsproblemen sind nicht krank und brauchen nicht gleich eine Therapie. Meistens auch keine Trennung. Viele Paare kommen zu mir, die zuvor von anderen Therapeuten geraten bekommen haben, sich zu trennen. Wir haben dann oft eine andere Lösung gefunden“, sagt Zurhorst.

Das Problem liegt meistens nicht nur im Gegenüber

„Ich versuche, den Punkt zu finden, an dem ein Paar auseinander gedriftet ist. Da geht es meist um tieferliegende Themen, um Prägung, um die Herkunftsfamilie, aber eben nicht um ewiges Herum-Rühren in der Vergangenheit.“ Wenn man sich dessen bewusst werde und das Problem nicht zu sehr im Gegenüber suche, sei viel mehr möglich, als man glaubt, findet Zurhorst.

Auch bei Dorothea Behrmann haben Paare, die als getrennte Leute zu ihr ins Coaching kamen, am Ende wieder zusammen gefunden. Das ist aber nicht die Regel. Sie ist überzeugt, dass „Conscious Uncoupling“ die längst fällige Antwort auf die gesellschaftliche Entwicklung ist. „Trennungen gehören zum Leben, aber es wird als Scheitern angesehen, obwohl jeder Mensch im Schnitt drei bis vier signifikante Trennungen mitmacht.“ Der Umgang mit Verlusten werde stiefmütterlich behandelt. „Am Ende einer Beziehung steht oft nur noch der Anwalt. ‚Conscious Uncoupling’ ist sicherlich der konstruktivere und günstigere Weg.“

Beziehungen in Zahlen und Fakten

Auch wenn etwas anderes suggeriert wird: die Scheidungsrate ist laut der Psychologin und Paartherapeutin Friederike von Tiedemann seit 2008 kontinuierlich gesunken und die Rate der Eheschließungen steigt. Dem Statistischen Bundesamt zufolge wurden 2018 rund 33 Prozent Ehen geschieden. 14,8 Jahre bleiben Paare im Schnitt bis zur Scheidung verheiratet.

Je älter die Partner bei der Hochzeit sind und je länger sie davor zusammen waren, desto besser die Aussichten, sagen Experten. Die Zufriedenheit mit der Beziehung erreicht oft zwischen dem fünften und achten Jahr einen Tiefpunkt – Stichwort verflixtes siebtes Jahr. Wer den übersteht, hat gute Chancen auf lebenslänglich. SDR

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