Der Böblinger Landrat Roland Bernhard freut sich auf den Bau der Flugfeldklinik. Mit digitaler Planung und einem innovativen Vergabeverfahren will er weitere Kostensteigerungen vermeiden. Das größte Problem sei der Fachkräftemangel im Krankenhaus.

Böblingen - Noch fünf Jahre – dann soll die Flugfeldklinik auf dem Areal zwischen Böblingen und Sindelfingen in Betrieb gehen. Trotz einiger Kritiker scheint die Frage nach dem richtigen Standort für die meisten Bürger kein Thema zu sein. Sorge machen sich viele indes wegen der Kosten: Um 100 Millionen Euro hat sich der Bau seit der ersten Kostenschätzung verteuert. Mit 550 Millionen Euro rechnet der Landkreis nun für den Neubau. Wir haben den Böblinger Landrat Roland Bernhard als Vorstandsvorsitzenden der Kreiskliniken gefragt, wie er das Kostenrisiko in den Griff bekommen möchte.

 

Herr Bernhard, der Bau der Flugfeldklinik ist das größte Projekt Ihrer Amtszeit. Macht Ihnen das Angst?

Nein, vor was soll ich Angst haben? Es ist ein tolles Projekt, das sicher Unwägbarkeiten wegen der Komplexität hat. Aber was mich antreibt, ist, dass wir die Gesundheitsversorgung der Menschen mit einem medizinischen Hochleistungszentrum entscheidend verbessern, und zwar ortsnah. Da überwiegt die Freude.

Aber die Kosten schießen in die Höhe. Das wollten Sie immer vermeiden. Sie haben immer betont, dass Sie von dem Image wegwollen, dass jedes große Bauprojekt viel teurer wird als geplant. Offenbar lässt sich das aber nicht vermeiden.

Es ist mit Überraschungen zu rechnen, die man nicht vorhersehen kann. So hatten wir früher Baupreissteigerungen eingeplant, aber nicht in Höhe von vier Prozent, wie wir sie jetzt haben, sondern mit den damals üblichen zwei Prozent. Aber dafür sind die Darlehenskosten gesunken. Und die entscheidende Frage ist: Wie hoch ist später unsere Belastung?

Und wie hoch ist die? Niedriger als im Moment?

Davon gehen wir aus. Wir erhalten höhere Zuschüsse für den Neubau durch das Land, und wir zahlen niedrige Zinsen. So können wir künftig mit unseren jährlichen Belastungen unter denen bleiben, die wir momentan haben. Derzeit schießen wir ja jährlich viele Millionen zum Betrieb der Kliniken zu. Allein durch die Zusammenlegung der Häuser Sindelfingen und Böblingen sparen wir künftig rund fünf Millionen Euro an Betriebskosten im Jahr.

Wie hoch werden die Ausgaben künftig sein?

Wir rechnen mit etwa 14 Millionen Euro jährlich für Zins und Tilgung. Im Moment haben wir ein Defizit von etwa 18 Millionen Euro im Jahr. Unser Ziel ist es, im Betrieb die schwarze Null zu erreichen. Die Chancen dafür sind mit einer neuen Klinik gut.

Wie sicher ist es, dass das Land tatsächlich 50 Prozent der Baukosten zuschießt?

Es gibt noch keinen Förderbescheid, den kann es im jetzigen Stadium auch noch nicht geben. Aber es gibt Gespräche mit dem Sozialministerium. Das Land investiert insgesamt mehr für kommunale Krankenhäuser. Und wir bauen darauf, dass das nicht wieder zurückgenommen wird.

Wann werden Sie das schriftlich fixieren?

Voraussichtlich im kommenden Jahr, wenn die Planung für das Krankenhaus steht.

Wie wollen Sie weitere Preissteigerungen vermeiden?

Da gibt es mehrere Instrumente. Zum einen setzen wir auf das Building Information Modeling (BIM) – das digitale Planungs- und Bauverfahren, das uns ermöglicht, schon in einem sehr frühen Stadium alle Kosten beziffern zu können. Das zweite Instrument ist unsere Vergabestrategie. Wir suchen in einem mehrstufigen Auswahlprozess einen Generalunternehmer, der gemeinsam mit uns von Anfang an plant und dabei größtmögliche Kostentransparenz gewährt.

Wie funktioniert das?

Bei diesem Verfahren haben sowohl wir als auch der Generalunternehmer Einfluss auf die Kostenberechnung. So gibt es keine bösen Überraschungen am Schluss. Dieses Verfahren ist in der freien Wirtschaft Standard, beim öffentlichen Bauen noch Neuland. Sowohl mit dem BIM als auch mit dem Partnerringverfahren bei der Vergabe sind wir als Landkreis sehr innovativ unterwegs. Und wir sind überzeugt, so die Zeit- und Kostenplanung bewusst steuern zu können.

Das klingt alles gut. Aber verstehen Sie die Kritiker, die das nicht so ganz glauben?

Es sollte uns nicht davon abhalten, das Richtige zu tun. Natürlich sind BIM und Partnerringverfahren Neuland. Aber wir leben hier im europaweit innovativsten Landkreis. Deshalb wagen wir es.

Anderes Thema: die kleinen Krankenhäuser in Leonberg und Herrenberg. Immer wieder gibt es Rufe aus der Politik und von den Kassen, kleinere Kliniken zu schließen. Zuletzt hat dies der AOK- Chef Marin Litsch gefordert. Sein Maßstab: 30 bis 50 Kilometer Entfernung zum nächsten Krankenhaus für jeden Bürger. Da werden Herrenberg und Leonberg überflüssig, wenn so viel Druck von oben kommt.

Wir haben unser Medizinkonzept mit dem Sozialministerium abgestimmt. Unser Vorteil ist, dass wir nicht über singuläre Krankenhäuser reden, sondern über unseren Verbund. Nicht alle in Baden-Württemberg sind in Klinikverbünden organisiert wie wir. Wir sind daher kein Kandidat, bei dem man die Standortfrage stellt. Wir brauchen die Häuser in Herrenberg und Leonberg. Dazu gibt es ein klares Bekenntnis des Kreistags, kommunales Geld einzubringen. Wenn wir nicht überzeugt wären, die Kliniken zu erhalten, würden wir nicht so viel in die Sanierung stecken: 72 Millionen Euro in die Leonberger Klinik, 40 Millionen in Herrenberg.

Aber wenn die Kassen den Betrieb nicht mehr zahlen wollen?

Wir sehen da keine akute Gefahr, weil wir innerhalb des Klinikverbunds agieren können. Zum Beispiel, wenn es um Mindestmengen bei Operationen geht. Unsere Chefärzte der verschiedenen Kliniken sind da schon sehr weit und arbeiten standortübergreifend eng zusammen.

Zum Beispiel?

Etwa in der Radiologie zwischen Böblingen und Leonberg oder bei der Kardiologie zwischen Nagold und Herrenberg. Wir werden die standortübergreifende Zusammenarbeit künftig weiter ausbauen.

Das größte Problem aller Krankenhäuser ist, genügend Ärzte und Pfleger zu finden. Wie wollen Sie das angehen?

Da sehe ich unsere geplante Flugfeldklinik, ein modernes medizinisches Flaggschiff, als Attraktion, die vor allem junge Leute anziehen wird. Darum beneiden uns viele Mitbewerber auf dem Stellenmarkt. Es gibt aber auch Ärzte und Schwestern, die lieber in einem kleineren Krankenhaus arbeiten möchten, wie etwa in Herrenberg. Wichtig ist, den Klinikverbund als Marke attraktiv zu machen. Dazu gehört vieles, zum Beispiel auch Hilfe bei der Wohnungssuche für die Beschäftigten. Da geht es nicht nur um die alten, klassischen Schwesternwohnheime, sondern um attraktive, bezahlbare Wohnungen für Beschäftigte des Klinikverbundes. Zudem haben wir bis 2024 kreisweit einen zusätzlichen Bedarf von 200 Wohneinheiten zu decken. Außerdem müssen wir noch stärker auf kreative Leistungsanreize sowie eine gezielte Akquise aus dem Ausland setzen.

Das Gespräch führte Gerlinde Wicke-Naber.