Begriffe wie „Googeln“ sind längst Teil der Umgangssprache. Darüber hinaus verändert das Internet aber auch viele weitere Arten den Umgangston. Wieso Money Boy und Donald Trump auf ganz unterschiedliche Weise für Sprachwandel stehen.
Stuttgart - Im Internet kommunizieren die Nutzer sehr direkt miteinander. Das wirkt sich auf die Alltagssprache aus. Begriffe wie „googeln“ für das Erlangen von Halbwissen gehören inzwischen selbstverständlich zum Wortschatz. Dabei gibt es nicht die eine „Online-Sprachkultur“. Anhand so unterschiedlicher Personen wie Donald Trump, Angela Merkel, Boris Palmer und Rapper Money Boy lässt sich zeigen, wie das Netz unsere Art zu reden und zu schreiben verändert.
Der designierte US-Präsident Donald Trump hat es mit Vulgärsprache in Tweets bis ins Weiße Haus geschafft. Trump beschimpft Journalisten als verlogen, CNN verunglimpfte er in einer Pressekonferenz am Mittwoch als „fake news“. Seine Anhänger haben im vergangenen Jahr den deutschen Begriff der „Lügenpresse“ begeistert in ihr Englisch aufgenommen. Dem Netz sei Dank wanderte der Ausdruck auf die andere Seite des Atlantiks.
Donald Trump, der Hemingway der 140 Zeichen
Donald Trump bezeichnet sich selbst gerne als „Hemingway der 140 Buchstaben“. Die italienische Politikwissenschaftlerin Nadia Urbinati erklärt in der kommenden Ausgabe des „Philosophie Magazins“, dass Trump Twitter vor allem wegen der Verknappung auf eine kurze Zeichenzahl schätzt. „Er kann eine Sprache benutzen, die ihre Empfänger am Abwägen hindert und zu unmittelbarer Zustimmung oder Ablehnung zwingt.“ Vielleicht kommt die Reduzierung der Zeichenzahl bei Twitter aber auch nur Trumps eingeschränkter Sprachfähigkeit entgegen.
In Deutschland wird das gefährliche Spiel mit den sprachlichen Twitter-Zeichen von der AfD am besten beherrscht. Beatrix von Storch, Landesvorsitzende der Berliner AfD und berüchtigt für ihre Kurzkommentare, twitterte nach dem Berliner Gedenken an die Terror-Opfer von Jerusalem: „Wann war nochmal die Gedenkanstrahlung in schwarz-rot-gold für die deutschen Terror-Opfer in der Bundeshauptstadt? WANN???!“
Die von Trump beschimpfte Website BuzzFeed macht das Beste aus der Beleidigung
Großbuchstaben, Ausrufezeichen und Beleidigungen sind kein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Dieser Tage attackierte etwa CDU-Generalsekretär Peter Tauber FDP-Chef Christian Lindner via Twitter. Der Wahlkampf in Deutschland dürfte im Netz sprachlich derb werden. Wer seine Manieren im Digitalen vergisst, muss sich nicht wundern, wenn sich das auf das analoge Verhalten seiner Bürger auswirkt.
Oft hilft da nur noch Humor: Die Website Buzz-Feed wurde von Donald Trump dieser Tage „ein scheiternder Haufen Müll“ genannt. Im Online-Shop der Seite ist der dazu passende Buzz-Feed-Mülleimer bereits ausverkauft.
Wie ein semitalentierter Rapper die Netz-Sprache beeinflusst
In künstlerischer Hinsicht ist der Wiener Rapper Money Boy, der sich seit Kurzem Why SL Know Plug nennt, egaler als egal. Sebastian Meisinger, wie der semitalentierte Musiker bürgerlich heißt, wird aber als Erfinder einer sprachlichen Verknappungsstrategie gefeiert, die bei Twitter ihren Anfang nahm. Weil man bei dem Kurznachrichtendienst auf 140 Zeichen begrenzt ist, begann Meisinger, das Pronomen eins durch die Ziffer 1 zu ersetzen. Der Trend gipfelte im Satz „Was ist das nur für 1 Life“, der es in den Sprachgebrauch geschafft hat. Permanent ironische Millennials kommentieren damit bemerkenswerte Situationen.
Ein weiterer Internet-Trend ist das Benutzen des Halbsatzes „von... her“: „Was ist das nur für 1 toller Künstler von Musik her“, ist eine fragwürdige Art, sich auszudrücken. Mittlerweile wird dieser Syntax-Unfall sogar meist „vong... her“ geschrieben. Diese sprachliche Idee ist laut jetzt.de Sebastian Zawrel zuzuschreiben. Der Erfinder der Facebook-Seite „Nachdenkliche Sprüche mit Bilder“, die den Trend zum grammatikalisch fragwürdigen Kalenderspruch mit Katzenbild persifliert, hat zur Verbreitung dieser Stümmelsprache maßgeblich beigetragen. Klingt schlimm, es geht aber noch schlimmer: Die Sparkassen-Gruppe hat im vergangenen Jahr mit dem Satz „Wenn man 1 gute Bank hat vong Vorsorge her“ geworben.
Boris Palmer: Facebook darf unseren Sprachgebrauch nicht reglementieren
Während bei der Sparkassengruppe also scheinbar pfiffige junge Menschen in der Social-Media-Abteilung arbeiten, zeigt ein Politiker in Baden-Württemberg, wie man im Internet auch mit sprachlicher Korrektheit punkten kann. Fast könnte man meinen, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) regiere seine Alnatura-Metropole via Facebook. Mehr als 20 000 Menschen haben ihn in diesem Netzwerk abonniert. Ob es nur an seinem Facebook-Output liegt, dass er überregional viel stärker wahrgenommen wird als der grüne OB des deutlich größeren Stuttgart, Fritz Kuhn? Der hatte zwar eine Professur für sprachliche Kommunikation an der Merz-Akademie inne, setzt seine Sprache aber nur zur Fehlervermeidung ein.
Facebook selbst wird vorgeworfen, es reagiere auf Hasskommentare nicht ausreichend. Im Dezember wurde Boris Palmer in Mark Zuckerbergs Netzwerk aber für 24 Stunden gesperrt. Der Auslöser: Er hatte den Satz „Was wurde aus dem Mohrenkopf?“ gepostet. Sein Kommentar, als er wieder online sein durfte: „Wenn Facebook unseren Sprachgebrauch durch Sperren reglementiert, ist das der Anfang einer Zensur durch eine nicht erreichbare private Behörde.“
#dankemerkel: in zehn Jahren eine geläufige Redewendung?
Angela Merkel hat die mit ihren Händen geformte Raute in der Bildsprache zu einem ikonografischen Motiv gemacht. Mit der Raute im Netz, dem Hashtag, hat sie dagegen so ihre Probleme. Das Netz war für sie lange Neuland, dafür gilt die Kanzlerin wenigstens als SMS-Profi. Welche Emoticons sie wohl verschickt, wenn sie Horst Seehofer eine iMessage schickt? Den speienden Smiley?
Im Netz ist Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik zum sprachlichen Hassobjekt von rechts geworden. Wutbürger geben ihr, überspitzt gesagt, die Schuld an allem. Die Facebook-Seite „Danke Merkel“, ins Leben gerufen von einem 22-jährigen Lehramtsstudenten aus Würzburg, nimmt „besorgte Bürger und wütende Pegida-Anhänger mit Rechtschreibschwäche aufs Korn“, wie der „Spiegel“-Ableger bento.de schreibt.
Der Hashtag #dankemerkel hat sich im Netz inzwischen verselbstständigt. Ob bei Twitter oder eben bei Facebook: viele Nutzer versehen ihre Tweets oder Posts mit einem #dankemerkel, wenn sie sich ironisch über den Wintereinbruch, über Boatengs Handspiel bei der EM 2016 oder über Feinstaub in Stuttgart beklagen. Ein Nutzer im Netz prognostiziert: In zehn Jahren wird ,Danke Merkel’ eine geläufige Redewendung sein, wenn man ironisch gemeint jemandem anderem die Schuld für etwas geben will.“