Wie wird man eigentlich Stuttgarter? Man ist, woher man kommt

Von oben sehen alle irgendwie gleich aus: Touristen genauso wie Einheimische. Die Luftaufnahme zeigt den Fernsehturm in Stuttgart. Foto: dpa

Egal, ob Hedelfingen, „oben“ in der Villa auf dem Hasenberg oder Ouagadougou: Andauernd will jemand wissen, woher man wirklich herkommt. Wirklich?

Bauen/Wohnen: Tomo Pavlovic (pav)

Stuttgart - Leider wird einem die Frage, woher man herkomme, tendenziell zu häufig gestellt. Hat man keine auffälligen äußeren Merkmale, etwa einen dunkleren Teint oder ein drittes Auge, die einen als Fremden oder Freak brandmarken (oder beides), ist es eventuell der slawische Nachname, der Interesse weckt. „Ja, wo kommen Sie denn her?“, wird man oft angeföhnt, was nicht böse gemeint ist, aber als Einleitung zum fluffigen Smalltalk im Theaterfoyer untauglich ist. Die empfehlenswerte Gegenfrage könnte in solchen Augenblicken lauten: „Und selbst?“ Oder man antwortet keck: „Komme gerade aus dem Parkhaus“. Oder: „Aus der Cannstatter Kurve.“

 

Egal, ob Hedelfingen oder Ouagadougou

Man darf diese Fangfragen aber auch nicht auf die ganz leichte Schulter nehmen; die gebürtigen Hallschläger oder Zuffenhausener können davon sicher ein Liedchen singen. Nicht selten entscheidet ja die Herkunft eines Menschen über sein späteres Schicksal, was absurd ist. In einer angeblichen Leistungsgesellschaft sollte die Frage, ob man nun in Kopenhagen oder in Ouagadougou, „oben“ in der Villa auf dem Hasenberg oder „unten“ hinterm Gemüsemarkt in Hedelfingen gezeugt wurde, keine erhebliche Rolle spielen. Tut es aber.

Internationale Männerrunden

Andererseits kann es auch richtig dumm laufen, wenn man mal nicht nach der exakten Herkunftsverortung abzüglich der Etymologie des Nachnamens samt historischer Kontextualisierung unter Berücksichtigung des familiären Stammbaums, des DNA-Abgleichs sowie der genauen Datierung der Einbürgerungsurkunde gefragt wird. Als man einmal in eine feuchtfröhlichen Runde mit fußballverrückten Engländern und Niederländern geriet, wurde man beim Humpen Bier scherzhaft als „Nazi“ und „Kraut“ angegrölt. Manchmal sind stereotypisierende Bezeichnungen in internationalen Männerrunden befreiend, in diesem Fall waren sie es eher nicht.

Neid und Missgunst

Zu allem Übel wird man im innerdeutschen Vergleich als Stuttgarter ebenfalls gefühlsmäßig viel zu oft gemobbt, am liebsten von chronisch schwabenfeindlichen Berliner Taxifahrern, grundlos eingebildeten Kölner Spaßvögeln und penetranten Bayern-München-Fans. Schwaben haben aus unerfindlichen Gründen einen zweifelhaften Ruf, zumindest in der norddeutschen Tiefebene sowie im Großraum Berlin. Der Dialekt im Allgemeinen, ja selbst das so charmante Stuttgarter Honoratiorenschwäbisch im Speziellen kommt selten gut an. Was allerdings auch dem Neid und der Missgunst geschuldet ist. Der Stuttgarter gilt als strebsam und fleißig, so das Klischee, und fährt nach der Kehrwoche mit seinem Mercedes ziellos im Kreis herum. Cool ist man woanders. In Hamburg. Und sowieso: in der Hauptstadt.

Die besten Städtebeschimpfungen

Trösten könnte einen der Umstand, dass Stuttgart auf der Städtebeschimpfungsskala weit unten rangiert. Der berühmteste und leidenschaftlichste Städtebeschimpfer war der österreichische Dramatiker Thomas Bernhard, der besonders gern mittelgroße Städte mit Worten penetrierte: „Salzburg, Augsburg, Regensburg, Würzburg, ich hasse sie alle, weil in ihnen jahrhundertelang der Stumpfsinn warmgestellt ist.“ Berlin findet sich, was den Hass angeht, in den Champions-League-Rängen, gleiches gilt für München – und auch Düsseldorf ist eine echte Hassperle. Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass urteilte über die Rheinmetropole: „Diese butzenscheibenverklebte Pestbeule, diese Beleidigung eines nicht vorhandenen Gottes, dieser Mostrichklacks, angetrocknet zwischen Düssel und Rhein, dieses stockwerkehohe abgestandene obergärige Bier.“ Und wie muss man sich erst als Heilbronner fühlen, wenn der Literaturwissenschaftler und gebürtige Heilbronner Rainer Moritz über seine Heimatstadt schreibt, sie sei „die blanke Langeweile, das ist stadtgewordener Rudolf Scharping“? Da kann man nur froh sein, dass man ein waschechter Stuttgarter ist.

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