Wie zukunftssicher ist Deutschland? Ist das Erfolgsmodell Export am Ende?
Der einstige Exportweltmeister Deutschland gerät mit dem über Jahrzehnte erfolgreichen Geschäftsmodell an seine Grenzen. Ein Blick auf drei zentrale Baustellen.
Der einstige Exportweltmeister Deutschland gerät mit dem über Jahrzehnte erfolgreichen Geschäftsmodell an seine Grenzen. Ein Blick auf drei zentrale Baustellen.
Mit der deutschen Exportwirtschaft geht es seit etwa zehn Jahren stetig bergab. Es werden weniger Industriegüter „made in Germany“, vor allem Maschinen und Autos, verkauft – insbesondere weil der Industrieanteil hierzulande sinkt und weil die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gelitten hat. Doch ohne starke Industrie kein erfolgreicher Export – damit gerät auch der nationale Wohlstand in Gefahr.
Der Rang des „Exportweltmeisters“ ist schon lange weg, genauer seit 2009, als sich China auf Platz eins schob; Deutschland ist nur noch die Nummer drei. Es war allerdings auch ein „Titel, auf den man nicht besonders stolz sein konnte“, sagt Achim Wambach, der Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Denn der Titel hat gleichzeitig bedeutet, „dass wir unser Geld im Ausland angelegt haben“. Wenn die Lockerung der Schuldenbremse durch die Bundesregierung nun dazu führt, dass es wieder mehr Konsum und Wachstum hierzulande gibt, „dann können wir eigentlich gut damit umgehen, nicht mehr Exportweltmeister zu sein“.
Baustelle USA Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat der Exportüberschuss Deutschlands im weltweiten Warenverkehr von Januar bis Juli 2025 um 21 Prozent auf rund 121 Milliarden Euro abgenommen. Dennoch sind die USA immer noch der Handelspartner, mit dem Deutschland den höchsten Exportüberschuss aufweist. Seit mehr als drei Jahrzehnten wird mehr ausgeführt als von dort importiert. Allerdings bremst Trumps aggressive Zollpolitik diesen Trend spürbar ab.
Hat sich Deutschland zu abhängig gemacht vom Export? Er würde die Globalisierung „nicht abschreiben“, sagt Wambach. Deutschland liefere zu jeweils etwa zehn Prozent in die USA und nach China, also 80 Prozent woanders hin. Davon werde ungefähr die Hälfte ins EU-Ausland gebracht. „Da ist noch viel Potenzial in Europa und auch außerhalb Europas“, sagt der Ökonom. Die EU schließe fleißig neue Handelsverträge ab, aktuell mit Indonesien. Wenn die geopolitischen Spannungen dazu führen, dass in Europa die Wettbewerbsfähigkeit verstärkt und der Handel mit anderen Weltregionen gefördert wird, „dann kann das sogar einen Boost bekommen“.
Baustelle China Enorme Abhängigkeiten bleiben vorerst bestehen – speziell von einem politisch wenig verlässlichen Partner wie China. „Ich glaube, mittlerweile hat jedes der größeren Unternehmen auf dem Radar, was geschieht, wenn sich die geopolitischen Spannungen vertiefen“, sagt der langjährige wissenschaftliche Berater der Bundesregierung. „Zumindest in den strategischen Sektoren werden wir da weniger Handel betreiben und uns auch mehr anderweitig absichern.“
Gegenüber China weist Deutschland seit Jahren ein hohes Außenhandelsdefizit auf – mit wachsender Tendenz: Von Januar bis Juli überstieg der Wert der Einfuhren aus der Volksrepublik den der Ausfuhren dorthin um 47,7 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wuchs der Importüberschuss um 54 Prozent. „Wir sehen in den Zahlen, dass unsere Exporte nach China zurückgegangen sind, unsere Importe aber gestiegen sind“, so Wambach. „Das ist problematisch, wenn wir uns gleichzeitig von den Abhängigkeiten lösen wollen – wenn wir mehr importieren, werden wir ja noch abhängiger von China.“ Da sieht er eine „echte Baustelle“.
Gleichzeitig sind China und die USA, anders als Europa, stark wachsende Märkte. Gerade die Chinesen sind mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 25 Prozent des OECD-Durchschnitts relativ arm. Es ist somit gut nachvollziehbar, dass die deutsche Industrie an diesem Wachstum teilhaben will.
Baustelle Baden-Württemberg Wenn die deutsche Wirtschaft unter Exportproblemen leidet, dann tut es das Industrieland Baden-Württemberg erst recht. „Die Situation ist sehr ernst zu nehmen“, sagt Wambach. Ein Problem kommt zum anderen: Die höheren US-Zölle sowie der verstärkte Wettbewerb mit den chinesischen Autoherstellern und Zulieferern – „da hat Baden-Württemberg echt etwas zu schultern“.
Positiv hingegen könnte der Ausbau der militärischen Verteidigung dem Südwesten zugutekommen. Die Amerikaner geben in etwa dreimal so viel Geld für Forschung und Entwicklung im Verteidigungssektor aus. Insofern wäre es sinnvoll, wenn die Bundesregierung mit dem Verteidigungsetat auch das Forschungsbudget anheben würde. Ob bei Drohnen- oder Satellitentechnologie und Cybersecurity – „dieser Sicherheitspush bietet auch eine Chance“, befindet der Ökonom.
Gerade weil Europa nicht so willkürlich agiert wie andere, sei es in einem sich verändernden Welthandel begehrt. Insofern sei auch Baden-Württemberg „sehr gut aufgestellt“. Die Unternehmen hätten viel Erfahrung im Handel und würden von Außenhandelskammern unterstützt. „Das kommt uns alles zupass, wenn sich neue Türen auftun.“
Die Weltwirtschaft wächst jährlich um die drei Prozent – das bedeutet: In zehn Jahren ist die Welt noch mal ein Drittel größer. Abgesehen vom baden-württembergischen Exportschlager Auto: Industrieanlagen, Maschinen, Elektronik, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse – all dies wird in Zukunft verstärkt gebraucht. „Da haben wir sehr gute Unternehmen, viele Patente und ein sehr gutes Zusammenspiel zwischen den Forschenden, der Wissenschaft und den Unternehmen.“ Auch die Ausbildung in den sogenannten MINT-Fächern sei ziemlich gut.
„Made in Germany“ sei noch immer Nummer eins in anderen Ländern. Und dass der Dax im Moment so hoch stehe, habe mit der Zuversicht zu tun, dass die KI den Unternehmen einen großen Schub geben kann. „Auch in diesem Bereich haben wir gute Voraussetzungen.“ Insofern sei Optimismus angebracht, „dass wir am neuen Welthandel einen guten Anteil haben werden“.