Die Newari lebten während der Malla-Ära vom elften bis 19. Jahrhundert im Tal von Kathmandu und lernten im Laufe der Jahrhunderte, wie sie ein nahezu hundertprozentig erdbebensicheres Haus bauen mussten. Holzstreben, die die Wände nach einem ausgeklügelten System verbinden, und Deckenbalken, die zusätzliche Stabilität verleihen, so lauten die einfachen Rezepte, die bei Nepals Erdbeben den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen konnten. „In Kathmandu sind meines Wissens alle Gebäude mit mehr als sechs Stockwerken unbrauchbar“, sagt Puri. Aber auch viele 100 bis 150 Jahre alte Häuser in Bhaktapur seien eingestürzt – „weil sie nie instand gehalten wurden“.

 

Während der siebziger und achtziger Jahre finanzierte und organisierte Deutschland die Restaurierung vieler historischer Gebäude in dem Ort, der während der vergangenen Jahrtausende an der profitablen Handelsroute zwischen China und Indien lag und nicht nur wegen seiner historischen Gebäude, sondern auch seines Joghurts bekannt ist. 116 Denkmäler erlitten während des Bebens Schäden. „Soweit ich gesehen habe, wurde aber nur ein einziger von Deutschland restaurierter Tempel beschädigt“, sagt Puri.

Der Nepalese studierte Anfang der neunziger Jahre in Bremen Entwicklungspolitik und verbrachte nach seiner Heimkehr in den Himalaja ein paar Jahre bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Dann verschrieb Puri sich der Restaurierung und Instandhaltung von Gebäuden. Vor allem aber belebte er die Lehren der Newari-Architektur.

Die Furcht ist noch immer allgegenwärtig

Ein paar Tage nach dem zweiten großen Beben am 12. Mai überwindet Puri wie ein geübter Bergsteiger die Schutthalden in den Gassen und turnt an Zelten vorbei, in denen viele Bewohner Bhaktapurs auch Tage nach den Beben noch übernachten. Selbst in Puris Büro scheint die Furcht immer noch allgegenwärtig. Im Erdgeschoss des Gebäudes fertigen der homöopathische Arzt Ambika Prasad Gyawal im Motorradschutzhelm und sein Kollege Roj Prajapati im Bauhelm Patienten ab. „Man weiß nie“, sagen die beiden fast gleichzeitig. Rabindra Puri lächelt.