Titelteam Stuttgarter Zeitung: Thea Bracht (tab)


Wie wichtig war der Wikileaks-Mitbegründer denn als Identifikationsfigur?


Es wäre auf jeden Fall besser gewesen, wenn das Projekt im Vordergrund gestanden hätte - und nicht die Person Julian Assange. Andererseits weiß man nicht, wie bekannt Wikileaks heute ohne ihn wäre. Vielleicht besteht nun eine Chance, das Projekt dezentraler anzulegen. Es müsste zum Beispiel in mehreren Ländern Pressesprecher geben.

Kritiker werfen Wikileaks vor, nicht verantwortungsvoll genug bei der Veröffentlichung von geheimen Dokumenten vorzugehen. Es fehle die demokratische Legitimation. Befürchten Sie, dass die aktuelle Debatte Wikileaks und dem Internet schadet?


Nein, die Regierungen haben gemerkt, dass es Bereiche gibt, die sie nicht kontrollieren können. Wenn sie darauf mit Zensur reagieren, gibt es genügend Bürger, die sich dagegen wehren und für Informationsfreiheit kämpfen. Die Debatte hat das öffentliche Bewusstsein auf jeden Fall geschärft.

Der ehemalige Wikileaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg, der Assange massiv kritisiert hat, baut gerade eine neue Plattform auf, die in den nächsten Tagen starten soll: Openleaks. Es handelt sich um eine Art Vermittlungsstelle von geheimen Nachrichten, auf der Plattform selbst sollen keine Dokumente veröffentlicht werden. Hat Domscheit-Berg Sie um Mitarbeit gebeten?


Früher hatte ich regelmäßig Kontakt zu ihm, bin aber jetzt nicht dabei. Ich halte die neue Plattform für eine gute Sache, auch wenn ich noch nicht weiß, ob das Konzept aufgeht. Vermutlich werden in nächster Zeit noch vier oder fünf weitere Enthüllungsplattformen entstehen. Das ist nicht schlecht, doch eine Gefahr sehe ich darin, dass Sicherheitsmechanismen fehlen. Man braucht schon einiges an technischem Wissen, um die Quellen wirklich zu schützen.

Befürchten Sie, dass Ihr Engagement Konsequenzen für Sie haben könnte?


Da mache ich mir keine Sorgen - weder in beruflicher noch in sonstiger Hinsicht. Ich stelle ja auch keine eigenen Inhalte auf die Seite, um nicht angreifbar zu sein. Im Moment läuft noch ein Verfahren gegen mich, weil man über Wikileaks.de auf eine australische Internetzensurliste kommt, die bei Wikileaks veröffentlicht wurde. Von den 3000 Links auf der Liste führen ein paar zu kinderpornografischem Inhalt. Ich warte aber seit einem Dreivierteljahr auf einen neuen Verhandlungstermin.

Wie viel Geld hat Sie Ihr Engagement bei Wikileaks bisher gekostet?

Mehr als 1000 Euro hab ich noch nicht ausgegeben. Außerdem hat mir Wikileaks Unterstützung zugesagt.