Mehrere Autoren schreiben gemeinsam an einem Text – das ist das Grundprinzip von Wikipedia. Jeder kann an dem Online-Lexikon mitwirken. An diesem Freitag feiert die Enzyklopädie ihr 15-jähriges Bestehen.

Leben: Ricarda Stiller (rst)

Stuttgart - Wie schnell manchmal ein Eintrag in dem Online-Lexikon Wikipedia geändert wird, das konnten Anfang dieser Woche alle Fans von David Bowie beobachten. Die Meldung über den Tod des Musikers lief am Montagmorgen gerade erst über die Ticker, die Nachricht verbreitete sich innerhalb weniger Minuten über sämtliche Medien rund um die Welt – und sofort war der Eintrag in der deutschen Wikipedia geändert: „David Bowie (* 8. Januar 1947 in Brixton, London; † 10. Januar 2016 in New York City), bürgerlich David Robert Jones, war ein britischer Musiker, Sänger, Produzent, Schauspieler und Maler.“ Es schien fast so, als hätte es die Enzyklopädie schon ein paar Sekunden früher gewusst. Doch wer ist überhaupt die Wikipedia? Wer steckt dahinter? Alle und keiner. Jeder kann mitmachen. Mehrere Autoren schreiben gemeinsam an einem Text und kontrollieren sich, so das Konzept.

 

Dass es gut funktioniert, wird mitunter angezweifelt – weil zwar in der Theorie jeder an dem Lexikon mitschreiben kann, die Praxis jedoch ehemaligen Wikipedia-Autoren zufolge anders aussieht. Viele schätzen die Online-Enzyklopädie deswegen, weil sie als offenes und kollaboratives Projekt begründet wurde. In letzter Zeit aber häufen sich die kritischen Stimmen. Amerikanische Wissenschaftler sprechen gar von fortschreitender bürokratischer Erstarrung, die den Autoren mit profundem Fachwissen die Mitarbeit verleiden würde.

Besonders beliebt ist Wikipedia bei den Jüngeren

Dennoch recherchieren vier von fünf deutschen Internetnutzern bei Wikipedia. Bernhard Rohleder vom Branchenverband Bitkom sagt: „Das Online-Lexikon Wikipedia ist für viele Internetnutzer der erste Anlaufpunkt bei Recherchen zu einem Thema.“ Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Bitkom haben nur die wenigsten Nutzer Zweifel an der Verlässlichkeit der Inhalte. Zwölf Prozent der Wikipedia-Nutzer sind demnach der Ansicht, dass die Inhalte „immer verlässlich“ sind, 67 Prozent halten die Informationen auf Wikipedia immerhin für „meistens verlässlich“. Allerdings zweifelt etwa jeder sechste der Befragten die Glaubwürdigkeit der Wikipedia-Einträge stark an und stuft demzufolge die Inhalte als „selten verlässlich“ ein. Besonders beliebt ist das kostenfreie (siehe Kasten) Lexikon bei den Jüngeren: 92 Prozent der 14- bis 29-jährigen Internetnutzer verwenden Wikipedia. Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 84 Prozent, bei den 50- bis 64-Jährigen 74 Prozent und bei den über 65-Jährigen noch 43  Prozent.

Am 15. Januar 2001 ging das von dem US-Amerikaner Jimmy Wales gegründete Projekt online. Wenige Minuten nach dem Start der englischsprachigen Wikipedia startete die deutschsprachige Ausgabe. Es folgten die katalanische, die japanische, die schwedische und die französische Wikipedia. Heute gibt es das Lexikon in 291 Sprachen mit einer sehr unterschiedlichen Anzahl von Artikeln, darunter auch kleine Wikipedia-Ausgaben in Plattdeutsch, Nordfriesisch, Alemannisch oder Rätoromanisch. Seit dem Jahr 2003 wird die Plattform von der Non-Profit-Organisation Wikimedia Foundation betrieben und über Spenden finanziert.

Scheinbar soll die Zahl der Leser und der Autoren zurückgehen

Die größte Wikipedia ist nach wie vor die englischsprachige mit mehr als fünf Millionen Artikeln. An zweiter Stelle steht die schwedische Wikipedia mit 2,4 Millionen Artikeln, gefolgt von der deutschsprachigen mit knapp 1,9 Millionen Artikeln. Interessant ist die Zahl der aktiven Nutzer, die an Artikeln mitwirken. Während es laut Wikipedia bei der englischsprachigen Version noch 118 000 Aktive sind, kümmern sich um die schwedische Ausgabe 2500 Autoren und um die deutschsprachige 18 000 Menschen. Wie viele davon wirklich als Autoren aktiv sind, lässt sich aus den Zahlen nicht ablesen.

Das Computerfachmagazin „c’t“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe von einem rapiden Autorenschwund und nennt als Zahl der aktiven Autoren für die englische Wikipedia 30 000 und für die deutsche weniger als 6000 Mitschreiber. Der Zeitschrift zufolge geht außerdem die Zahl der Leser seit dem Jahr 2013 kontinuierlich zurück – von einst mehr als 500 000 Millionen auf mittlerweile unter 400 000 Millionen. Damit ist Wikipedia von Platz fünf der weltweit meistbesuchten Webseiten auf Platz sieben abgerutscht.

Wenn falsche Inhalte zitiert werden, wird es problematisch

Die Zahl der Artikel (aktuell 37 Millionen) hingegen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Über die Qualität der Artikel wird jedoch seit jeher kontrovers diskutiert. So versuchen PR-Mitarbeiter Firmen schönzufärben. Dank eines Filtersystems fliegen zwar die meisten Manipulationen dieser Art auf, aber die Methoden der PR-Firmen werden raffinierter. Administratoren sowie etablierte Autoren können derartige Änderungen sofort löschen. Wikipedia versucht auch mit einem automatisierten Filtersystem Änderungen zu analysieren. Problematisch wird es, wenn falsche Inhalte außerhalb der Wikipedia zitiert und diese Artikel wiederum als Beleg in Wikipedia verlinkt werden. Da beginnt das Henne-Ei-Problem.