Die Wissenschaftler von Wikireal.org sehen ihre Vorwürfe am Stresstest von Stuttgart 21 von der Befürworterseite nicht widerlegt.  

Stuttgart - Die Vereine Pro Stuttgart 21 und IG Bürger für Baden-Württemberg haben am Dienstag den angehenden Verkehrswissenschaftler Peter Reinhart aufgeboten, um die Kritik der Gruppe Wikireal.org am Stresstest von S21 zu kontern. Die Projektgegner um den Physiker und Siemens-Analysten Christoph Engelhardt sehen auch knapp eine Woche nach Veröffentlichung ihrer Manipulationsvorwürfe auf ihrer Faktencheck-Plattform im Internet die Deutsche Bahn und den Schweizer Gutachter SMA in Erklärungsnot.

 

Die Gruppe fühlt sich durch die Aussagen Reinharts in der Pressekonferenz bestätigt. Der Befürwortervertreter habe ihre veröffentlichten Vorwürfe, der Stresstest verstoße vielfach gegen die Konzernrichtlinie 405, in keinem einzigen Punkt entkräften können. Während Wikireal bekanntlich schlussfolgert, dass der Test nicht bestanden sei, schon gar nicht mit der zweitbesten Note "wirtschaftlich optimal", hält der Dresdner Student und Fachautor das Testat von SMA für "plausibel". Das Regelwerk könne man "so und so sehen", sagte Reinhart, als er auf die angeblichen Verstöße angesprochen wurde. Das Ergebnis bleibe, egal was man in der Simulation verändere, immer stabil. Reinhart sparte, obwohl von S-21-Befürwortern eingeladen, nicht mit Kritik an der Bahn. Er sei "ein Freund der Bahn", doch sie agiere viel zu intransparent. Entscheidungen seien auch für Fachleute oft nicht nachvollziehbar. Außerdem lasse sie sich nicht auf konkrete Kritik ein.

Auf die Standardvorwürfe der Gegner, wie doppelte Belegung von Gleisen und die Längsneigung des Bahnhofs, reagierte Reinhart mit dem Hinweis, das sei unproblematisch und andernorts noch schlimmer. Der Tiefbahnhof habe allein schon deshalb noch Kapazitäten über die im Stresstest untersuchten 49 Züge in der Spitzenstunde hinaus, weil die Haltezeiten üppig bemessen seien. Bei der Frage nach den Auswirkungen einer Weichenstörung im eng dimensionierten Gleisvorfeld des Tiefbahnhofs verwies Reinhart, der auch schon fürs Bahnkommunikationsbüro im Einsatz war, auf den Kopfbahnhof: Auch dort hätte eine solche Panne folgenschwere Konsequenzen. Den bestehenden Knoten hält er für weitgehend ausgereizt.

Befürworter Reinhart hält der Bahn Intransparenz vor

Das sehen die Anhänger des Kopfbahnhofs naturgemäß anders. Sie verwiesen gestern auf eine Mitteilung des Verkehrsministeriums, nach der die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft eine Untersuchung positiv bewertete, die schon für den bestehenden Knoten 50 Züge ergeben hatte. Weitere sechs seien bei einer anderen Fahrplankonstruktion und Sicherungstechnik nicht ausgeschlossen.

Der ehemalige Bahnhofsvorsteher Egon Hopfenzitz sagte, ein Großknoten wie Stuttgart benötige "Gleise, Gleise und nochmals Gleise sowie Bahnsteige, Bahnsteige und nochmals Bahnsteige". Felix Berschin von der Nahverkehrsberatung Südwest verwies auf den Vorteil des Kopfbahnhofs, die S-Bahn-Gleise mitbenutzen zu können.

Sven Ritter von der Schienenverkehrsgesellschaft Stuttgart + Horb sagte, in der S-21-Debatte sei das Segment Sonderzüge in der Personenbeförderung schlicht vergessen worden. Nahezu kein Fahrzeug der Privatbahnen dürfe in den Tiefbahnhof einfahren, etwa, weil sie nicht über ein geschlossenes Toilettensystem verfügten.

Vorteilhaft beim Kopfbahnhof seien die langen Zustiegszeiten. So seien bei Sonderfahrten "mit potenziell problematischem Publikum" vor Einlass in den Zug Taschenkontrollen auf Pyrotechnik und Waffen möglich. Durch die Menge der Reisenden komme es zwangsweise zu Wartezeiten von bis zu einer Stunde. Ohne diese Kontrollen käme es zu schweren Beschädigungen und Straftaten. Das zeige sich etwa bei den Verstärkerzügen der Bahn zu den Auswärtsspielen des VfB Stuttgart.

Stellungnahme der Bahn zu den Untersuchungsergebnissen von Wikireal.org. (PDF)