In Teilen Afrikas sind Elefanten ausgestorben. Weltweite Verbrechersyndikate gehen inzwischen mit Killerkommandos auf die Jagd nach Wildtieren. In London beraten nun 50 Regierungen, wie sie die Wilderei stoppen können.

Johannesburg - John Sumokwo hat mehr als 70 der zärtlichen Kolosse auf dem Gewissen. „Ich hatte immer zwei Speere bei mir“, erzählt der kenianische Wilderer einem Reporter: „Wenn der erste Stich nicht richtig saß, musste der zweite sitzen, sonst wäre ich selber getötet worden.“ Seine Erfahrung ließ den meist in einem Baum lauernden Elefantenjäger bisher stets triumphieren: „Ich weiß genau, wo ihr Herz sitzt. Wenn ich es treffe, fallen sie auf der Stelle tot um.“ Für ihn sei es ein Geschäft gewesen wie für andere Fladenbrot-Backen, fügt Sumokwo hinzu: „Wir verdienten nicht schlecht.“

 

Für ein Kilo Elfenbein zahlten die Händler umgerechnet 65 Euro, die Hauer eines ausgewachsenen Jumbos brachten über achttausend Euro ein. Sumokwo und seine Gang dezimierten die Rüsseltierpopulation im kenianischen Kamnarok-Nationalpark an der Grenze zu Uganda: „Ich höre noch heute die Schreie, die sterbende Elefanten von sich geben“, sagt der Wilderer, der für sein Töten gerade mal ein Jahr lang im Gefängnis saß.

In zwei Jahren wurden mindestens 60 000 Elefanten getötet

Wenn es so weitergeht, sagen Experten, ist es um die eindrucksvollsten Bewohner der afrikanischen Savanne bald geschehen. In den vergangenen zwei Jahren wurden mindestens 60 000 Elefanten (manche schätzen bis zu 100 000 Exemplare) auf dem Kontinent umgebracht: Jährlich wird die Zahl der auf kaum noch eine halbe Million geschätzten Jumbos um fünf bis zehn Prozent dezimiert.

In weiten Teilen Afrikas, in dem noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts mehr als fünf Millionen Elefanten streiften, sind die Rüsseltiere bereits ausgestorben. Und in Staaten wie Tansania, die einst als Dorado der intelligenten Riesen zählten, geht es ihnen in rasantem Tempo an den Kragen. „Wenn es so weitergeht, werden sie spätestens in 15 Jahren ausgestorben sein“, sagt der ehemalige Herausgeber des britischen „Ecologist“, Zac Goldsmith.

In London beraten 50 Regierungen zu dem Thema

Der konservative Unterhausabgeordnete gehört zu den Organisatoren des internationalen Antiwilderer-Gipfels, der bis Donnerstag in London stattfindet. Auf Einladung der britischen Regierung beraten dort Vertreter von 50 Regierungen über Maßnahmen zur Eindämmung des eigentlich verbotenen Handels mit von wilden Tieren gewonnenen Produkten. Der illegale Handel soll inzwischen ein weltweites Volumen von mindestens fünf Milliarden Euro erreicht haben, manche gehen sogar von 15 Milliarden aus. Der Trend hat selbst das  Königshaus alarmiert: „Wir müssen die Generation sein, die den Handel mit Tierprodukten stoppt“, äußerten sich Prinz Charles und sein Sohn William in einem vor der Konferenz verbreiteten Video: „Tun wir es nicht, ist es zu spät.“

Der Gipfel soll die Anstrengungen der zum Schutz der Tiere ausgesandten Ranger und die von der Wilderei betroffenen Gemeinschaften stärken: Doch vor allem wollen die Veranstalter die in Schwindel erregende Höhen geschossene Nachfrage bekämpfen. Erstmals auf einer solchen Konferenz werden Offizielle aus China vertreten sein, wo 70 Prozent des in aller Welt gewilderten Elfenbeins unter einer wachsenden Mittelschicht Abnehmer finden. Für ein Kilogramm Nashorn-Pulver wird im Reich der Mitte mehr Geld als für ein Kilogramm Gold bezahlt: umgerechnet fast 50 000 Euro.

In Asien ist Elfenbein und Nashorn ein Luxusprodukt

Nicht nur in China, sondern auch in Ländern wie Thailand und Vietnam ist in den letzten Jahren eine reiche Oberschicht entstanden, die sich Luxus einiges kosten lässt. Elfenbein und Nashorn rangieren in diesen Kreisen ganz oben. Ersteres in Form von Schnitzereien, Letzteres als fein gemahlenes Pulver. Diese Substanz unterscheidet sich zwar überhaupt nicht von den Fingernägeln der Käufer, aber der Substanz wird eine Reihe medizinischer Wirkungen zugeschrieben. Nashornpulver soll nicht nur gegen Krebs helfen und Fieber senken, sondern auch den Kater nach übermäßigem Alkoholgenuss beseitigen. Keine einzige dieser Wirkungen lässt sich nachweisen, der Schwarzmarktboom ist trotzdem ungebrochen.

Genau wie der Drogen- und der Menschenhandel ist auch der Elfenbein- und Nasenhorn-Markt in der Hand internationaler Verbrechersyndikate. Die Unterweltarmee ist drauf und dran, die größten Tierarten auszurotten, die auf dem Festland leben. Traditionelle Wilderer wie John Sumokwo sind dabei inzwischen fast zur Ausnahme geworden. Heute sind – wie etwa in Südafrika – professionelle Killerkommandos in Helikoptern mit Nachtsichtgeräten und schallgedämpften Gewehren unterwegs, während in Ostafrika ganze Rebellentruppen mit dem illegalen Handel ihr Geld verdienen.

Mit dem Hightech-Flugzeug gegen die Wilderei

Um derart professionell ausgestatteten Banden das Handwerk legen zu können, muss aufgerüstet werden. Das haben auch Naturschützer und Behörden erkannt, die den Kampf gegen die Wilderermafia gleich an drei Fronten aufnehmen: „Die Konsumenten müssen über die Folgen ihres Luxuskonsums und über die Wirkungslosigkeit der Schwarzmarktpulver aufgeklärt, die Handelswege der Syndikate mit den Mitteln von Behörden, Polizei und Armeen abgeschnitten und die Wilderei in den betroffenen Ländern mit allen Mitteln bekämpft werden“, sagt Christof Schenck, der Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF).

Die Zoologische Gesellschaft selbst engagiert sich vor allem beim letzten Punkt. So finanziert das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein Aufklärungsflugzeug mit hochmodernen Kameras für sichtbares Licht und Wärmestrahlen, wie es sonst Spezialeinheiten der Polizei gegen die Drogenmafia und Menschenhändler einsetzen. In einem halben Jahr soll die Maschine in Tansania stationiert werden. Die Behörden des Landes fliegen dann Patrouillenflüge gegen Wilderei, die ZGF übernimmt die Betriebskosten in Höhe von sechsstelligen Euro-Beträgen im Jahr. Die Daten fließen in Echtzeit in ein Lagezentrum, das die ZGF aus eigenen Mitteln in Tansania aufbaut. Dort werden die Einsätze der Ranger geplant, geleitet und koordiniert. „Wir müssen diesen Kampf gegen die Wilderei gewinnen, um die Natur und die Wirtschaft vieler Länder zu retten“, sagt Christof Schenck. Es ist ein Kampf gegen die Zeit.