Immer mehr Organisationen planen, die bedrohten Dickhäuter in sichere Länder auszufliegen. Der Südafrikaner Ray Dearlove will jetzt 80 Tiere nach Australien bringen.

Kapstadt - Je verzweifelter die Lage, desto verwegener werden die Vorschläge, der Not zu begegnen. Wilderer haben im vergangenen Jahr mit 1338 Rhinozerossen in Afrika so viele Nashörner wie noch nie getötet. Sämtliche Maßnahmen, die gefährdeten Dickhäuter vor dem Aussterben zu bewahren, blieben wirkungslos. Tierschützer sägten vielen der archaisch anmutenden Tiere das Horn ab, spritzten Farben oder sogar Gifte in deren von Wilderern heiß begehrtes Körperteil, um es für diese uninteressant zu machen. Oder rüsteten sie mit einer Kamera einschließlich eines Satellitennavigationsgeräts und einem Herzschlag-Sensor aus. Sie stellten ihnen schwerbewaffnete Wärter zur Seite oder suchten sie an geheim gehaltenen Orten zu verstecken.

 

Trotzdem finden die professionellen Schlächter statistisch fast viermal am Tag ein Opfer. Jetzt verfolgt ein australischer Geschäftsmann einen neuen Plan: Er will mehrere Dutzend Nashörner auf die Insel zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean ausfliegen, um das 60 Millionen Jahre alte Säugetier vor dem Aussterben zu retten.

Ray Dearlove will mindestens 80 Dickhäuter ausfliegen

Ray Dearlove kennt die Dickhäuter aus eigener Erfahrung. Der 68-jährige Geschäftsmann wuchs in Südafrika am Kap der Guten Hoffnung auf, wo rund 80 Prozent aller Nashörner leben, bevor er vor 30 Jahren nach Australien umsiedelte. Bereits seit geraumer Zeit denkt er darüber nach, wie er den Rhinozerossen dieselbe Chancen einräumen könnte, und entwarf schließlich das „Australian Rhino Project“, das für zumindest 80 der gefährdeten Tiere eine 11 000 Kilometer lange Luftbrücke über den Indischen Ozean vorsieht. Nun ist der Geschäftsmann im Endstadium seiner Planung angelangt. Derzeit hält er sich in seiner alten Heimat auf, um die letzten Vorbereitungen zur Überführung der ersten sechs Versuchstiere zu treffen.

Das beispiellose Unterfangen hat es in sich. Die Nashörner müssen zunächst einmal zwei Monate lang in Südafrika in Quarantäne gehalten werden, um sicherzustellen, dass sie keine Krankheitserreger in sich tragen. Dann sind für ein Ticket pro Passagier 50 000 US-Dollar fällig, denn ein durchschnittlicher Cargo-Flieger kann höchstens fünf der mehr als drei Tonnen schweren Tiere aufnehmen.

Eine Samenbank, wenn in Afrika das letzte Rhinozeros fällt

Am Zielort angekommen müssen die Rhinozerosse erneut in die Quarantäne, weil die australischen Behörden nichts mehr als fremde Bakterien und Viren befürchten. Schließlich sollen die gehörnten Exilanten an einem streng geheim gehaltenen Ort angesiedelt werden, um nicht wieder zur Zielscheibe von Wilderern zu werden. Ray Dearlove will bereits einen geeigneten Platz für die Aussiedler gefunden haben, wo Vegetation und Klima fast wie in ihrem alten Zuhause sind. 80 Exemplare sei eine gute Zahl für eine Aufzuchtherde, meint der australische Noah: Eine wandelnde „Samenbank“, die angezapft werden könne, wenn in Afrika das letzte Rhinozeros fällt.

Schon hat das australische Beispiel Schule gemacht. Zwei Tierschutzorganisationen in den USA, „Group Elefant“ und „Exotic Wildlife Alliance“, gaben kürzlich ihren Plan bekannt, auch nach Texas Rhinozerosse umzusiedeln, weil es sich schließlich um die Supermacht handelt, sollen es allerdings gleich tausend Exemplare sein. Die für die transatlantische Dickhäuter-Luftbrücke nötigen 500 Millionen Dollar sind allerdings noch nicht aufgebracht.

Vorbild für die Nashornretter ist Botswana

Als Vorbild dient den weltweiten Nashornretter Botswana. Der Modellstaat im Süden Afrikas hat bereits vor geraumer Zeit mit der Umsiedlung von Nashörnern aus Südafrika begonnen, denn im Gegensatz zu dem an der Grenze zum Ganoven-Eldorado Mosambik gelegenen Krügerpark gelten die botswanischen Naturschutzgebiete als Hort des Friedens. Die dortigen Ranger müssen im Umgang mit Wilderern auch keine Schonung walten lassen: Bei der Begegnung mit verdächtigen Personen sollen sie erst schießen und dann fragen.

Südafrika selbst will allerdings nicht warten, bis seine noch verbliebenen knapp 20 000 Nashörner entweder abgeknallt oder ausgeflogen sind. Am Kap wird derzeit erbittert um Maßnahmen gegen die Ausrottung der Rhinos gerungen:.Zur Debatte steht vor allem der Vorstoß von Nashorn-Züchtern, den Handel mit den wertvollen Hörnern zu legalisieren. Auf diese Weise soll der Preis des Horns gedrückt werden, der mit 65 000 Dollar pro Kilo derzeit über dem von Gold oder gar Kokain liegt und ganze Heere von Wilderern anzieht.

Nashornzucht soll Wilderern das Wasser abgraben

Die Nashornzüchter erreichten vor Gericht, dass das Handelsverbot zumindest in Südafrika tatsächlich aufgehoben wurde. Nun können die kommerziellen Züchter ihren Rhinozerossen alle paar Jahre das wieder nachwachsende Horn absägen und verkaufen. Mit den Einnahmen wollen sie den Schutz ihrer auf Großfarmen gehaltenen Dickhäuter finanzieren und gleichzeitig den Ganoven das Wasser abgraben. Denn was die chinesischen und vietnamesischen Konsumenten legal für einen geringeren Preis erwerben könnten, müssten sie sich nicht verteuert auf dem Schwarzmarkt holen, so lautet ihr Kalkül.

Ob das aufgeht, steht in den Sternen, denn genauso gut könnte die Legalisierung den asiatischen Bedarf an dem angeblich alle Arten von Krebs, Impotenz und Alkohol-Kater kurierenden Horn in noch größere Höhen treiben. In diesem Fall müssen dann eben Ray Dearlove und seine exilierten Bullen einspringen.