In Südafrikas Naturreservaten rüsten sich Tierschützer gegen penetrante Nashornwilderer. Doch die "Profikiller" haben viel zu oft leichtes Spiel.

Pilansberg - Die Hügel der südafrikanischen Pilanesberge schimmern in der Abendsonne, über weidenden Zebras ziehen Adler am tiefblauen Himmel ihre Kreise. Plötzlich wird die Idylle von Hendrik Ncheches knatterndem Walky Talky unterbrochen. Dem Wildhüter wird mitgeteilt, ein Tourist habe am Staudamm, bei den Nashörnern, einen Knall vernommen.

 

Ncheche startet seinen VW Amarok und rast wie ein Besessener die Staubstraßen des Reservats entlang. Zornige Urlauber zeigen dem vermeintlichen Rowdy den Vogel. Doch für den Chef der Antiwilderereinheit kommt es auf jede Minute an, denn die Wilddiebe brauchen nur wenige Augenblicke, um ihrem Opfer das Horn abzuhacken und das Weite zu suchen.

Gewöhnlich kommt Ncheche zu spät. Vor seinem Büro ist eine ganze Galerie von Beweisen seines Scheiterns aufgereiht: die Schädel von 17 Nashörnern, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren allein in dem zwei Autostunden nördlich von Johannesburg gelegenen Park getötet wurden. In ganz Südafrika brachten Wilderer in den vergangenen zwei Jahren fast 650 Rhinozerosse zur Strecke, Tendenz steigend. In den Tierparks am Kap der Guten Hoffnung wird im Schnitt alle 21 Stunden ein Dickhäuter getötet. Das Refugium von 90 Prozent aller noch in der Welt verbliebenen Nashörnern wird zu ihren Killing Fields.

Wilderer haben leichtes Spiel

"Ausschwärmen", befiehlt Ncheche den sieben Männern, die wenige Minuten nach dem Alarm am Damm eingetroffen sind - alle in Tarnuniform und mit Gewehr, als ob sie in den Krieg zu ziehen hätten. Tatsächlich handele es sich um regelrechte Schlachten, die geschlagen werden müssten, sagt der 42-jährige Ncheche, der früher als Sicherheitsmann in Goldminen tätig war. Ihre Ausbilder sind Offiziere der einstigen Apartheidsarmee, mit "Kontakt", "Hinterhalt" oder "Gefahrenzone" ist ihr Vokabular militärischen Handbüchern entlehnt. Ihre Feinde sind ehemalige Soldaten, Großwildjäger oder sogar Wildhüter, denen das Berufsethos abhandenkam.

Die Profikiller haben in den Pilanesbergen leichtes Spiel. Das 55.000-Hektar- Areal ist schützenden Hügeln durchzogen, der fast 100 Kilometer lange Zaun lässt sich mühelos überwinden. Die Professionellen unter den Wilderern schicken zunächst Kundschafter in den Park, die die Dickhäuter lokalisieren und ihre GPS-Daten weitergeben.

Dann steigt ein kleiner Helikopter mit einem Schützen auf, der das Tier entweder gleich erlegt oder mit einem Narkoseschuss betäubt. Mit Äxten oder Kettensägen bewaffnet trennen Handlanger das bis zu 1,50 Meter lange Horn ab. Manchmal wacht das Tier danach wieder auf. Internetsurfer werden derzeit mit Bildern von einer Nashornkuh schockiert, die sich mit einer klaffenden Wunde im Gesicht durch den Busch torkelt. Überleben kann ein so misshandeltes Rhino nicht.

In China glaubt man an die Heilkraft des Horns

Während seiner knapp zweijährigen Dienstzeit als Jäger der Nashornmörder hatte Ncheche erst zweimal "Kontakt" mit dem Feind. Einmal vor wenigen Wochen, als seine Truppe zwei Kundschafter aufrieb, die sich gerade an eine Gruppe von Dickhäutern anpirschten. Einer von Ncheches Mannen verlor die Nerven und eröffnete aus weiter Entfernung das Feuer. Den Wilderern gelang die Flucht. Im Krügerpark, dem größten Reservat Südafrikas, erschossen Banditenjäger alleine in diesem Jahr 17 Wilderer - eine Bilanz, die Ncheche als "ganz gut" bezeichnet. "Sie sollen auf die gleiche Weise sterben, wie sie die Nashörner töten."

Gegenwärtig steht in Südafrika eine Nashornkillerbande vor Gericht, deren Zusammensetzung selbst Kennern den Atem verschlug. Ihr Kopf ist der Besitzer einer privaten Wildfarm, zu den Gangstern zählen zwei Tierärzte, zwei Safari-Unternehmer und ein Großwildjäger. Das Syndikat soll nicht nur in fremden Parks gewildert, sondern auch Hunderte von Nashörnern gekauft haben, um sie auf der 4000 Hektar großen Farm ihres Paten zu schlachten - ein einträgliches Geschäft, für das weniger professionelle Killer auch ihr Leben riskieren.

Denn das Horn ist heute so viel wert wie Kokain und teurer als Gold. In Asien soll für ein ausgewachsenes Horn bis zu einer Million US-Dollar oder 120.000 Dollar pro Kilo geboten werden. Vor 30 Jahren lag der Kilopreis noch bei 100 Dollar. Grund für den rasanten Anstieg ist offenbar die stark steigende Kaufkraft im Fernen Osten - und die dort vertretene Auffassung, das Horn habe fast wunderbare medizinische Eigenschaften. Den Versicherungen westlicher Wissenschaftler, das aus Protein, Keratin, Melanin und Kalzium bestehende Horn habe keine heilenden Kräfte, glauben die Chinesen nicht. Auch ein Handelsverbot änderte an der Nachfrage nichts.

Naturschutzbehörden schlagen harten Kurs ein

Von der Herausforderung überwältigt, mehrere Milliarden Asiaten zur Meinungsänderung zu bewegen, denken südafrikanische Tierschützer über alternative Strategien nach. Einige Reservatsbesitzer sägen ihren Rhinozerossen die Hörner selbst ab. Der Johannesburger Ed Hern will seinen Tieren eine Substanz ins Horn spritzen, die für das Rhinozeros ungefährlich, für die das Pulver essenden Menschen jedoch lebensgefährlich ist. Andere Experten plädieren für den regulierten Verkauf des Pulvers, um den Bedarf wenigstens teilweise zu decken und die Preise zu drücken.

Südafrikas Naturschutzbehörden scheinen den harten Kurs einzuschlagen. Im Krügerpark, wo 2010 mit 146 Nashörnern so viele Tiere wie nirgendwo anders getötet wurden, werden bei einem Jahresbudget von 50 Millionen Euro Dutzende von Rangern ausgebildet und mit modernstem Equipment ausgerüstet. Das Militär hilft mit einer 165 Mann starken Einheit aus, um den etwa aus Mosambik anrückenden Killern zu Leibe zu rücken.

Hendrick Ncheche verfolgt das mit zwiespältigen Gefühlen. Seine Truppe muss bereits nach einer halben Stunde die Suche abbrechen. Es ist dunkel geworden, und die Einheit hat keine Infrarotgeräte. Im Gegensatz zum Krügerpark verfügt das provinzielle Pilanesberg-Resort nicht über die zur Aufrüstung nötigen Mittel. Die Truppe ist auf Spenden wie das Fahrzeug angewiesen und verkauft im Souvenirladen Armreifen aus Elefantenhaar, um sich ihr Salär zu sichern. "Es ist, als ob wir hier einen Privatkrieg führen würden", sagt Ncheche. "Dabei kämpfen wir um das Überleben eines ganz außergewöhnlichen Erbes der Welt."