Ein Haus im Ortskern von Stuttgart-Plieningen, das recht wild ausschaut, bietet seit Jahren Gesprächsstoff. Immer wieder gehen bei der Stadt Klagen ein. Die Verwaltung greift aber nur dann ein, wenn sie die Sicherheit von Passanten in Gefahr sieht.

Plieningen - Etliche Fahrräder stehen herum, eine Kunststoffhand ragt aus der Wand und hält eine Blume. Darunter ist eine Kasse angebracht, als wäre das Haus, das von Planen, Brettern und einem eigentümlichen Gerüst verdeckt ist, ein Museum. Auf dem Dach liegt eine Leiter. Man will sich nicht ausmalen, dass darauf jemand den First erklimmt. Dieses Haus ist das berüchtigtste in ganz Plieningen.

 

Der Besitzer ist ehemaliger OB-Kandidat

Seit Jahren stören sich Anwohner am Aussehen des Gebäudes unmittelbar am Durchgang zur Zehntscheuer und zur Kirche. „Die Leute ärgern sich, dass nichts dagegen gemacht wird, wie es da aussieht“, sagt eine Frau von gegenüber. Doch nicht nur die unkonventionelle Optik macht das Haus zum Gesprächsthema im Ort. In der Vergangenheit haben Bewohner des verschachtelten Komplexes von üblen Gerüchen, von einem Wasserschaden und mysteriösen Umbauarbeiten berichtet. Ein Paar, das längst das Weite gesucht hat, regte sich über Gehämmer und „Lärm von morgens bis abends“ auf, eine Frau äußerte Sorgen, dass der Mann im Untergrund grabe oder Wände einreiße. Der Mann, über den in Plieningen so viele reden, ist Wolfgang Schmid, ehemaliger OB-Kandidat und, so sagt er, Künstler und Tüftler.

Seit mehr als 25 Jahren lebt er in dem Haus. „Eigentlich wollte ich nur meine Freiheit“, sagt der 60-Jährige, allerdings räumt er ein: „Das funktioniert nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe.“ Streit habe er mit den Nachbarn, weil die nach seiner Ansicht Scheuklappen tragen. „Wenn einer aus der Reihe tanzt, wird er dumm angemacht.“

Den Schaukasten an seinem Gartenzaun benutzt Wolfgang Schmid für seine Botschaften. Gegen Merkel, gegen Erdogan, gegen die Stadtverwaltung wettert er dort. „Laßt euch die Amtsdummheiten nicht mehr gefallen!“, liest man, außerdem Schlagwörter wie „Entmündigung“, „Lügenpresse“ oder „Meinungsfreiheit“.

Er habe für den Verkauf des Hauses keine Lebensenergie

Doch auch einem Freigeist wie Wolfgang Schmid scheint es mal zu bunt zu werden. Mitte 2016 kündigte er an, das Feld räumen zu wollen. Wahr gemacht hat er seine Ankündigung nicht. Verkauft ist das Haus nicht, sagt er auf Nachfrage, allerdings behauptet er, dort gar nicht zu wohnen, sondern nur „zwangsweise gemeldet“ zu sein. „Heute hier, heute dort“ lebe er stattdessen. Für den Verkauf habe er „keine Lebensenergie“. Seine Kraftlosigkeit führt er unter anderem auf Verwerfungen mit der Stadtverwaltung zurück und drauf, „was die Mächtigen sich rausnehmen“.

Tatsächlich hat die Stadtverwaltung seit Langem ein Auge auf das Treiben, denn „Beschwerden gegen den Zustand gibt es immer wieder“, bestätigt Martin Thronberens, ein Sprecher der Stadt Stuttgart. Man habe bereits per Anordnung den Rückbau einzelner Teile durchgesetzt, „für die Zukunft wollen wir die Beseitigung einzelner Bauteile am beziehungsweise um das Gebäude erreichen, die aufgrund mangelnder Standsicherheit und unfachmännischer Ausführung eine Gefährdung für Passanten darstellen können“, sagt er. Gleichwohl stellt Sprecher Thronberens klar: „Die Herstellung eines optisch ansprechenden Zustands können wir jedoch nicht anordnen.“

Ist es heute ruhiger geworden an der Neuhauser Straße?

Auch Andrea Lindel, die Bezirksvorsteherin, betont, „da beißen wir uns seit Jahren die Zähne aus“. Immer wieder gebe es Kritik am Anblick, „aber ich habe gelernt: Man darf sein Haus so gestalten wie man möchte“. Sprich: Das Haus darf unordentlich bleiben, solange niemand dadurch gefährdet wird.

Tatsächlich scheint es etwas ruhiger geworden zu sein an der Neuhauser Straße, und vergleicht man den heutigen Zustand mit dem vor einigen Jahren, steht weniger Gerümpel um das Haus in prominenter Lage herum als früher.

Mehrere Anwohner bestätigen, dass der Hausbesitzer selten da ist. Auch Andrea Lindel gibt an, dass sie Wolfgang Schmid persönlich noch nie angetroffen habe. Eine Nachbarin von gegenüber scheint es mittlerweile mit Galgenhumor zu nehmen. „Sehr interessant“ sei das Haus.