Stadtjäger sollten in der Lage sein, einen Konflikt zwischen Mensch und Tier zu lösen. Aber dürfen sie im Extremfall auch die Flinte auf Waschbär, Fuchs und Co. richten? Wir klären auf.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Nach mehrjähriger Wartezeit können die ersten Stadtjäger-Pilotprojekte im Südwesten starten – im Juli gab es grünes Licht für das Konzept. Wir klären die wichtigsten Fragen und Antworten:

 

Weshalb gibt es immer mehr Tiere in der Stadt – und was lässt sich dagegen tun? Menschliche Siedlungsflächen, das liegt für Julian Schmitt auf der Hand, sind für Wildtiere schon deshalb attraktiv, weil sie ganzjährig ein vielfältiges Nahrungsangebot bieten und unterschiedliche landschaftliche Strukturen haben. Gegen eine Ansiedlung hilft es aus Sicht des Leiters des Schorndorfer Forstreviers deshalb schon, den Tieren das Nahrungsangebot zu entziehen. Eine aktive Fütterung sollte vermieden werden, Futter von Haustieren nicht offen zugänglich sein. Mülleimer sollten verschlossen werden und Essensreste nicht auf dem Kompost landen.

Was sollten Hausbesitzer noch beachten? Auch Unterschlupfmöglichkeiten sollten so gesichert werden, dass Wildtiere nicht eindringen können: Einstiege zum Dachboden verschließen, ans Haus angrenzende Bäume und Sträucher zurückschneiden, am Regenrohr eine Manschette anbringen und den Schornsteine vergittern sind einige Tipps – schließlich können ins Haus kommende Wildtiere enorme Schäden anrichten.

Kann jeder Stadtjäger werden oder gibt es besondere Zugangsvoraussetzungen? Durch umfangreiche Zusatzlehrgänge zum normalen Jagdschein sollen Stadtjäger in der Lage sein, einen Konflikt zwischen Mensch und Tier auch im befriedeten Bezirk zu lösen und präventiv tätig zu sein. Voraussetzung dafür ist neben dem Zusatzlehrgang mit Prüfung, dass eine Kommune den Stadtjäger mit einem Bescheid für ihr Gebiet einsetzt. Ausgebildet werden die Stadtjäger beim Jagd-Natur-Wildtierschützenverband Baden-Württemberg, zu den Modulen zählt etwa das Thema Fallenjagd oder auch die Kenntnis von Wildtier-Krankheiten. Bisher haben in Baden-Württemberg 126 Menschen die Zusatzausbildung abgeschlossen.

Und dann darf der Stadtjäger die Flinte auf Waschbär, Fuchs und Co. richten? Nein, die Jagd als solche darf nur ausgeübt werden, sofern alle präventive Maßnahmen keinen Erfolg versprechen oder falls dies aus Gründen der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Abwehr von Gefahren durch Tierseuchen erforderlich ist. Eine reguläre Bejagung von Wildtieren, wie sie im Wald und Offenland praktiziert wird, findet im Stadtgebiet nicht statt. Wegen der Sicherheitsfragen könnte die Bogenjagd eine Option sein – die ist in Deutschland im Gegensatz zu europäischen Nachbarländern aber generell noch verboten. Im Stadtgebiet von Madrid werden Wildschweine mit dem Bogen erlegt, im französischen Hagenau geht es um Eindämmung der Nutria-Plage.

Welche Verhaltensregeln gelten für die Bevölkerung, wenn es in der Stadt zu einem Aufeinandertreffen mit Wildtieren kommt? Bei Begegnungen mit Wildtieren ist aus Sicht von Julian Schmitt vor allem Abstand zu halten. Außerdem sei es wichtig, das Tier nicht in die Enge zu treiben und sich ruhig zu verhalten, um das Tier nicht unnötig in Stress zu versetzen. „Wildtiere bitte nicht anfassen, fangen oder in die Enge treiben“, fasst der Leiter des Forstreviers zusammen.