Wildtiere in Baden-Württemberg Land will mehrere Luchse auswildern

Eine Wildkamera hat im vergangenen Jahr den Luchs Toni im Nordschwarzwald aufgenommen. Foto: /Martin Hauser

Klammheimlich hat die Landesregierung sich auf ein kontroverses Projekt geeinigt: Im Südwesten sollen aktiv weibliche Luchse angesiedelt werden. Welche Folgen hat das?

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Klammheimlich sind in den letzten Jahren einige wenige Luchse nach Baden-Württemberg eingewandert – und fast ebenso klammheimlich bereitet die Landesregierung derzeit ein kleines Wiederansiedlungsprojekt für diese Großkatzen vor. Ohne es an die große Glocke zu hängen oder gar die Werbetrommel dafür zu rühren, hat Grün-Schwarz den folgenden etwas verklausulierten Satz in das Koalitionsprogramm hineingeschrieben: „Wir werden in enger Zusammenarbeit mit allen betroffenen Akteuren die Chancen für die Rückkehr des Luchses durch ein Programm zur Bestandsstützung verbessern“, heißt es dort.

 

Aber was bedeutet das? Forstminister Peter Hauk (CDU) hat schon länger ein Faible für die Luchse entwickelt. Doch sein erster Versuchsballon für ein Wiederansiedlungsprojekt vor zwei Jahren war geplatzt, Hauk musste Rücksicht auf die Landwirte nehmen, und auch der frühere grüne Umweltminister Franz Untersteller war dagegen gewesen – man müsse sich nicht freiwillig zusätzliche Probleme mit großen Beutegreifern schaffen, meinte er damals.

Vermutlich werden nur wenige weibliche Tiere ausgesetzt

Jetzt will das Forstministerium einen neuen Anlauf machen. Genauere Auskünfte bekommt man aus der Behörde weiterhin nicht; Sprecher Jürgen Wippel sagt etwas zurückhaltend: „Aktuell wird der Managementplan Luchs erstellt, welcher auch die Szenarien einer Bestandsstützung einschließt.“ Dieser Begriff ‚Bestandsstützung’ verweist zumindest auf die Richtung, in die es gehen wird: Vermutlich werden nur einige wenige Tiere und nur weibliche Luchse ausgesetzt und zwar dort, wo schon heute die vier residenten männlichen Luchse leben, also im Donautal, im Schwarzwald und womöglich bei Konstanz. Auf diese Weise sollen die Kuder, wie die männlichen Luchse genannt werden, endlich eine Partnerin finden können.

Ohne diese Aussetzung dürfte sich vermutlich kaum jemals eine Population in Baden-Württemberg aufbauen. Denn die Krux beim Luchs ist, dass fast nur die männlichen Tiere größere Wanderungen auf der Suche nach neuen Revieren und nach einem Weibchen unternehmen. Dass vor wenigen Tagen bei Konstanz erstmals im Südwesten eine Luchskatze nachgewiesen worden war, ist deshalb eine kleine Sensation; aber womöglich ist das Weibchen längst in die Schweiz zurückgekehrt.

Viele Betroffene sehen den Luchs weiter skeptisch

Peter Hauk hält das Ansiedlungsprojekt deshalb auch im europäischen Maßstab für wichtig: Eine eigene reproduzierende Population im Südwesten „würde im Verbund mit den Vorkommen im Jura, den Vogesen und dem Pfälzer Wald den Erhaltungszustand einer zentraleuropäischen Luchs-Metapopulation verbessern.“

Zugleich bedeutet die genannte Zielrichtung aber auch den Abschied von einem großen Wiederansiedlungsprojekt, wie es sie im Harz, im Bayerischen Wald und erst jüngst im Pfälzer Wald mit rund zwei Dutzend Tieren gab. In Baden-Württemberg ist eher ein ‚Auswilderungsprojekt light’ geplant.

Das liegt auch an den etwas anderen Rahmenbedingungen im Südwesten. Im Pfälzer Wald etwa gibt es ein großes zusammenhängendes Waldgebiet, das zudem vor allem in staatlichem Besitz ist. In Baden-Württemberg dagegen sind die geeigneten Lebensräume für Luchse zerschnittener und liegen zu einem großen Teil in Privatbesitz. Zudem gibt es weiter Widerstand von Landwirten, Waldbesitzern und Schafhaltern. Viele Waldbesitzer fürchten etwa, dass ihnen mit dem Luchs noch mehr als ohnehin schon in die Bewirtschaftung ihrer Flächen hineingeredet werde.

Jagdverband will keine Fundamentalopposition betreiben

Aus diesem Grund betont Minister Hauk auch, dass es eine enge Abstimmung mit allen betroffenen Akteuren geben müsse. Bisher ist das nicht geschehen. Anette Wohlfahrt, die Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes, sieht den Luchs weiter kritisch – so seien etwa alle Schutzmaßnahmen, die die Schäfer gegen den Wolf träfen, beim Luchs wirkungslos. „Unser Verband ist nicht glücklich und befürwortet ein Ansiedlungsprojekt nicht.“

Aber der Zungenschlag hört sich nicht mehr ganz so ablehnend an wie noch vor einigen Jahren. Auch beim Landesjagdverband ändert sich allmählich die Einstellung zum Luchs. Bisher begrüßte man eine natürliche Einwanderung, lehnte aber eine aktive Wiederansiedlung ab. Es gebe jetzt noch keine Entscheidung zum geplanten Projekt des Ministeriums, betont Hauptgeschäftsführer Erhard Jauch: „Aber wir werden vermutlich keine Fundamentalopposition betreiben.“ Doch viele Fragen seien offen, etwa, ob sich ein größerer Luchsbestand negativ auf den schwierigen Bestand des Auerwilds im Schwarzwald auswirke.

Theoretisch könnten 100 Luchse im Südwesten leben

Selbst der Nabu war übrigens bis vor einiger Zeit gegen eine Luchs-Auswilderung, weil man fürchtete, es fehlten dann angesichts des Artensterbens Naturschutz-Gelder an viel wichtigerer Stelle. Jetzt begrüßt Nabu-Landeschef Johannes Enssle die neue Entwicklung: Es sei notwendig, in den nächsten zwei bis drei Jahren weitere Weibchen zur Bestandsstützung nach Baden-Württemberg zu bringen.

Laut einer Studie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg eigneten sich rund zehn Prozent der Fläche in Baden-Württemberg als Luchshabitate; maximal hundert Tiere könnten hier leben. Eine so große Zahl an Tieren wurde aber bisher in keinem der deutschen Luchsgebiete auch nur annähernd erreicht.

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