Die Demontage eines Schutzzauns an der Straße zwischen Kirchheim-Nabern und Weilheim stiftet erheblichen Unfrieden. Jäger verweisen auf gestiegene Wildunfälle, das Landratsamt führt ökologische Gründe ins Feld.

Kirchheim/Weilheim - Ein Zaun dient in der Regel der Trennung und Abschottung. Doch auch ein nicht (mehr) vorhandenes Drahtkonstrukt kann erheblich trennendes Potenzial und gar das Zeug zum Politikum haben: Seit vor einem Jahr bei Sicherungs- und Fällarbeiten in einem Waldstück an der Kreisstraße zwischen Kirchheim-Nabern und Weilheim ein Wildzaun gefallen ist, ist es vollends Schluss mit der verbliebenen Waldesruh’ in dem von vielerlei Freizeitaktivitäten heimgesuchten Geviert. Steigende Unfallzahlen mit Wildtieren bringen die Jägerschaft auf die Palme, wobei die Grünröcke massiv die an dem Zaun-Halali beteiligten Stellen und Ämter der Kreisverwaltung ins Visier nehmen und auf die Wiederherstellung des Drahtschutzes pochen.

 

Beim Kreissitz in den Esslinger Pulverwiesen hält man den Wegfall der Wildsperre für einen Segen, würden dadurch doch im Biotopverbund der Artenaustausch und der Naturschutz generell erleichtert. Nach kräftigem Rauschen im Blätterwald der Lokalpresse, flankiert von geharnischten Leserzuschriften und Facebook-Attacken gegen die Ämterposition, scheint man indes im Landratsamt die Brisanz erkannt zu haben und setzt auf Entspannung.

Landratsamt will intern beraten

Dezernent Christian Baron, unter anderem zuständig für Veterinärwesen, Ordnung und Straßenverkehr, auf Anfrage: „Wir wollen den Dampf und die Dramatik aus dem Thema rausnehmen.“ Es gehe um eine „sachgerechte Lösung“, denn schließlich hätten alle Beteiligten dasselbe Ziel, nämlich Wildtierunfälle zu verhindern. Dazu sei es unverzichtbar, mit der Jägerschaft im Gespräch zu bleiben. Man müsse „alle Perspektiven zusammenführen, um so vielleicht einen Kompromiss zu erzielen“. Noch für diesen Monat, so Christian Baron, sei im Landratsamt mit allen beteiligten Ämtern eine interne Beratung des Themas angesetzt.

Aufseiten der Mitglieder des Reviers Naberner Jagdbogen, dem zwei Pächter und drei Mitjäger angehören, ist Thomas Doll vom Pächterduo Sprecher und Anlaufstelle der Widerständler im Lodenrock. Doll ist zudem in dem Revier quasi daheim, ging doch hier schon sein Vater Martin jahrzehntelang auf die Pirsch. Nach des Juniors Angaben sind die Wildunfälle seit dem Fall des Zauns binnen eines Jahres sprunghaft von praktisch null auf nunmehr 15 angestiegen. Verbunden sei die nackte Zahl mit „teilweise unsäglichem Tierleiden, traumatisierten Verkehrsteilnehmern, Versicherungsschäden und Polizeieinsatz“, schreibt Thomas Doll auf einem Aufklärungsplakat mit Bildern von verstümmelten und toten Tieren. Die betroffenen Kreisbehörden, so der Vorwurf, ignorierten „wider besseres Wissen die andauernde leidvolle Realität“ und weigerten sich mit „unreflektierten Allgemeinpositionen“, den Wildschutzzaun wieder zu errichten. Hinzu käme der materielle Schaden – die bislang getöteten zehn Rehe entsprächen 70 Prozent der jährlichen Jagdstrecke.

Nach Dolls Recherchen ist der Zaun in den 1960er Jahren beim Bau der Straße beidseitig auf jeweils circa 700 Metern erstellt worden. Besonders prekär sei die Situation nunmehr entlang einer etwa 300 Meter langen Strecke, bei der der Wald unmittelbar von der Straße durchbrochen wird. Mehrfach waren schon Kommissionen vor Ort, ohne dass Bewegung in die Sache gekommen wäre. Einen Kompromiss ohne Wiederherstellung des Zauns schließt Thomas Doll aus. Gleichwohl hat Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer die Moderation der Stadt angeboten, wenn sich Vertreter des Kreises und der Jäger nochmals an einen Tisch setzen.