Der zoologisch-botanische Garten in Stuttgart tauscht weltweit Samen, auch von Kakteen. Dieser Tage nun wurden in der Wilhelma Kakteensamen ausgesät. Ein Besuch bei den klimaresistenten Überlebenskünstlern.

Im Frühjahr ist in den 25 Anzuchthäusern der Wilhelma jede Menge zu tun. Auch bei den wasserspeichernden Sukkulenten. Während die ersten Kakteen blühen, wurden nun die Samen aus dem internationalen Samentausch ausgesät. „Etwa 20 bis 30 Sorten sind es“, sagt die Zierpflanzengärtnerin Debora Eberlein. Sie hat im Herbst schon Samen aus den Früchten der Kakteen geerntet und ist nun im Gewächshaus mit der Aussaat beschäftigt.

 

Im April und Mai ist ideale Zeit, Kakteen auszusäen

Umgeben von unzähligen Kugel- und Säulenkakteen und anderen Sukkulenten steht die 26-Jährige am Aussaattisch im gläsernen Gewächshaus unweit der Schauhäuser. Im September ist sie seit zehn Jahren im zoologisch-botanischen Garten tätig. „Jetzt im April, Mai ist es ideal, die Kakteen auszusäen“, sagt sie. Im vergangenen Winter wurden in der Wilhelma die Kataloge der anderen botanischen Gärten angeschaut, die Raritäten ausgesucht und bestellt.

Jede Sorte wird ins Saatbuch aufgenommen

Unter den Samen sind auch die beispielsweise von Mammillaria- und Echinacereus-Kakteen. Zuallererst hat Eberlein die Daten der einzelnen neuen Samentütchen erfasst. Die so genannte Akzessionsnummer begleitet den Samen beim internationalen Tausch und enthält auch die IPEN-Nummer, sie steht für das Netzwerk des internationalen Pflanzenaustauschs, des „International Plant Exchance Network“. Die Nummer gibt an, aus welchem botanischen Garten und aus welchem Ursprungsland die Samen stammen, außerdem gibt es eine intern vergebene Nummer, unter der das Saatgut geführt wird. „Diese Daten werden ins Saatbuch übernommen und auch auf Etiketten geschrieben“, erklärt Eberlein. Das Saatbuch wird in der Wilhelma seit vielen Jahren geführt. Hier kann jede ausgesäte Pflanze nachvollziehbar identifiziert werden.

Saat auf Substrat aus verschiedenen Steinen und etwas Torf

Nach dem Eintrag geht es zum etwa hüfthohen Aussaat-Tisch, auf dem bereits zahlreiche Plastiktöpfchen stehen. „Sie wurden im Vorfeld schon gegen Viren, Bakterien und Pilze desinifiziert“, erklärt Eberlein. Nachdem die Gärtnerin das Samentütchen geöffnet und die nur wenige Millimeter großen Samenkörner auf eine umgeknickte Pappe geleert hat, füllt sie mit einer kleinen Schaufel ein Substrat in den Topf, bestehend aus Steinen, Lava, Bims, dem Silikatgestein Perlite und etwas Torf. Dann wird der Topf nochmals aufgeschüttelt, die Erde wird mit einem kleinen Stempel platt gedrückt. Jetzt ist alles bereit, sodass die Gärtnerin die in diesem Fall etwa 20 bis 30 schwarzen Samen des Echinocereus durangensis-Kaktus aus der geknickten Pappe vorsichtig auf die Substratoberfläche verteilen kann. Zum Schluss kommt noch grober, lichtdurchlässiger Quarzsand auf die Aussaat. Am Ende gießt sie die Töpfe kräftig mit Wasser an.

„In den nächsten zwei Wochen müssen nun die Samen feucht gehalten werden. Sie sollen hell, aber nicht in der vollen Sonne stehen“, sagt Eberlein. Auch in der Zeit danach dürfen sie nicht austrocknen. „Je größer die Kakteen sind, umso seltener gießt man sie. Ausgewachsene Kakteen werden im Sommer ein Mal pro Woche gegossen und im Winter weniger bis gar nicht.“ Wie es aussieht, wenn die ersten Kakteen aus dem Substrat herauskommen, auch das ist im Gewächshaus erlebbar. Kleine Mammillarien mit ihren runden, fleischigen Fingerformen und abgerundeten Stacheln sind nur wenige Zentimeter groß. Wenn sie etwa ein oder zwei Jahre alt sind, werden sie in kleine Extra-Töpfchen umgetopft.

„Im Alter von zwei, drei Jahren, je nach Art, können sie auch schon erstmals blühen“, sagt Eberlein. Dann werden wieder Samen gewonnen – für den internationalen Samentausch, der auch für die Erhaltung der Arten sorgt. Andere Kakteen haben Ableger und werden über Stecklinge vermehrt. Einige mögliche Ableger, auch „Kindel“ genannt, hat eine der ältesten Kakteen in diesem Gewächshaus, sie wurde 1960 ausgesät und heißt „Copiapoa cinera“.

Auch lebende Steine und Geophyten ausgesät

Zu den aktuellen Aussaaten gehören auch lebende Steine und Geophyten. Diese Zwiebelgewächse gedeihen in einem der ältesten Gewächshäuser der Wilhelma. Dort sind auch Gladiolen und der Ritterstern zu sehen, auch als Amaryllis bekannt. Auch sie gehören zu den klimaresistenten Pflanzen. „Manche der Geophyten sind im Winter grün, manche im Sommer“, sagt Eberlein. Klar ist, sie sind Überlebenskünster und wichtig für die Natur. Manche Art mit ihren Kaktusfrüchten ist ein Nahrungsmittel, andere sind Wirtspflanzen, etwa für die Chenilleschildlaus, die roten Farbstoff liefert. In ihren Ursprungsländern sind Kakteen als Wasserspeicher für ihre Umgebung bedeutsam, etwa im Wüstenökosystem. Hierzulande gewinnen die Pflanzen auch in heimischen Gärten wegen ihrer Klimaresistenz an Bedeutung.