Im Wilhelma Theater zeigen Studierende der Schauspielschule Ödön von Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“: mit Slapstick-Einlagen und verstrickt in einen gummiseilbespannten Monolith auf der Bühne.

Stuttgart - Schon wieder so ein Fräulein, das seinen Körper zu Lebzeiten der Anatomie verkaufen will. „Wir kaufen keine lebendigen Toten“, sagt der Präparator etwas genervt. „Am besten, Sie springen gleich aus dem Fenster heraus“, rät die Oberpräparatorin. Ist die Not groß, kommen die Menschen halt auf solche Ideen. Wie Elisabeth, die in Ödön von Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ den Verkauf ihres Körpers zu Lebzeiten als letztes Mittel sieht, ihren Gang ins Gefängnis zu verhindern. Dabei ist sie doch alles andere als eine Verbrecherin: Weil ihr der Gewerbeschein als Korsagenverkäuferin gefehlt hat, hat sie eine Geldstrafe bekommen, weil sie den Gewerbeschein und die Strafe bezahlen muss, gerät sie immer tiefer in einen Strudel aus Lügen und Abhängigkeiten.

 

„Ein Totentanz“ hat der österreichisch-ungarische Autor sein 1932 geschriebenes Stück untertitelt. Im Wilhelma Theater haben vier Studentinnen und vier Studenten der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst diese Abwärtsspirale jetzt unter der Regie von Kristo Sagor aufgeführt. Damit jeder und jede möglichst viel Raum bekommt, sich einem großem Publikum zu präsentieren, schlüpfen die Darsteller gleich in mehrere Rollen und gehen dabei weit: Zu sehen sind Balletthüpfer, fast artistische Einlagen, Situationskomik und manchmal ein bisschen Slapstick. Das fügt sich meist gut in den traurigen Grundton des Stücks, wirkt manchmal aber auch etwas ausgestellt. Als ginge es vor allem darum, zu zeigen, was man kann.

Zu erleben ist der Untergang einer lebenden Toten

Elisabeth, die so hoffnungsfroh und optimistisch in ihrem Blumenkleidchen ihre Chancen nutzen will, selbst an einem so düsteren Ort wie der Anatomie, ist tatsächlich eine lebende Tote, und das Stück zeigt in fünf Bildern ihren Untergang. Davor wehrt sie sich aber nach Kräften. Theresa Mußmacher spielt die Elisabeth nicht als Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird – im Gegenteil: Ihre Elisabeth ist weniger verzweifelt als zornig; immer wieder verschafft sie sich in Wutanfällen Luft, die ihr dann aber immer weiter abgeschnürt wird.

Die Zeiten sind schlecht, vor allem aber macht sie die Menschen schlecht, die in der wirtschaftlichen Not zu kalten Egoisten werden. Regisseur Kristo Sagor, der in Stuttgart vor allem am Kinder- und Jugendtheater Jes schon inszeniert hat, findet dafür eindrückliche Bilder – wenn etwa die anderen aus dem Untergrund nach der strauchelnden Elisabeth greifen oder wenn die Häme der noch einmal Davongekommenen in hart akzentuierten Sprechchören hörbar wird, bei der alle beteiligt sind. „Vorbestraft, vorbestraft, Skandal, Skandal“ zischt es böse über die Bühne, dazu wummert ein Sound aus Elektrobeats. Dabei ist Elisabeth doch nur an einem dieser kleinen Paragrafen hängen geblieben, die für kleine Leute oft zu Fallstricken werden.

Die Sprache Horváths darf hier klingen

Diese Fallstricke, die einer Figur den Boden unter den Füßen wegziehen können, hat die Bühnenbildnerin Iris Kraft in einem riesigen, grauen Monolith verankert. Wie eine Bühne auf der Bühne steht er da, bespannt mit Gummiseilen. Die Polizisten, der Amtsgerichtsrat, seine Frau und all die anderen kommen hier ins Schwanken und verhaken sich, bis Elisabeth dann endgültig in seinen Seilen hängt. Der Kasten wird zum Mitspieler, und mit welcher Beweglichkeit die jungen Schauspielschülerinnen und -schüler auf und in ihm herumturnen, ist eindrücklich. Nicht nur deshalb ist „Glaube Liebe Hoffnung“ ein Theaterabend, der nachhallt – auch weil die Sprache Horváths hier klingen darf und das Changieren zwischen Groteske und Tragödie dem Stoff entspricht.

Termine: 18., 19., 26. Oktober; 14., 15., 29., 30. November