Seit 15 Jahren ärgern sich die Cannstatter über die 17 Meter hohe Wassersäule auf dem Wilhelmsplatz. Viele würden sie am liebsten wieder entfernen lassen. Aber das wäre nicht so einfach.

Bad Cannstatt - Bad Cannstatt hat viele Brunnen. Berühmte, wie den Erbsenbrunnen in der Marktstraße, oder historisch bedeutende wie den Juno-Brunnen im Kurpark. Jüngere, wie die Weinpresse vor dem Alten Rathaus, sind vom Design ansprechend, manche nichtssagend und eher überflüssig wie der flache Trog vor dem Verwaltungsgebäude. Dennoch, der Cannstatter ist insgesamt zurecht stolz auf seine Brunnenvielfalt, zumal sich viele Bürger auch noch an den Mineralwasserbrunnen regelmäßig mit gesundem Wasser versorgen können. Aber es gibt eine Ausnahme: die 17 Meter hohe metallene Wassersäule, die seit 15 Jahren den Wilhelmsplatz „ziert“. Denn sie präsentiert sich optisch als so hässlich und ungepflegt, dass viele sie wieder abreißen lassen möchten. Cannstatter verfluchen den 10. September 2003. An diesem Tag drückte OB Wolfgang Schuster einen roten Knopf, rief laut „Wasser marsch“ und setzte den neuen Brunnen samt Wassersäule in Betrieb. „Hätte er es besser mal nicht getan“, hat man damals schon geunkt, denn die Optik mochte von Anfang an niemanden zu überzeugen.

 

Doch nicht nur die Optik der Säule steht seitdem in der Kritik. Denn die permanente Reinigung der Wasserbecken geht ins Geld. „Wir lassen die drei Becken alle vier Wochen von einer Firma reinigen“, sagt Bernd Sauer, beim Tiefbauamt für fast 170 der insgesamt rund 250 Brunnen in Stuttgart verantwortlich. Jedes Mal werde der Wohlstandsmüll abgefischt, das Wasser abgelassen und dann die Böden geschrubbt. Doch die dann sauberen Becken sind bereits nach wenigen Tagen wieder voll mit Plastikbechern, Flaschen, Zigarettenschachteln oder Essensresten. „Würde der Bürger weniger als Müllsünder unterwegs sein, könnte die Stadt viel Geld sparen“, so Sauer. Er verweist auf seinen schon schmalen Brunnenetat: Für den Unterhalt der 168 Brunnen stehen ihm 700 000 Euro zur Verfügung.

Der Edelstahl ist verwittert

Als zweites Problem offenbarte sich jedoch die 17 Meter hohe Wassersäule. Glänzte der Edelstahl in den ersten Monaten noch im Sonnenlicht, so ist davon heute längst nichts mehr zu sehen. Vor allem im unteren Bereich hat man angesichts der schwarzen Optik eher das Gefühl, das hier ein riesiges Feuer gewütet hat. Offenbar hatte der Architekt, der den Brunnen entworfen hatte, aber auch der Gemeinderat, der das Gesamtkonzept Wilhelmsplatz per Mehrheitsbeschluss vor fast zwei Jahrzehnten auf den Weg gebracht hatte, Wind und Regen nicht auf der Rechnung gehabt.

Kalk, Rost, Algen und Moos sind das Resultat, wobei sich Bernd Sauer außerstande sieht, den einstigen Zustand wieder herzustellen. „Ein Ding der Unmöglichkeit“, so der Experte, zumal eine regelmäßige Reinigung nicht nur kompliziert und teuer wäre, sondern auch noch von der Logistik her sehr schwierig durchzuführen sei. Denn dafür ist nicht nur ein teurer Steiger nötig, teilweise müsste auch auf der stark befahrenen Straße gearbeitet werden. „Das kostet insgesamt mehrere Tausend Euro“, sagt Bernd Sauer.

Zustimmung des Architekten erforderlich

Auch das von vielen Bürgern schon geforderte Entfernen des Brunnens ist ein Kraftakt. Neben eines erneuten Gemeinderatsbeschlusses müsste auch der Architekt sein Einverständnis geben. Selbst für eine Umnutzung der 17 Meter hohen Säule, wie 2016 von den Freien Wählern vorgeschlagen, müsste der sein grünes Licht geben. Damals hatte Gerhard Veyhl, Sprecher der Freien Wähler im Bezirksbeirat, die Idee, die Säule wie den Hochbunker auf dem Pragsattel zu einer digitalen Litfaßsäule umzufunktionieren. Dort könnten alle Cannstatter Veranstaltungen – ob auf dem Wasen, im Stadion oder in der Altstadt – beworben werden. Sicher eine charmante Idee, allerdings verwies damals Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler auf die Umnutzungsproblematik – es sei denn, den Architekten packt heute die Einsicht, dass seine Idee doch nicht so vorteilhaft für den Wilhelmsplatz war. Dessen Bild leidet heute nicht nur unter den vielen Autos und Stadtbahnen, sondern auch unter einer verwitterten Stahlsäule.