Angelique Kerber scheidet beim Rasen-Klassiker in Wimbledon früher als erwartet aus. Bei ihrem Debüt ist Jule Niemeier hingegen nicht zu stoppen. Als zweifache Mutter erreicht auch Tatjana Maria etwas ganz Besonderes.

Jule Niemeier fasste sich immer wieder ans Herz, Tatjana Maria standen beim Gedanken an ihre Familie die Tränen in den Augen - nur Angelique Kerber erlebte ganz großen Frust. Im Gegensatz zu den beiden Turnier-Überraschungen scheiterte die Siegerin von 2018 beim Rasen-Klassiker in Wimbledon und verpasste durch das 4:6, 5:7 gegen die Belgierin Elise Mertens das Achtelfinale.

 

Niemeier und Maria setzten hingegen märchenhafte Erfolgsserie fort und stehen jeweils erstmals bei einem Grand-Slam-Tennisturnier unter den besten 16. Die 22 Jahre alte Niemeier bezwang am Freitag in einem Nerven-Krimi die Ukrainerin Lessia Zurenko 6:4, 3:6, 6:3 und bestätigte ihren vorigen Erfolg gegen die Weltranglisten-Dritte Anett Kontaveit aus Estland.

„Mir ist einfach ein Stein vom Herzen gefallen, das hatte heute nichts mit dem Match von vor zwei Tagen zu tun“, sagte Niemeier zu ihrer Jubelgeste. „Ich bin einfach sehr glücklich, dass ich am Ende das Match gewonnen habe, auch wenn ich nicht mein bestes Tennis gespielt habe.“

Maria sorgt für Überraschung

Die zwölf Jahre ältere Maria schaffte eine große Überraschung und setzte sich mit 6:3, 7:5 gegen die Weltranglisten-Fünfte Maria Sakkari aus Griechenland durch. Bei ihren vorigen neun Wimbledon-Anläufen war sie nie über die dritte Runde hinausgekommen.

„Es ist schwer, Worte zu finden. Ich bin zum ersten Mal mit meinen zwei Kindern hier“, sagte Maria auf dem Platz völlig überwältigt. „Es ist so ein besonderer Ort für mich. Hier habe ich schwanger gespielt. Das jetzt zu schaffen mit meiner Familie, dafür gibt es keine Worte. Ich bin einfach nur glücklich.“ Im zweiten Satz holte Maria gegen die an fünf gesetzte Sakkari einen 2:5-Rückstand auf und nutzte nach 90 Minuten ihren zweiten Matchball. Nun trifft sie auf die Lettin Jelena Ostapenko.

Für Kerber ist das Turnier hingegen früher als erwartet vorbei. Enttäuscht stapfte sie mit einem Wimbledon-Handtuch über den Schultern von Court 1. Nach zwei lockeren Siegen fehlte der 34-Jährigen die Überzeugung, im zweiten Durchgang konnte sie auch zweimal einen Break-Vorsprung nicht nutzen. Im vergangenen Jahr hatte Kerber noch das Halbfinale erreicht.

Niemeier auf guten Kurs

So weit ist Niemeier noch nicht. Dass sie auch herausfordernden Aufgaben gewachsen ist, bewies die Tennis-Hoffnung aber erneut. Nach 2:04 Stunden verwandelte Niemeier durch einen Rückhandfehler ihrer Gegnerin den ersten Matchball. In einem Break-Festival nahmen sich beide Spielerinnen 21-mal den Aufschlag ab.

„Ich glaube, dass viele erwartet haben, dass ich das relativ einfach gewinnen heute“, sagte sie. „Wir haben uns darauf eingestellt. Wenn man vor zwei Tagen gegen eine Top-Ten-Spielerin gewonnen hat, möchte man auch das nächste Match gewinnen, um es sich auch selber zu beweisen. Das spielte auch schon eine Rolle.“

Für den größten Erfolg ihrer Karriere kassiert sie umgerechnet 219 000 Euro. „Es war eine emotionale Achterbahnfahrt“, sagte Trainer Christopher Kas. „Wir sind auf einer gewissen Wolke, und die werden wir einfach weiterreiten und dann schauen wir, wie weit die uns trägt.“

Bei ihrem Wimbledon-Debüt trifft Niemeier nun auf die Britin Heather Watson, die in der ersten Runde Tamara Korpatsch bezwungen hatte. „Sie ist eine großartige Spielerin, eine erfahrene Spielerin“, sagte Niemeier über ihre 30 Jahre alte nächste Gegnerin.

Match mit Köpfchen nach Hause gebracht

Statt im zweitgrößten Stadion auf Court 1 wie gegen Kontaveit spielte Niemeier auf Außenplatz 18, bei windigen Bedingungen hatte die Weltranglisten-97. zu Beginn ihre Probleme. Bei ihren zwei souveränen Zwei-Satz-Siegen im Turnier hatte Niemeier noch kein Break kassiert - und gab gegen Zurenko direkt zu Beginn das erste von insgesamt zehn ihrer Aufschlagspiele ab, und das gleich zu null.

„Das Match nach so einem Match ist nicht einfach“, hatte Coach Kas angesichts des viel beachteten Erfolgs über die an Nummer zwei gesetzte Kontaveit gesagt. Der Beginn geriet nervös, in den ersten drei Spielen unterliefen Niemeier zehn unerzwungene Fehler, schnell hieß es 0:3. Langsam kam sie ins Spiel, glich zum 3:3 aus. Ein Fehler von Zurenko besiegelte nach 49 Minuten den Gewinn des ersten Satzes.

Das Erfolgserlebnis sorgte aber nicht für Konstanz. Erneut musste Niemeier zwei Aufschlagverluste nacheinander hinnehmen, erneut stand es 0:3. Zwar konnte sie wie im ersten Satz wieder ausgleichen, die Sicherheit kehrte aber nicht zurück. Zum Auftakt des dritten Satzes gab es fünf Breaks in Serie, ungläubig schmunzelnd ging Niemeier beim 3:2 zur Bank. Mit einem Volley holte sich die Dortmunderin den ersten Aufschlaggewinn des Durchgangs und hielt den Zeigefinger an ihre Schläfe. Mit Köpfchen brachte Niemeier das Match nach Hause.