Nicht immer empfinden wir die gleiche Temperatur auch als gleich kalt. Grund ist der Windchill-Effekt, die sogenannte Windkühle. Wir erklären die Bedeutung des Phänomens.

Katrin Jokic

Das Phänomen kennt wahrscheinlich jeder: Wir spazieren an einem sonnigen Wintertag durch den verschneiten Park und obwohl das Thermometer 5 Grad unter Null anzeigt, lässt es sich ganz gut aushalten. Am nächsten Tag sind es noch immer -5 °C, doch der Himmel ist bedeckt und es ist windig geworden – plötzlich fühlt es sich draußen so kalt an, dass wir auf den Spaziergang im Park lieber verzichten.

 

Der Grund für diesen Effekt ist der sogenannte Windchill-Faktor. Auf Deutsch würde man Windkühle oder Windfrösteln sagen. Oftmals spricht man in diesem Zusammenhang von der „gefühlten Temperatur“ – ganz richtig ist dies jedoch nicht. Der Windchill misst, wie schnell die Haut bei einer gewissen Windstärke im Vergleich zu Temperaturen bei Windstille abkühlt. Er findet vor allem für Temperaturen Anwendung, die wir nicht mehr als behaglich empfinden, in der Regel unterhalb von 10 °C.

Windchill-Effekt einfach erklärt

Unser Körper gibt Wärme ab, das heißt, er ist stets von relativer warmer Luft umgeben. Starker Wind führt diese hautnahe, warme Luft jedoch ab und unterbricht dieses sogenannte Epiklima. Der Wind bewirkt dadurch, dass sich die Oberflächentemperatur des Körpers schneller der Umgebungstemperatur angleicht.

Windchill-Faktor messen

Es gibt verschiedene Methoden, um den Windchill-Effekt zu beziffern. Man kann beispielsweise den Wärmeverlust oder die Temperatur der betreffenden Hautfläche messen. Am gängigsten ist jedoch die Definition über die Lufttemperatur.

Die Windchill-Temperatur ist die Temperatur, die einer betroffenen Hautfläche bei Windstille genauso viel Wärme entzieht wie die tatsächliche Temperatur bei Windeinfluss. Also: Wenn es, wie im obigen Beispiel, -5 °C sind und die Windgeschwindigkeit 10 km/h beträgt, kühlt die Haut genauso schnell aus, als wenn es -9,3 °C bei Windstille wären. Die Windchill-Temperatur (WCT) wäre also -9,3 °C.

Wichtig zu verstehen ist jedoch, dass es sich bei der WCT nicht um die Temperatur handelt, die ein Körper annimmt. Die WCT kann auch Minusgrade erreichen, obwohl die tatsächliche Temperatur im Plusbereich liegt. Es besteht in diesem Fall trotz Wind nicht die Gefahr, Erfrierungen zu erleiden. Der WCT drückt aus, wie viel schneller sich die Haut an die Umgebungstemperatur anpasst, als es ohne Wind der Fall wäre.

Der Windchill-Effekt ist also eigentlich ein Maß für die Wärmeverlustrate. Er wird jedoch meist als Temperatur (und nicht als Watt pro Quadratmeter) ausgedrückt, weil dies für die meisten Menschen im Alltag leichter verständlich ist.

Windchill-Temperaturen: Tabelle zur Übersicht

Anstatt sich mit komplizierten Berechnungen herumzuschlagen, können Sie sich an bereits bestehenden Tabellen orientieren.

Windgeschw. Lufttemperatur
0 km/h 10 °C 5 °C 0 °C -5 °C -10 °C -15 °C -20 °C -30 °C -40 °C
5 km/h 9,8 4,1 -1,6 -7,3 -12,9 -18,6 -24,3 -35,6 -47,0
10 km/h 8,6 2,7 -3,3 -9,3 -15,3 -21,2 -27,2 -39,2 -51,1
15 km/h 7,9 1,7 -4,4 -10,6 -16,7 -22,9 -29,1 -41,4 -53,7
20 km/h 7,4 1,1 -5,2 -11,6 -17,9 -24,2 -30,5 -43,1 -55,7
25 km/h 6,9 0,5 -5,9 -12,3 -18,8 -25,2 -31,6 -44,5 -57,3
30 km/h 6,6 0,1 -6,5 -13,0 -19,5 -26,0 -32,6 -45,6 -58,7
40 km/h 6,0 -0,7 -7,4 -14,1 -20,8 -27,4 -34,1 -47,5 -60,9
50 km/h 5,5 -1,3 -8,1 -15,0 -21,8 -28,6 -35,4 -49,0 -62,7
60 km/h 5,1 -1,8 -8,8 -15,7 -22,6 -29,5 -36,5 -50,3 -64,2

Bei Wetterverhältnissen wie in den blau hinterlegten Feldern besteht die Gefahr, sich innerhalb von 30 Minuten oder weniger Erfrierungen zuzuziehen. Ab einer Hauttemperatur von -4,8 °C kommt es in etwa 5 % der Fälle zu Erfrierungen.

Windchill und gefühlte Temperatur: Der Unterschied

Oftmals wird die Windchill-Temperatur gleichgesetzt mit der sogenannten „gefühlten Temperatur“. Wie oben bereits beschrieben, drückt der Windchill aber eigentlich keine Temperatur aus, sondern den Wärmeverlust.

Darüber hinaus lässt sich eine „gefühlte Temperatur“ kaum messen, denn jeder Mensch hat ein anderes Temperaturempfinden. Neben der Lufttemperatur und dem Wind hängt die gefühlte Temperatur beispielsweise auch von Niederschlag, eigener Akklimatisierung und genetischer Adaption ab.

Dennoch kann der Windchill als eine Orientierung oder als Mittelwert gesehen werden, wenn es um die gefühlte Temperatur geht. In diesem Zusammenhang ist die WCT ein gutes Mittel, um zu erklären, warum uns die gleiche Temperatur an manchen Tagen wärmer oder kälter vorkommt.

Die Bedeutung des Windchill-Effekts

Obwohl es sich beim Windchill-Effekt um ein interessantes Phänomen handelt, hat die Messung und Berechnung ihre Schwachstellen. Es gibt verschiedene Formeln, Tabellen und Nomogramme, um den WCT zu quantifizieren. Oftmals werden dabei jedoch verschiedene Berechnungsmethoden angewandt, was auch unterschiedliche Ergebnisse zur Folge hat. Selten kann eine Windchill-Berechnung auf einen konkreten Einzelfall angewendet werden.

Eine Kritik am Windchill ist beispielsweise, dass bei Berechnungen stets von Meereshöhe ausgegangen wird. In Hochgebirgen, wo extreme Kälte und Wind eine wichtige Rolle spielen, herrschen jedoch ganz andere Verhältnisse, da die Luft beispielsweise eine viel geringere Dichte aufweist. Der Windchill-Effekt wird dadurch kleiner.

Wer die Kriterien zur Berechnung der WCT kennt, der kann deren Aussagekraft auch gut einschätzen. Häufig wird jedoch kritisiert, dass die breite Bevölkerung eine Windchill-Temperatur nicht korrekt einordnen kann und die Verwendung beispielsweise in Wetternachrichten nutzlos sei. Dies ist einer der Gründe, warum der Windchill außerhalb Nordamerikas kaum eine Rolle spielt.