Die Stadtwerke Stuttgart sind an einer Windkraftanlage in Alpirsbach beteiligt – der Betreiber Jürgen Bortloff wohnt direkt daneben. Über die angeblich fatalen Folgen kann er nur lachen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart/Römlinsdorf - Wenn jemand mal wieder die angeblich furchtbaren Folgen von Windrädern auf die Gesundheit anspricht, dann lächelt Jürgen Bortloff nur und schiebt den Fenstervorhang zur Seite: Da steht es in voller Pracht, sein 149 Meter hohes Windrad in Römlinsdorf bei Alpirsbach (Kreis Freudenstadt). Bortloff und seine Familie gehören zu den direkten Anwohnern der Windmühle, nur 700 Meter liegt sie von ihrem gelb gestrichenen Holzhaus entfernt. Und die Familie lebt schon seit 17 Jahren damit. „Das meiste ist Quatsch, was die Gegner erzählen“, sagt Bortloff trocken.

 

Das erste Windrad in Römlinsdorf hat Jürgen Bortloff fast alleine hingestellt. Für Außenstehende mutet es etwas abenteuerlich an, dass der heute 51-Jährige damals, 1998, einfach einen Kredit über mehrere hunderttausend Euro aufnahm und die Anlage baute und betrieb, obwohl er kein Experte in der Energiewirtschaft war. Aber er fürchtete sich nicht vor Problemen, auch den Gegenwind vieler Mitmenschen hielt er aus. Ein Bürger klagte gegen das Windrad. Er sei immer ein ökologisch denkender Mensch gewesen, so Bortloff heute: „Ich habe das aus Idealismus getan.“ Mittlerweile loben ihn die örtlichen Politiker als Pionier der Energiewende. An einem zweiten Rad ist er beteiligt, ein drittes im Nachbarort plant er gerade, auch mehrere Fotovoltaikanlagen hat er unter seinen Fittichen.

Manager eines kleinen Energieunternehmens

Dabei ist Jürgen Bortloff eigentlich oder vorwiegend Musiker. Er kam von seinem Geburtsort Köln nach Trossingen, um dort zu studieren – und blieb im Südwesten. In seinem Wohnzimmer steht eine herrliche Harfe neben dem Klavier, auf dem Couchtisch liegen mehrere Flöten. Er dirigiert die Orchester und Kapellen mehrerer Vereine, und er gibt Musikunterricht: „Das ist sogar mein wichtigeres Standbein“, sagt er.

So spielt er seit langem auf zwei Hochzeiten – aber der Anteil als Manager eines kleinen Energieunternehmens wächst. Im Jahr 2013 wurde das erste Römlinsdorfer Windrad durch ein etwa doppelt so hohes ersetzt, und um das Kapital dafür zu erhalten, suchte er Partner. Die Stadtwerke Stuttgart haben 40 Prozent übernommen und 1,1 Millionen Euro investiert, zwei weitere Gesellschafter und knapp 40 Bürger, fast alle aus der Gegend, brachten ebenfalls Geld. Jürgen Bortloff ist der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, der Windrad Römlinsdorf GbR. Sein fürstliches Gehalt beträgt 250 Euro im Monat. Investoren, die mit Windkraft nur den großen Reibach machen wollen, sehen jedenfalls anders aus.

Der Regen bringt kräftigen Wind

Über den Regen an diesem Maitag freut sich Bortloff besonders, denn er bringt kräftigen Wind mit – auf der Schaltanlage im Turmfuß kann Bortloff ablesen, dass die Maschine sogar teils die angegebene Höchstleistung überschreitet. Mit fast 14 Metern pro Sekunde pfeift der Wind über die 70 Meter langen Rotoren. Steht man direkt unter den Windrad, hört es sich an, als würde über einem gerade ein Flugzeug zur Landung ansetzen. Es ist ein deutliches, dunkles Dröhnen. Doch schon 200 Meter entfernt übertönt das Eigengeräusch des Windes das Brummen der Rotoren. „Vor dem Lärm der Windräder muss man keine Angst haben“, sagt Bortloff, „die Gegner dürfen gerne zu mir kommen; ich kuriere sie schon.“

Manche kurieren sich sogar selbst. Beim Bau des zweiten Windrades habe es kaum noch Widerstand gegeben, sagt Bortloff, weder in der Bevölkerung noch in den politischen Gremien. Der Ortschaftsrat habe sich einstimmig dafür ausgesprochen, Anrainer wie der Golfplatz hätten keine Bedenken mehr gehabt. Besonders hat Bortloff gefreut, dass ein vehementer Gegner nur einen Monat, nachdem das Rad in Betrieb gegangen war, sich bei ihm entschuldigt habe. „Viele Ängste entstehen hier im Südwesten aus fehlender Erfahrung“, sagt Bortloff – wenn die Räder einmal stünden, würden viele einsehen, dass ihre Furcht übertrieben war. Auch der Schutz von Vögeln und Fledermäusen sei ausreichend: In all den Jahren, so Bortloff, habe er noch kein einziges totes Tier unter seinem Windrad gefunden.

700 Metern Abstand zur nächsten Bebauung

Auch Bettina Ambacher, die bei den Stadtwerken Stuttgart für die Windräder zuständig ist, hält den Abstand von 700 Metern zur nächsten Bebauung für ausreichend. Sie hat allerdings Verständnis dafür, dass Menschen im Norden Deutschlands verärgert sind; dort sei teilweise viel zu nahe an den Häusern gebaut worden.

Angst ist auch bei Bettina Ambacher nicht das vorherrschende Gefühl, wenn sie ein Windrad sieht: „Mir geht vielmehr das Herz auf – es sieht sehr majestätisch aus, wenn sich das Rad im Wind bewegt.“