Die Klage von Anwohnern gegen den Ingersheimer Rotor hat wohl geringe Erfolgsaussichten. Bei einer öffentlichen Verhandlung fanden die Richter am Dienstag kaum Beanstandungen.

Ingersheim - Hier, an der Durchgangsstraße, sind die Rotoren vor lauter Autolärm nicht zu hören. „Über den Höreindruck müssen wir hier gar nicht reden“, sagt der Vorsitzende Richter der dritten Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Das komplette fünfköpfige Gremium hat am Dienstag die Roben abgestreift, um sich hier, im kleinen Weiler Husarenhof, selbst ein Bild von der Lage zu machen. Die Lage heißt in diesem Fall: die mögliche Belastung der Bürger durch das Windrad auf der Ingersheimer Höhe.

 

Peter Hitzker wohnt direkt an der Durchgangsstraße zwischen Ingersheim und Besigheim, etwas mehr als 700 Meter von dem Rotor entfernt. Er klagt über einen ständigen Heulton bei starkem Wind, über mögliche Beeinträchtigungen durch Infraschall, also Schwingungen im niederfrequenten Bereich, und über den aus seiner Sicht verschandelten Ausblick. „Es ist bedrückend“, sagt Hitzker. „Man meint immer, ein Flugzeug fliegt bei uns drüber.“ Seine drei kleinen Kinder „schlafen nachts nicht mehr durch“, vor allem seine Frau leide unter einem dauernden, unterschwelligen Brummton. „Man ist immer unruhig.“

Kaum Anlass für Beanstandungen

Deshalb hat der Heizungsbauer zusammen mit seiner Frau beschlossen, gegen den Rotor zu klagen. Und deshalb hat Hitzker richterlichen Besuch bekommen. Ein Urteil will die Kammer erst am Mittwoch fällen. Nach dem Verlauf der mit anderthalb Stunden recht knappen Verhandlung im Ingersheimer Rathaus und auf Hitzkers Grundstück wäre es jedoch eine handfeste Überraschung, wenn die Klage Erfolg hätte.

Denn die Richter fanden kaum Anlass für Beanstandungen an dem rund 180 Meter hohen Windrad. Das liegt einerseits daran, dass das Landratsamt Ludwigsburg bei der Prüfung der Anlage vorgebaut hat. Mit der Genehmigung im Frühjahr 2011 verband die Behörde zahlreiche strenge Vorschriften – deutlich strenger, als gesetzlich nötig, wie das Gericht gestern erläuterte.

„Bei uns ist nie gemessen worden“

So wandte sich der Vorsitzende Richter verwundert an Wolfgang Häberle vom Landratsamt, um zu erfahren, warum seine Behörde den Betreibern des Windrads strengere Lärm-Grenzwerte vorgeschrieben habe, als sie etwa für Wohngebiete gelten. „Das ist als Vorsorgewert gedacht“, erwiderte Häberle, der im Fachbereich Immissionsschutz arbeitet.

Dass ein neues Gutachten erneut belegt hat, dass selbst die strengen Grenzwerte nicht überschritten werden, beruhigte den Kläger keineswegs. „Bei uns am Haus ist nie gemessen worden“, reklamierte Peter Hitzker. Und sein Anwalt verwies auf einen Fall, der beim Verwaltungsgericht Augsburg verhandelt wurde. Dort sei ein Windrad gleicher Bauart rund 800 Meter von Wohngebäuden entfernt. Dennoch liege die Lärmbelastung deutlich über den Höchstwerten für Wohngebiete. Dass in dem Gutachten letztlich nur Lärm hochgerechnet worden sei, halte er „für nicht sehr schlüssig“.

Keine Anhaltspunkte für Infraschall-Gefahr

„Es geht hier nur um eine grobe Abschätzung“, entgegnete der Vorsitzende Richter. Selbst wenn die Grenzwerte vereinzelt überschritten würde, sei das aber noch längst kein Grund, die Genehmigung für unwirksam zu erklären. Auch beim Thema Infraschall sah das Gericht keine Ansatzpunkte für Kritik. Laut einer Stellungnahme der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) gebe es keine Anhaltspunkte für Gesundheitsgefahren. „Jedenfalls nach allem, was wir bislang wissen“, sagte der Vorsitzende Richter.

Peter Hitzker ist unter Strom. Er hat sich eine Zigarette angezündet. „Man muss die Kirche im Dorf lassen“, sagt er – soll heißen: nachts könne er durchaus gut schlafen. Und Schlagschatten vom Windrad gebe es allenfalls im Herbst. Vor allem für seine Familie sei die Belastung aber erheblich. Es sei möglich, dass alle Vorschriften eingehalten würden. „Aber das hilft uns nichts.“