Bis 2020 sollen über 1000 neue Windkraftanlagen in Baden-Württemberg entstehen.

Die Novelle soll nach dem Willen der grün-roten Landesregierung die Grundlage für einen „wirkungsvollen und kontrollierten” Ausbau der Windenergie im Land schaffen. Kernpunkt der Gesetzesänderung ist dabei die Aufhebung der alten Wind-Regionalpläne mit der Folge, dass die bestehenden planungsrechtlichen Grundlagen in diesem Bereich spätestens ab September nächsten Jahres Makulatur sind. Dieser Vorstoß hat in den baden-württembergischen Regionalverbänden keine Freude ausgelöst. Letztendlich auch deshalb, weil das Land „sehr stark” in die Regionalplanung eingreife, so Thomas Kiwitt, Chefplaner des Verbands Region Stuttgart. Das sieht das Land ganz anders. „Die Regionalverbände hätten durch die Novellierung des Landesplanungsgesetzes die Chance, an entscheidender Stelle die Energiewende mitzugestalten und sie durch die kluge Ausweisung neuer Vorranggebiete für Windkraftanlagen zu steuern”, heißt es aus dem Umweltministerium.

Einigen geht das aber auch noch nicht weit genug. „Es ist an der Zeit, dass die Landesregierung ein Zeichen setzt, wenn Baden-Württemberg zu der führenden Energie- und Klimaschutzregion werden soll”, fordert Rudolf Kastner. Der Präsident des VfEW Verband für Energie- und Wasserwirtschaft vertritt als Dachverband rund 260 baden-württembergische Energieunternehmen. Kastner hält den Bau von 1000 Windkraftanlagen - wie von Umweltminister Franz Untersteller errechnet - bis 2020 für unrealistisch, solange sich vielerorts Widerstandsbewegungen gegen den Bau der Anlagen formierten. Zwar sei mit der Novelle des Landesplanungsgesetzes eine Besserung absehbar, von einer Idealentwicklung sei man jedoch noch weit entfernt. Der VfEW fordert aus diesem Grund einen Masterplan des Landes für den Ausbau von Windkraft in Baden-Württemberg unter Berücksichtigung aller Interessengruppen.

Das lehnt das Land ab und spielt den Ball wieder an die Regionalverbände zurück, wo man bereits mit Hochdruck an der Ausweisung neuer Vorranggebiete für Windkraftanlagen arbeitet, seitdem bekannt wurde, dass das Land eine Änderung des Planungsrechts bei den Windkraftanlagen anstrebt. Auch beim Verband Region Stuttgart hält man wenig von einem Masterplan. Und das nicht nur deshalb, weil sich die Regionen die Planungshoheit nicht aus den Händen nehmen lassen wollen. Der Abstimmungsbedarf für derartige Anlagen sei derartig hoch, dass so etwas nur im Rahmen einer Regionalplanung Sinn mache, hält Kiwitt dagegen.

Der Regionalplaner beschäftigt sich schon seit seinem Studium in den 90er Jahren mit der Windkraft. Das Thema seiner Diplomarbeit über „die Standortausweisung von Windkraftanlagen auf der Ebene der Flächennutzungsplanung” hat nichts an Aktualität eingebüßt, auch wenn heute die Windkraftanlagen nicht mehr 60, sondern 160 Meter Höhe haben. Auch Kiwitt ist skeptisch, ob sich die ehrgeizigen Ziele der Landesregierung so schnell und in dieser Zahl überhaupt realisieren lassen.

Zwar könnte rein theoretisch jede Gemeinde ihre eigene Windkraftanlage planen. Die wenigsten der 1100 Gemeinden in Baden-Württemberg hätten aber Erfahrungen mit der Ausweisung von Standorten für Windkraftanlagen, so die Einschätzung des Regionalplaners. „Genügend Wind sei dabei noch das geringste Problem”, so Kiwitt. Zunehmend erschwerten auch Bürgerproteste den Bau von Windkraftanlagen. Nicht jeder, der für Windenergie ist, wolle diese auch vor seiner Haustür haben, ist die Erfahrung von Thomas Kiwitt. Auch müssten vielfältige Aspekte bei der Planung berücksichtigt werden, angefangen vom Lärmschutz über sicherheitsrelevante Fragestellungen für den Flugfunk, das Radar bis hin zu dem Sicherheitsabstand zu Schienen und Straßen. Obendrein sollten auch die Wachstumspotenziale einer künftigen Siedlungsentwicklung bei der Einbeziehung von Windenergieparks in die Regionalplanung berücksichtigt werden. Ein Wohn- und Gewerbegebiet ist dagegen fast schon eine banale Planung, so Kiwitt.

Aber auch eine Konzentration auf wenige Windkraftanlagen-Standorte - wie zuletzt von der Energiewirtschaft gefordert - sei in Baden-Württemberg nicht so einfach umzusetzen. „In der Region Stuttgart zum Beispiel werden Sie keinen Standort finden, wo man mehrere Dutzend Windkraftanlagen konzentriert unterbringen könne”, ist sich Kiwitt sicher. Zwar wäre auch aus seiner Sicht eine Bündelung von drei bis fünf großen Windkraftanlagen im Land durchaus sinnvoll, um einer „Verspargelung” der Landschaft entgegenzutreten. Große Windparks wie in Norddeutschland hält er aber schon aufgrund der Topografie für abwegig. Stattdessen will der Regionalplaner gemeinsam mit den Kommunen nach geeigneten Standorten für kleinere Windparks suchen, zumal auch immer mehr Gemeinden am sogenannten Bürgerwindrad Interesse zeigen. Das sind einzelne lokale Genossenschaften, die gemeinsam ein oder mehrere Windräder betreiben. Bevor jede Gemeinde quasi ihr eigenes Bürgerwindrad betreibt, wäre es nach Ansicht von Kiwitt aber zweckmäßiger, dass sich mehrere Kommunen zusammenschließen und einen Windpark gegebenenfalls auch gemeinsam betreiben. So könnte der Erschließungsaufwand auf das Notwendigste reduziert werden, die Entwicklung optimal gesteuert und zudem auch Wertschöpfung in der Gemeinde gehalten werden. Auf jeden Fall sollen die Gemeinden rechtzeitig in die Planungen mit einbezogen werden, verspricht der Regionalplaner.

Spätestens im Jahr 2020 wird man sehen, wie viele der Vorgaben tatsächlich umgesetzt wurden und wie viele davon buchstäblich vom Winde verweht wurden.