Anfang April hat Microsoft den Support für Windows XP eingestellt. Wer das Uralt-Betriebssystem weiter nutzt, setzt seinen PC ernsten Gefahren aus. 140 Stuttgarter Schulen haben Sicherheitslücken, die so groß sind wie Scheunentore.
Stuttgart - Es war kein Geheimnis, dass der weltgrößte Softwarehersteller Microsoft am 8. April 2014 den Support für sein inzwischen fast 13 Jahre altes Betriebssystem Windows XP einstellt. Schon vor mehr als zwei Jahren tauchten erste Meldungen in Fachzeitschriften auf, die PC-Nutzer dazu aufriefen, frühzeitig auf das neuere Windows 7 zu wechseln. Inzwischen zeigt sich, dass neben vielen Privatanwendern auch einige öffentliche Einrichtungen alle Warnungen ignoriert haben – unter anderem rund 140 der 167 Stuttgarter Schulen in städtischer Trägerschaft.
Wie aus einer E-Mail hervorgeht, die der Stuttgarter Zeitung vorliegt, hat der Datenschutzbeauftragte der Stadt Stuttgart deshalb noch im April angeordnet, aus Sicherheitsgründen den Zugang zum Internet für alle Schulcomputer, die noch unter Windows XP laufen, sperren zu lassen. Betroffen von dieser Sperrung waren die Verwaltungsrechner, also die PCs der Schulleitung und des Sekretariats sein, nicht aber die Computer, an denen die Schüler arbeiten, wie Torsten Becker von der Abteilung für Datenschutz und IT-Sicherheit versichert. „Wir haben erst sehr spät davon erfahren, dass in vielen Schulen noch mit Windows XP gearbeitet wird“, sagt er. Dabei seien die Schulen vorab in einer E-Mail ausführlich über das Problem mit Windows XP informiert worden. Doch dieses Schreiben muss weitgehend ignoriert worden sein. „Erst als der Internetzugang gesperrt war, haben sich überraschend viele Schulen gemeldet“, berichtet Becker.
Die Betroffenen waren über die Maßnahme ziemlich entsetzt: „Wir sind aus allen Wolken gefallen, als plötzlich das Internet gesperrt war. Ursprünglich hieß es nämlich, dass alles bis zur Umstellung weiter funktioniert“, so Martin Sauer, der stellvertretende Schulleiter des Johannes-Kepler-Gymnasiums Bad Cannstatt.
Umstellung dauert noch bis November
Um die Arbeitsfähigkeit der Schulen zumindest vorläufig sicherzustellen, wurde auf Antrag des Schulverwaltungsamtes zunächst ein Aufschub der Sperrung bis zum 30. Juni gewährt. „Für uns war nicht erkennbar, dass der Internetzugang für Computer, die nach dem 8. April noch unter Windows XP laufen, gesperrt wird“, erklärt Roland Steiner, der stellvertretende Leiter des Schulverwaltungsamtes. „Wir haben nun einen externen IT-Dienstleister beauftragt, um die Umstellung der Verwaltungsrechner auf Windows 7 zu beschleunigen.“ Wie lange das dauern wird, kann Steiner nur schätzen: „Aktuell rechnen wir damit, dass spätestens im November alle PCs aktualisiert sind.“ Als Hauptgrund für die Verzögerung nennt das Schulverwaltungsamt die unterschiedlichen Grundvoraussetzungen: Die Schulen nutzen zum Teil alte Anwendungen, die mit neueren Windows-Versionen nicht kompatibel sind. Für sie muss zunächst ein Ersatz gefunden werden, bevor die Daten von den alten in die neuen Programme übertragen werden können. Das ist zeitaufwendig.
Damit die Verwaltungen jener Schulen, die nach dem 30. Juni noch auf Windows XP angewiesen sind, weiter Zugang zum Internet haben, war zunächst eine provisorische Übergangslösung vereinbart worden. Sie sah vor, dass die Schulen die Freischaltung einzelner Webseiten jeweils beim IT-Service für Stuttgarter Schulen beantragen konnten.
Eine für die Schulen befriedigende Lösung war die manuelle Freischaltung bestimmter Seiten jedoch nicht: „Es gibt Internetadressen, die man eben nur ab und an nutzt oder die aus anderen Gründen plötzlich gebraucht werden. Dann jedes Mal eine Freischaltung zu beantragen, ist wenig praktikabel“, so Martin Sauer vom Johannes-Kepler-Gymnasium. Er sieht die Verantwortung bei der Schulverwaltung: „Das Problem war ja schon längere Zeit bekannt. Wir können nur weitergeben, dass unsere PCs noch unter Windows XP laufen. Einfluss darauf, wann und ob die Aktualisierung stattfindet, haben wir nicht.“
Inzwischen musste die Abteilung für Datenschutz und IT-Sicherheit allerdings auch die provisorische Lösung verwerfen: „Die Schulen konnten uns keine vollständigen Listen mit den benötigten Webadressen zukommen lassen,“ heißt es dort. „Damit die Schulverwaltungen arbeitsfähig bleiben, müssen wir – trotz der Risken – auch die Rechner mit Windows XP weiterhin am Netz lassen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist dies natürlich keine befriedigende Lösung.“