Die Windreich-Anleger bescheren Firmengründer Willi Balz und dem Insolvenzexperten Volker Grub ein Niederlage. Ihr Kandidat fällt als Vertreter der Anleihegläubiger durch.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Esslingen - Kurz nach neun herrscht im Foyer des Neckar Forum in Esslingen schon reger Betrieb. Vor zwei Tafeln, auf denen Zahlen-Buchstaben-Kombinationen wie DE 000A1 CRM Q7 oder DE 000A1 H3V 38 stehen, haben sich Schlangen gebildet. Hinter den kryptischen Bezeichnungen verbergen sich Wertpapier-Kennnummern von Anleihen des Windparkentwicklers Windreich. In einer Schlange steht eine junge blonde Frau, die 10 000 Euro in Papiere des inzwischen insolventen Wolfschlugener Unternehmens investiert hat und sich für die gleich beginnende Gläubigerversammlung registrieren lassen will. Vor Ort ist auch der renommierte Stuttgarter Insolvenzexperte Volker Grub, der Windreich-Gründer Balz zuletzt bei seinem Versuch unterstützt hatte, selbst wieder aktiv ins Geschehen einzugreifen.

 

Insgesamt sind an diesem Montagmorgen rund 350 Anleihegläubiger nach Esslingen gekommen, um sich von Insolvenzverwalter Holger Blümle über den Stand des Verfahrens informieren zu lassen und um ihre Vertreter bei der Versammlung aller Gläubiger am 11. Februar zu bestimmen. Bei der Wahl am Nachmittag können sich der Frankfurter Rechtsanwalt Klaus Nieding und der Münchener Restrukturierungsexperte Frank Günther bei den Inhabern von je zwei Anleihen durchsetzen. Der von Grub und Balz vorgeschlagene Stuttgarter Rechtsanwalt Joachim Illig fällt durch.

„Ich finde es schon makaber, dass der Kerl hier auftaucht“, sagt ein Herr und blickt verärgert hinüber zu Willi Balz, der sich mit Journalisten unterhält. Für 40 000 Euro hat der Mann Anleihen von Balz’ Unternehmen gezeichnet, weil er von der hohen Verzinsung profitieren wollte. Viel Hoffnung, dass er einen nennenswerten Teil seines Geldes wiedersehen wird, hat er nicht. Allein die besicherten Forderungen – etwa Bankkredite – belaufen sich bei Windreich rund 180 Millionen Euro. Und die werden im Insolvenzverfahren vorrangig bedient. Erst dann kommen die Anleihegläubiger an die Reihe.

Eine Anlegerin: „Gier wird bekanntlich bestraft“

40 000 Euro in Windreich zu investieren sei schon leichtsinnig, meint ein anderer Anleger, der selbst nur mit 2000 Euro eingestiegen ist, „für mich war das von Anfang an ein spekulatives Investment“. Bei erneuerbaren Energien spiele die Politik nun mal eine entscheidende Rolle – und das bringe höhere wirtschaftliche Risiken mit sich. Auch er geht davon aus, dass er seine Investition weitgehend abschreiben kann. Eine Anlegerin, die ihrem Mann Anleihen für 5000 Euro geschenkt hat, sieht es sportlich. 6,5 Prozent seien eine ziemlich hohe Verzinsung – „und Gier wird bekanntlich bestraft“, sagt sie.

„Ich denke, dass für mich vielleicht doch noch etwas herausspringt“, sagt dagegen die junge Frau in der Schlange. Sie beruft sich auf „das, was der Herr Balz gesagt hat“. Wie berichtet, ist der Gründer überzeugt, dass es mit seiner Hilfe gelingen wird, das bestmögliche Ergebnis für die Gläubiger herauszuholen. Der vorsichtige Optimismus der Frau könnte freilich auch damit zusammenhängen, dass sie selbst mehrere Jahre für Windreich gearbeitet hat. Balz selbst sieht sich primär als Opfer von Medien und Justiz. „Die Nachrichten über die Durchsuchungen im März haben uns extrem geschadet“, sagt er in Esslingen mit Blick auf die Ermittlungen wegen des Verdachts der Bilanzmanipulation.

Auch Walter Döring hat in Windreich-Anleihen investiert

Mit seinen Anleihen, die zunächst im Mittelstandssegment Bond-M der Stuttgarter Börse gehandelt wurden, hat Balz rund 120 Millionen Euro für Windkraftprojekte eingesammelt. Zu den Investoren gehört auch der frühere baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring. Der FDP-Politiker, der zeitweise Aufsichtsratschef bei Windreich war, hat nach Angaben seines Anwalts Peter Müller 370 000 Euro in Anleihen investiert. Das klingt so, als sei auch Döring vom Konzept des charismatischen Willi Balz überzeugt gewesen. Die Börse Stuttgart nehme schließlich „nicht jede Würstchenbude“, hatte der Ex-Minister zu den Perspektiven der Windreich-Anleihe gesagt.

Die Stimmung im Foyer ist angesichts der trüben Aussichten der Anleger erstaunlich ruhig. Geduldig reihen sich die vorwiegend älteren Semester in die Schlangen ein und nehmen nachher im Saal Platz, zu dem die Presse keinen Zugang hat. Lautstarke Empörung ist nirgends zu vernehmen. Wie es mit Windreich weitergeht, werden erst die nächsten Wochen zeigen. „Derzeit können die laufenden Projekte noch finanziert werden“, sagt ein Sprecher des Insolvenzverwalters. Dabei helfe auch ein Massekredit der Banken von rund vier Millionen Euro. Wenn bestehende Windprojekte wie MEG1 geordnet verkauft würden, springe natürlich mehr heraus als bei einer schnellen Liquidation.