Der Vorsitzende im Windreich-Prozess legt sich auf eine erste juristische Einschätzung fest.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Matthias Schmidt (mas)

Stuttgart - Es geht um einen der Dreh- und Angelpunkte im Windreich-Prozess. Und es ist kein Mutmacher für die verbliebenen Angeklagten Willi Balz und Walter Döring, dass der Vorsitzende Richter am 23. Verhandlungstag erstmals juristisch Stellung nimmt. Im Gegenteil: Ihre Position ist damit merklich geschwächt.

 

In einer vorläufigen Einschätzung, so formulierte es der Vorsitzende Richter Alexander Stuckert, betrachte die Kammer ein Darlehen der schottischen Investmentfirma Highland Group im Frühjahr 2012 „als ernstlich eingefordert“.

Worum geht es dabei? Die Bewertung der Highland-Kredite ist für die Frage, ob und wann Windreich-Firmen zahlungsunfähig gewesen sind, ein zentrales Kriterium. Und sie ist damit wichtiger Baustein beim Vorwurf der Insolvenzverschleppung, der im Mittelpunkt des Prozesses steht – neben Delikten wie Betrug, Bilanzfälschung, Gläubigerbegünstigung und Insiderhandel.

Das Gericht ist anderer Auffassung

Die Anklage sieht Windreich spätestens ab April 2012 als zahlungsunfähig an, ein Insolvenzantrag wurde jedoch erst im Herbst 2013 gestellt. Die Verteidiger argumentieren, dass die Highland-Darlehen gestundet gewesen seien, was sich aus belegbaren, fortwährenden Verhandlungen zwischen Windreich und Highland schließen lasse. Das Gericht hat nun deutlich gemacht, dass es anderer Auffassung ist.

Die Investmentfirma des illustren schottischen Unternehmers Irvine Laidlaw war über Jahre hinweg einer der wichtigsten Gläubiger des Wolfschlugener Windreich-Konzerns, der Windkraftanlagen an Land und auf hoher See plante, zur Genehmigung brachte, errichtete und dann verkaufte.

Mit einem Überbrückungskredit über 20 Millionen Euro kam Highland Ende 2010 erstmals bei Windreich ins Spiel. Später summierten sich die Darlehen zeitweise auf 75 Millionen Euro.

Trotz hoher Zinsen wurden Darlehen verlängert

Trotz hoher Zinsen wurden die Darlehen immer wieder verlängert, einmal auch teilweise zurückgezahlt. Am Ende erhielt Highland als Gegenleistung für die Darlehen Beteiligungen an Windreich-Firmen. Auf dem Weg dorthin aber wurde immer wieder hart gerungen. Im Frühjahr 2012 forderten Highland-Anwälte die Rückzahlung von Krediten zum 23. Mai 2012. Auf diese Forderung bezieht sich nun die richterliche Bewertung der Darlehen als „ernstlich eingefordert“. Vor diesem Hintergrund sei ein Angeklagter, der sich jetzt mit der Staatsanwaltschaft auf eine Einstellung gegen Geldzahlung verständigt habe, „gut beraten“ gewesen, sagte Richter Stuckert, ausdrücklich auch mit Blick auf andere Beteiligte.

Man kann dies als Hinweis in Richtung des ehemaligen Landeswirtschaftsministers Walter Döring interpretieren, dessen Anwalt noch in der Vorwoche betont hatte, sein Mandant erwarte einen Freispruch, er werde sich nicht auf eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage einlassen. Sechs andere Angeklagte des Mammutverfahrens hingegen sind diesen Weg mittlerweile nach Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft gegangen.

Döring war bis Mitte Juni 2012 Vorstandsvize der Windreich AG

Am Montag räumte der damalige Wirtschaftsprüfer und Berater von Windreich die Anklagebank. Seine Verteidigung hat sich mit der Anklage verständigt: gegen Zahlung von 90 000 Euro, dem Äquivalent von 250 Tagessätzen, wurde das Verfahren eingestellt. Dies beinhalte „kein irgendwie geartetes Schuldeingeständnis“ und die gesetzliche Unschuldsvermutung gelte weiterhin, betonte sein Anwalt. Ausschlaggebend für die Vereinbarung seien rein wirtschaftliche Erwägungen angesichts von Kosten und Dauer des Prozesses gewesen.

Auch für Walter Döring werden sich diese Fragen nun dringender stellen, obwohl er den Makel einer Geldzahlung nicht auf sich nehmen will. Die vorläufige richterliche Einschätzung des Highland-Darlehens aber mindert die Hoffnung auf einen Freispruch am Ende eines langen Verfahrens, für das bereits Termine bis in den Oktober 2020 festgesetzt sind. Döring war bis Mitte Juni 2012 Vorstandsvize der Windreich AG. In Rede stehen entsprechend nur wenige Wochen, in denen er eine Insolvenz nicht pflichtgemäß gemeldet haben soll.