Mit seiner teuren Beraterin erregt der Verkehrsminister doppelt Aufsehen: Ute Jasper machte schon mit diversen Affären Schlagzeilen. Einigen Mitarbeitern im Ministerium geht der Einfluss der Juristin deutlich zu weit.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei der Beauftragung von externen Beratern steht Winfried Hermann (Grüne) unter besonderer Beobachtung. Der Landesrechnungshof und die Landtagsopposition haben den Verkehrsminister seit Längerem im Visier, mit unterschiedlichem Fokus. Die Finanzkontrolleure durchleuchten gerade, warum die Ausgaben für Gutachter unter Grün-Rot stark gestiegen sind – besonders stark im Ressort Hermanns. Dort haben sie sich zwischen 2010 und 2013 auf 2,6 Millionen Euro glatt verdreifacht. CDU und FDP verfolgen derweil mit Argusaugen, wer bei den Vergaben zum Zug kommt. Schon in mehreren Anfragen ergründeten sie die Rolle der Berliner Beratungsfirma KCW und ihres Partners Michael Holzhey. Weil der Experte einst Stuttgart-21-Kritikern fachliche Schützenhilfe leistete, wittern die Fraktionen „grünen Filz“.

 

Nun macht Hermann erneut mit einem Beratermandat von sich reden, bislang allerdings nur intern. Mit großem Interesse wird im Regierungsapparat und in Fachkreisen registriert, von wem er sich bei einem Milliardenprojekt, der bevorstehenden Neuausschreibung des Schienenpersonennahverkehrs im Südwesten, beraten lässt: der Düsseldorfer Rechtsanwältin Ute Jasper von der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, kurz HKLW. Erstmals kam Jasper 2012 mit dem Ministerium ins Geschäft, um innovative Modelle zur Fahrzeugfinanzierung zu entwickeln – laut einem Sprecher „die maßgebliche Voraussetzung“ für mehr Wettbewerb im Schienenverkehr. Nun soll sie Hermann dabei helfen, die durch das Auslaufen des Großen Verkehrsvertrages bevorstehende „Vergabewelle“ zu bewältigen. Wenn rund zwei Drittel der Bahnstrecken demnächst auf einen Schlag langfristig neu ausgeschrieben werden, geht es um zehn Milliarden Euro.

Grummeln über Dominanz der Anwältin

Aufsehen erregt die Verpflichtung der bundesweit renommierten Spezialistin für Vergaberecht gleich unter mehreren Aspekten. Einerseits wird gefragt, warum das Ministerium trotz der vielen eigenen Juristen mutmaßlich teuren juristischen Sachverstand einkaufen muss. Bei unwidersprochen kolportierten Stundensätzen von mehr als 400 Euro koste ein Beratertag Jaspers das Land so viel wie der Monatssold eines mittleren Beamten. In der landeseigenen Nahverkehrsgesellschaft grummelte es zudem hörbar ob der dominanten Rolle der Advokatin. Großes Getuschel gibt es andererseits wegen der vielen Schlagzeilen, die Jasper in den vergangenen Jahren begleitet haben. Ob es um die Kostenexplosion bei der Hamburger Elbphilharmonie ging, um die Toten bei der Duisburger Love-Parade oder um Filzvorwürfe im Ruhrgebiet – immer wieder geriet die promovierte Juristin ins Rampenlicht.

Fachlich wird Jasper allenthalben hochgelobt. Sie habe eine „ausgezeichnete Reputation am Markt“, betont ein Ministeriumssprecher. In nationalen und internationalen Anwaltsrankings liege man mit dem Dezernat Öffentlicher Sektor und Vergabe ganz vorne, sekundiert die Kanzlei Heuking. Der Branchendienst Juve bescheinige ihr dank Jasper „herausragende Expertise im Verkehrssektor“, zu den zufriedenen Mandanten zählten zahlreiche Bundes- und Landesministerien.

Schlagzeilen bei diversen Affären

Weniger euphorisch lasen sich die Berichte über Jaspers Rolle in diversen Affären. Bei der Elbphilharmonie wurde gefragt, inwieweit die von ihr maßgeblich ausgearbeiteten Verträge mitursächlich für die Kostenexplosion seien; die Anwältin musste in Hamburg sogar vor einem Untersuchungsausschuss erscheinen. Verwundert registrierte die Öffentlichkeit, dass ausgerechnet die Vergabeexpertin nach der Love-Parade ein exkulpierendes Gutachten für Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) schrieb; von „Gefälligkeit“ war die Rede. In Mülheim an der Ruhr gab es 2002 einen Riesenwirbel, weil Jasper beruflich die Stadt beriet und privat eine Beziehung zum OB Jens Baganz (CDU) pflegte. Baganz gab den Rathausjob auf und wurde später einige Jahre Wirtschaftsstaatssekretär in der NRW-Regierung. Heute ist er mit Jasper verheiratet, laut Medienberichten lebt die Familie in einer Villa am Rhein für 8000 Euro Monatsmiete.

Zum Privaten sagt eine Heuking-Sprecherin nur, dass sich Interessenkonflikte oder eine Befangenheit für den Beruf daraus nicht ergäben. Ansonsten legt sie Wert auf die Feststellung, dass „weder von Gerichten noch von Behörden jemals strafrechtliche oder zivilrechtliche Beratungsfehler festgestellt worden“ seien. Bei Projekten mit großer politischer und wirtschaftlicher Bedeutung werde man eben mal Gegenstand politischer Auseinandersetzungen oder öffentlicher Berichterstattung. Das sei „unvermeidlich“, ändere aber nichts an der „hohen Qualität unserer juristischen Arbeit“. Die Medienberichte seien teilweise missverständlich, unvollständig oder schlicht falsch gewesen, von den Vorwürfen sei letztlich nichts übrig geblieben. Bei der Elbphilharmonie, zum Beispiel, sei es nicht Aufgabe von Rechtsanwälten, die technischen Planungen von Architekten und Ingenieuren zu prüfen; juristisch habe man höchste Qualität abgeliefert. „Teflon-Anwältin“ oder „Überlebenskünstlerin“ wird Jasper genannt, weil sie sämtliche Affären nahezu unbeschadet überstanden hat.

Externer Sachverstand für „Spitzenbelastung“

Auch für das Stuttgarter Verkehrsministerium spielten die Vorgänge keine Rolle. Solange keine begründeten Zweifel an der Eignung bestünden, komme rechtlich „ein Ausschluss vom Verfahren aufgrund unbestätigter Vorwürfe nicht in Betracht“, sagt der Sprecher Hermanns. Heuking habe bei der freihändigen Vergabe unter drei Kanzleien den Zuschlag für das wirtschaftlichste Angebot bekommen. Angesichts der „hochkomplexen Materie“ sei der Zukauf von externem Sachverstand unabdingbar und allemal günstiger, als wegen einer befristeten „Spitzenbelastung“ eigene neue Personalkapazitäten aufzubauen. Zur konkreten Höhe der Vergütung schweigt das Ressort; diese sei „marktüblich“, heißt es nur.

Intern wird indes kritisch gesehen, wie Jasper ihren Einfluss und damit das Honorar immer mehr ausweite. Sie erkläre jede Frage zur Rechtsfrage, bei der sich die ministeriellen Juristen dann lieber absicherten. Hermann scheine es zu gefallen, berichten Insider, wie entschieden die Anwältin in seinem Ressort Regie führe – so ganz anders als seine Mitarbeiter, die unermüdlich Konzepte schrieben, aber bei der Umsetzung nicht durchweg entscheidungsstark seien. Doch zuletzt mehrte sich der Unmut über ihre wachsende Dominanz; selbst Termine würden nun schon von Anwälten koordiniert, hieß es kopfschüttelnd.

Als Auftrag sogar „Projektsteuerung“

Nebst Beratung gehört laut der Heuking-Homepage sogar „Projektsteuerung“ zum Auftrag der Advokaten. Das klingt eigentlich nach Chefsache: Wer sollte steuern, wenn nicht die Politik? Bei den Schienenverkehrsvergaben sei Projektsteuerung „eine Dienstleistung“, nämlich die Entscheidungen des Lenkungskreises unter Vorsitz von Hermanns Amtschef Uwe Lahl umzusetzen, erläutert der Sprecher des Ministers. Auch dem scheint inzwischen freilich gedämmert zu sein, dass er nicht allzu viel an Jasper und ihre Kollegen delegieren sollte. Nach der Sommerpause, als der Vergabeprozess Fahrt aufnahm, habe man organisatorische Aufgaben „vorübergehend“ der Kanzlei übertragen, lässt Hermann ausrichten. Inzwischen sei das Ministerium so umorganisiert, dass sich wieder die eigenen Leute darum kümmerten.