Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich für seine Zeit als Bundesratspräsident viel vorgenommen. Er hat aber wenig erreicht.

Berlin - Für Ministerpräsidenten ist es ein schönes Betätigungsfeld: Ein Jahr lang ist einer der ihren protokollarisch der zweitwichtigste Mann im Staate. Zu den Aufgaben des Bundesratspräsidenten gehört es, die Sitzungen der Länderkammer zu leiten. Er vertritt auch – wie in diesen Tagen – den Bundespräsidenten, wenn dieser verhindert ist. Der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) hat das repräsentative Amt ausgefüllt. Heute wird der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zum turnusmäßigen Nachfolger gewählt. Kretschmanns Amtszeit läuft offiziell zum Monatsende aus.

 

Das Staatsamt in Berlin ist begehrt, weil es Aufmerksamkeit sichert. Kretschmann nutzte die Chance, hielt nachdenkliche Reden und besuchte als Bundesratspräsident Länder wie Israel, Japan und die Niederlande. Dabei kommt es vor allem darauf an, eine gute Figur zu machen. Kretschmann selbst hatte an sich allerdings höhere Ansprüche gestellt. Zu Beginn seiner Amtszeit formulierte er gleich ein ganzes Bündel von Zielen: Er wolle Entscheidungen in der Länderkammer sichtbarer machen, die Verhandlungen über die Finanzbeziehungen vorbereiten und ein gemeinsames Schuldenmanagement der Länder auf die Beine stellen. Heute stellt sich heraus: Gut gebrüllt, Löwe. Von den Ankündigungen wurde aber kaum etwas umgesetzt.

Sitzungen werden jetzt live im Internet übertragen

Die Berater des Ministerpräsidenten bemühen sich zwar redlich, kleine Erfolge herauszustellen. So erreichte der MP, dass Bundesratssitzungen im Internet live übertragen werden. Vergeblich blieb aber Kretschmanns Mühen, das Abstimmungsverhalten der Länder im Bundesrat auf einer elektronischen Anzeigetafel zu dokumentieren. Damit wollte er dafür sorgen, dass Zuschauer erfahren, welches Land wie votiert. Bisher wird nur veröffentlicht, ob es eine Mehrheit für Gesetze und Initiativen gibt. Vielen Länder passt es gut, dass sie sich hinter umständlichen Prozeduren verstecken können. Sie ließen Kretschmann abblitzen. Der MP konnte immerhin erreichen, dass an den Bundesratsbänken Schilder mit den Ländernamen angebracht worden sind. Großtaten sehen anders aus.

Kretschmann muss einsehen, dass er ohne Not die Erwartungen in die Höhe getrieben hat. Beim Bundesratspräsidenten handelt es sich um ein Amt mit wenig Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür ist die einjährige Amtszeit in der Regel zu kurz. Der baden-württembergische Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) spricht dennoch von einer guten Bilanz: Auf Baden-Württembergs Drängen hin sei erreicht worden, dass die Suche nach einer Endlagerstätte für Atommüll gesetzlich geregelt worden ist. In diesem Punkt habe sich das Land kräftig ins Zeug gelegt.

Und schon folgt ein neues Amt

Ruhmreiches Wirken verbindet die Stuttgarter Regierungszentrale mit der künftigen Aufgabe für den MP. Heute stellt Kretschmann vor der Bundespressekonferenz in Berlin seine Pläne für den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz vor. Turnusmäßig fällt dem Land der Vorsitz zu. Er soll die bundespolitische Wahrnehmung des grünen Regierungschefs erhöhen. Kretschmann bereitet die Treffen der Regierungschefs vor und verhandelt mit der Bundesregierung. Dass ein Landespolitiker auf diesem Posten einiges bewegen kann, zeigte die bisherige Amtsinhaberin Christine Lieberknecht (CDU). Sie trotzte zusammen mit ihren Länderkollegen dem Bund Milliarden für die Fluthilfe ab. Kretschmann wird seine Agenda als Bundesratspräsident recyceln: Der Baden-Württemberger will sich für eine Reform der föderalen Finanzbeziehungen einsetzen. Mit solchen Ankündigungen hat er Erfahrung.