Winfried Kretschmann Wer einmal Ministerpräsident ist, kann es lange bleiben
Wenn Landesfürsten fallen, dann über die eigenen Beine. Dagegen hat es die Opposition schwer, ihren Leuten Bekanntheit zu verschaffen.
Wenn Landesfürsten fallen, dann über die eigenen Beine. Dagegen hat es die Opposition schwer, ihren Leuten Bekanntheit zu verschaffen.
Die Ministerpräsidenten haben den Vorteil, dass sie nahezu die einzigen Landespolitiker sind, die in ihrem Wirkungsbereich einem größeren Publikum bekannt sind. Das erschwert es der Opposition, personelle Alternativen aufzubauen. In ihrer Verzweiflung dokumentieren Oppositionspolitiker auf digitalen Kanälen ihre sonntagmorgendlichen Fahrten zum Brötchenholen (FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke). Oder sie posten Fotos von ihren Abenteuern beim praktischen Kennenlernen diverser Berufsfelder (SPD-Fraktionschef Andreas Stoch als Feuerwehrmann, als Bodenseefischer auf nächtlicher Fangfahrt oder auch als Altenpfleger, Fahrradkurier, Gebäudereiniger oder – genau – Bäcker).
Allein, es hilft nichts. Bei einem so dominanten Landesherrn wie Winfried Kretschmann hat es auch der eigene Parteinachwuchs schwer. Finanzminister Danyal Bayaz versuchte es jüngst als Rapper. Bei Landtagswahlen gilt es aber eher, im Wählerpublikum jenseits der 60 zu punkten. Da ist Kretschmann unschlagbar.
Der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz kann immerhin mit seinen zahlreichen Überquerungen von Alpenpässen per Velo punkten. Beim Stichwort Stilfser Joch leuchten in der Altersgruppe über 70, die sich stark mit der Fangruppe Südtirol überschneidet, viele Augen. Die CDU hält in der Umfrage von Infratest dimap immerhin Anschluss an die Grünen.
Doch der CDU-Vormann Thomas Strobl kann nach der Polizeiaffäre den Traum vom Ministerpräsidentenamt endgültig begraben. Insofern mögen die 50-und-ein-paar-zerquetschte-Prozent, die im Baden-Württemberg-Trend für ein Durchregieren Kretschmanns bis zum Ende der Wahlperiode plädieren, auch dem Mangel an Kenntnis von Alternativen geschuldet sein.
Ob der Grüne Cem Özdemir Lust hat, sein Amt als Bundesminister zugunsten der Landespolitik aufzugeben, ist ungewiss. Interessierte Kreise in Stuttgart sagen: nein, seine Frau wolle das nicht. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass das Amt des Ministerpräsidenten niemand ausschlägt, der bei Gesundheit und Verstande ist. Denn wer es einmal innehat, wird es so leicht nicht mehr verlieren. Es sei denn, er scheitert an sich selbst.