Baden-Württembergs Ministerpräsident feiert seinen 70. Geburtstag. Doch Winfried Kretschmann hat durch den Koalitionskrach mit der CDU im Moment wenig Grund zu feiern.

Stuttgart - Die Tage rund um seinen bevorstehenden 70. Geburtstag könnten einfacher sein für Winfried Kretschmann. Am Verlust des Oberbürgermeisteramts in Freiburg nach 16 Jahren dürften seine Grünen noch lange zu knabbern haben. Als Ministerpräsident muss Kretschmann zudem eine Krise mit seinem Koalitionspartner CDU in Schach halten, die die einzige deutsche Kiwikoalition auf Landesebene gefährdet. Kretschmann selbst ging angesichts der ungemütlichen Lage zuletzt in die Offensive. Trotz seines stolzen Alters brachte er in der „Süddeutschen Zeitung“ eine neuerliche Spitzenkandidatur bei der planmäßig 2021 anstehenden Landtagswahl ins Gespräch. „Alle wollen, dass ich weitermache.“

 

Wenn er gesund sei und das Gefühl habe, weiter erwünscht zu sein, bestehe die Möglichkeit durchaus. Im Wahljahr würde Kretschmann 73 Jahre alt. Ob das ernst gemeint ist oder politische Taktiererei eine Rolle spielt, wird wohl Kretschmanns Geheimnis bleiben. In Baden-Württemberg gibt es Spekulationen, der frühere Grünen-Bundesvorsitzende und Schwabe Cem Özdemir wolle Ministerpräsident werden. Das ist für Kretschmann „durchaus vorstellbar“ - eine vorzeitige Nachfolgedebatte könnte ihm aber dennoch im Moment schaden. Kretschmann kam am 17. Mai 1948 in Spaichingen zur Welt. 1948 ist auch das Geburtsjahr des bereits im April 70 Jahre alt gewordenen einstigen Grünen-Übervaters Joschka Fischer.

Vom radikalen Linken zum Beamten

Wer an den Sponti Fischer denkt und an den etwas behäbig wirkenden Kretschmann, kann sich kaum vorstellen, dass die beiden viele Parallelen im Lebenslauf haben. Beide wuchsen in Baden-Württemberg als Kinder von Heimatvertriebenen auf, in einem katholischen Milieu und mit einem früh erwachenden Widerwillen gegen autoritäre Herrschaftsformen. Ein Jahr arbeitete Kretschmann auch als Referent beim hessischen Umweltminister Fischer. Beide machten ihre Anfänge auch in der radikalen linken Szene, Kretschmann in einer kommunistischen Hochschulgruppe. Doch er ließ sich schon bald läutern und wurde als Gymnasiallehrer verbeamtet.

Seine politischen Anfänge verglich Kretschmann gerade mit einer Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas - er sei auch „Mitglied einer Sekte, wenngleich einer politischen“ gewesen. Dabei war Kretschmann schon früh Realpolitiker. Nach dem Einzug für die Grünen in den baden-württembergischen Landtag 1980 haderte er mit den Grabenkämpfen mit dem linken Parteiflügel. Als eigentlich vorgesehener Spitzenkandidat zog er sich vor der Landtagswahl 1984 zurück. Es folgte ein Hin und Her: 1988 kehrte Kretschmann in den Landtag zurück, überwarf sich dann wieder mit den Fundis, flog aus dem Landtag und arbeitete bis 1996 wieder als Lehrer. Seit 1996 allerdings ist Kretschmann ununterbrochen Landtagsabgeordneter.

Erster grüner Ministerpräsident

2011 wurde dann sein Jahr. Nach dem Streit um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sowie unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima und anhaltender Querelen der CDU konnte Kretschmann als erster Grüner Ministerpräsident werden. Mit seinem pragmatischen Stil mag Kretschmann nach wie vor den linken Parteiflügel verschrecken - bei Konservativen dagegen wuchs sein Ansehen. Typisch ist etwa, wie er die in der Umweltpartei heikle Fragen nach seinem Dienstwagens beantwortete. Ein baden-württembergischer Ministerpräsident fahre einen Daimler, sagte er. „Basta - ich nehme einen Daimler S-Klasse, ich kann doch keinen Fiat fahren.“ Abstriche macht Kretschmann auch nicht bei der Art, seinen Ehrentag zu begehen. Mit einem Empfang im Neuen Schloss in Stuttgart lässt er sich am Donnerstag feiern. So richtig freuen könne er sich ja nicht auf einen Geburtstag, weil er auf die 80 zugehe, sagte Kretschmann der „Süddeutschen Zeitung“. Das verband er mit einem typisch skurrilen Kretschmann-Spruch. „Ich sage immer: Geburtstag hat jede Kuh, nur 70 wird sie halt nicht.“