Immer mehr Menschen gehen in Stuttgart gegen Fahrverbote auf die Straße, auch beim Koalitionspartner CDU wächst der Widerstand gegen Grenzwerte. Der grüne Ministerpräsident lässt sich nicht beirren - und verweist auf Recht und Gesetz.

Stuttgart - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann will trotz wachsenden Widerstands gegen Fahrverbote an den geltenden Grenzwerten für Stickoxide festhalten. „Man kann ein Moratorium fordern“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart mit Blick auf den Koalitionspartner CDU. „Aber wir halten uns an Recht und Gesetz, darüber gibt es Konsens in der Koalition.“

 

Die Südwest-CDU hatte am Wochenende bei der Klausurtagung in Schöntal in einer Erklärung gefordert, die Grenzwerte für Stickoxide auf den Straßen auszusetzen und die Standorte der Messstationen zu überprüfen, um Diesel-Fahrverbote zu verhindern.

„So einen Wunsch kann die CDU äußern“, sagte Kretschmann am Dienstag. Die Europäische Union und nicht die Landesregierung entscheide über solche Wünsche. Die Plausibilität der Grenzwerte werde derzeit aber ebenso überprüft wie die Messstellen. „Aber solange die Verordnungen und Gesetze gelten, solange gelten sie. Und daran hält sich die Landesregierung.“ Grün-Schwarz hatte die Fahrverbote 2018 nach langem Zögern und unter dem Druck von Gerichtsurteilen beschlossen.

Gesetze und Urteile sind verbindlich

Kretschmann sagte, durch die Kritik von Lungenfachärzten an den Grenzwerten sei nun „eine gewaltige Diskussion“ losgetreten worden. Das sei in einer Demokratie vollkommen legitim. Gesetze und Gerichtsurteile seien aber trotzdem verbindlich. „Man muss sich auch an Gesetze halten, die man persönlich für blödsinnig erachtet. Und auch an Gerichtsurteile, mit denen man nicht einverstanden ist. Wäre es nämlich anders, bräuchten wir gar keine Gerichte.“

Die Grünen-Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand hatten sich zuvor klar dagegen ausgesprochen, Stickoxid-Grenzwerte zu verändern. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) schrieb hingegen in einem Gastbeitrag für die „Welt“, dass der Nutzen von Fahrverboten für die menschliche Gesundheit völlig unklar bleibe. Man befinde sich im rein spekulativen Bereich.

Kretschmann sagte, ob die Grenzwerte plausibel seien, müsse die Wissenschaft entscheiden. Er könne das nicht. Man setze alles daran, die Luft so schnell wie möglich so sauber wie möglich zu bekommen, um weitere Fahrverbote zu verhindern, sagte er. „Ich verspreche der Bürgerschaft: Wir werden dieses Schadstoffproblem lösen.“

In Stuttgart gehen viele gegen Fahrverbot auf die Straße

In Stuttgart dürfen seit dem 1. Januar zur Luftreinhaltung Diesel-Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter von außerhalb nicht mehr in die Umweltzone einfahren. Vom 1. April an gilt das Verbot auch für Anwohner mit solchen Fahrzeugen. Jede Woche gehen derzeit mehr Menschen in Stuttgart auf die Straße gegen Fahrverbote. Am Samstag waren es rund 1200. Derzeit gilt ein EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) je Kubikmeter Luft.

Kretschmann äußerte sich kritisch zu den wachsenden Protesten gegen Fahrverbote. Aussagen der Demonstranten seien teils „ziemlich unsinnig“. Die Landesregierung sei von Gerichten zu Fahrverboten gezwungen worden. „Da nützt keine Demonstration was.“ Politisch nehme die Regierung die Proteste aber ernst. „Wir arbeiten ja nicht im luftleeren Raum.“