Bei der Messe „Abenteuer Mensch“ haben fast 30 Aussteller für Pflegeberufe geworben. Sie setzten dabei auf Mitmach-Stände, an denen die Besucher zum Beispiel nachvollziehen konnten, wie es ist, alt oder gar halbseitig gelähmt zu sein.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Winnenden - Die Arme werden schwer, die Gelenke lassen sich kaum noch benutzen, auch die Sicht wird zunehmend schlechter. So ist das eben im Alter – oder, wenn man sich am Stand der Paulinenpflege Winnenden in einen Spezialanzug zwängt, der das Seniorendasein simuliert. „Damit wollen wir bei den jungen Leuten Verständnis für unsere betreuten Bewohner wecken“, erklärt Gudrun Dettenmaier von der Paulinenpflege.

 

Bei der Messe „Abenteuer Mensch“ haben am Mittwoch in der Winnender Hermann-Schwab-Halle zum dritten Mal fast 30 Schulen und Organisationen für Berufe im Gesundheitsbereich geworben. Fachkräfte werden in der Branche dringend gesucht: Im September gab es im Rems-Murr-Kreis etwa auf 26 offene Stellen als Physiotherapeut nur vier Bewerbungen. Viele Infostände setzten dabei auf Mitmachaktionen: Die Rems-Murr-Kliniken (RMK) legten Gipsarme an, die Diakoniestation Weinstadt setzte Besucher in einen Rollstuhl und die Anna-Haag-Schule in Backnang zeigte, wie sich eine halbseitige Lähmung anfühlt. In seinen Bewegungen eingeschränkt war auch ein junger Mann, der im riesigen Hasenkostüm für die RMK warb – Selfies mit dem Plüschohr-Maskottchen standen hoch im Kurs.

Die 15-jährige Maja Stojkovic fand die Messe richtig gut. „Das Gelähmt-Sein war für mich am interessantesten“, sagte die Schülerin der Robert-Boehringer-Gesamtschule. Und ihre Klassenkameradin Lana Avchimovic meinte: „Kinderpflegerin wäre vielleicht ein Beruf für mich.“ Aber nicht nur junge Besucher waren gekommen: „Immer mehr Interesse besteht auch bei Berufserfahrenen, die sich nach Weiterbildungen oder Umschulungen umsehen“, sagte Jürgen Kurz, der die Agentur für Arbeit Waiblingen leitet.

Die Berufsanforderungen sind gestiegen

Dass die Messe in Winnenden stattgefunden hat, war kein Zufall: „Wir sind eine Gesundheitsstadt und wollen das auch bleiben“, betonte der Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth. Schließlich gebe es im Ort die höchste Dichte an pflegenden Berufen im ganzen Rems-Murr-Kreis. „Wir blicken sehr hoffnungsvoll auf diese Messe“, so Holzwarth. Zwei Stunden nach Beginn hatten bereits rund 250 Besucher ihren Weg in die Halle gefunden. In den vergangenen Jahren waren insgesamt 600 Interessierte gekommen. Zumindest am Stand der Paulinenpflege hieß es: „Der Publikumsandrang war größer als im vergangenen Jahr.“

Berufsmessen zur Nachwuchswerbung und neue Ausbildungsmodelle sind die eine Seite – der Berufsalltag in der Pflege, der in den Jahren danach folgt, die andere. Immer wieder stehen die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in den Pflegeberufen in der Kritik. Das weiß auch Thomas Gruber, der Personaldirekter der RMK. „Die Anforderungen an unsere Mitarbeiter sind in den letzten Jahren gestiegen, unter anderem durch die kürzeren Liegezeiten für Patienten“, räumte er ein. Daher gebe es zum Beispiel Kurse, die dabei hälfen, gesund durchs Berufsleben zu kommen. Auch das Thema Geld spiele eine Rolle: „Das Problem ist, dass wir uns durch die Leistungen der Krankenkassen refinanzieren. Und die sind eben gedeckelt.“ Trotzdem habe sich die Vergütung in den Pflegeberufen in den vergangenen Jahren gebessert: „Ein Azubi bekommt 900 bis 1100 Euro, eine Krankenschwester startet mir 2300 Euro – das ist im akzeptablen Bereich“, sagte Gruber. Im Übrigen sei ein Pflegeberuf auch Berufung – „das Geld steht da nicht im Mittelpunkt“.