Offenbar ist der Tiefpunkt der Temperaturen in Stuttgart mit minus 13 Grad erreicht gewesen. Am Wochenende wird es wärmer. Bis dahin vergnügt man sich in der Stadt – bisweilen auf verbotene Weise.

Stuttgart - Pudelmützen und lange Unterhosen haben Hochsaison im Kessel: Minus 13 Grad wurden in der Nacht zum Dienstag gemessen. Es soll vorerst kalt bleiben. Wer kann, gewinnt dem Winter die schönen Seiten ab. So drehen Schlittschuhläufer auf dem Eis der Seen ihre Runden.

 

Verbotener Spaß

Nicht alles, was beliebt ist, ist auch erlaubt. Aufs Eis zu gehen zum Beispiel, ob mit oder ohne Kufen. „Das steht in der Polizeiverordnung der Stadt“, sagt Hans-Jörg Longin vom Ordnungsamt. „Wir machen keine Sonderstreifen, aber wir kontrollieren das und appellieren an die Vernunft.“ Die Fische im Wasser leiden auch unter den Wintersportlern: Wenn die Kufen auf dem Eis kratzen, „dann ist kein Fisch mehr in der Winterruhe, die wachen auf“, sagt Manfred Wörner vom Anglerverein Möhringen. Wache Fische brauchen mehr Sauerstoff, und der ist unter der Eisschicht knapp.

Historisches Eis

Obwohl es schon eisig ist, gab es in früheren Zeiten einen Winter, der viel härter war. Die Frosttemperaturen hielten über Wochen. Bis zu 55 Zentimeter Eis wurden im Winter 1928/29 auf dem Neckar gemessen. Die Stadt wusste sich nur noch mit Sprengungen zu helfen. „Das Getöse war in ganz Groß-Stuttgart und sogar bis hinauf nach Degerloch zu hören“, stand damals in der Zeitung. Unter den Neckarbrücken türmte sich das Packeis zu bizarren Skulpturen. Die Menschen spazierten über den zugefrorenen Fluss.

Pannenhelfer im Stress

Autofahrer haben wenigstens ein Problem nicht: Sie müssen morgens die Scheiben nicht freikratzen oder enteisen. Freie Sicht bedeutet aber nicht freie Fahrt. Die Temperaturen setzen dem fahrbaren Untersatz zu. Das merken die Helfer der großen Automobilclubs. Der ADAC meldet einen Einsatzrekord: 2610 mal rückten die Pannenhelfer am Montag in Württemberg aus. Meist wegen schwacher oder defekter Batterien und gefrorener Kühlsysteme. Der zweitgrößte Club, der ACE, hat erhoben, dass von 5.30 bis 10 Uhr sowie 15 bis 19 Uhr die meisten Einsätze gefordert waren.

Coole Kids

15 dick eingepackte Kinder lassen sich von Väterchen Frost nicht aus ihrem Garten in Heumaden vertreiben. Dort ist ihr Reich, bei Wind und Wetter, ein Indianer-Tipi bietet Schutz. Toni Matysek, Erzieher beim elterninitiierten Naturkindergarten Stuttgart, serviert heißen Tee und warmes Mittagessen vom Caterer, „das schafft Wärme von innen“. Ansonsten seien die Kinder im Alter durch Bewegung und Funktionskleidung gut geschützt. Es sei „Teil der Konzeption, dass die Kinder Natur in all ihren Ausprägungen bewusst erleben und erfahren“, sagt Matysek. Im Waldkindergarten Rohr fällt die morgendliche Entdeckungstour derzeit aus, stattdessen beschäftigen sich die 30 Kinder in ihrer Schutzhütte. Gelegentlich nutze man solche Kältephasen bewusst für Museums- und Bibliotheksbesuche, um auch mal eine Pause von der Kälte zu haben“, teilt das Erzieherteam mit.

Winter ade, Hartmut ade

Noch bis voraussichtlich Donnerstagabend wird Hoch „Hartmut“ Stuttgart und die Region im frostigen Griff haben. Allein für die Nacht zum Mittwoch erwartet der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Stuttgart bis zu minus zwölf Grad. „Voraussichtlich ab der Nacht zum Freitag wird es wohl wärmer“, sagt der Meteorologe Thomas Schuster. Das frostige Hochdruckgebiet aus Skandinavien mit dem bissigen Nordost-Wind wird dann von atlantischen Tiefausläufern verdrängt. Die Folge: Das Thermometer steigt vom Wochenende an tagsüber auf etwa acht, vielleicht sogar zehn Grad. Doch das Tief bringt auch immer wieder Schnee und Regen. Und damit droht Blitzeis.

Mörderischer Umschwung

Sollten die Temperaturen zum Wochenende tatsächlich in kurzer Zeit um bis zu 20 Grad ansteigen, wäre das für Markus Klett „der Hammer“. Der Vorsitzende der Stuttgarter Ärzteschaft mit Praxis in Bad Cannstatt macht sich vor allem um die Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Lungenproblemen Sorgen. „Wenn die Temperatur sehr schnell sehr stark ansteigt, kann das etwa zu Atemproblemen führen, aber auch zu Gefäßverengungen bis hin zu Herzinfarkt oder Schlaganfall“, sagt Klett, der von einem „ziemlich mörderischen“ Umschwung spricht, der Stuttgart da bevorstehe. Auch gesunde Menschen mache ein solcher Anstieg instabil: „Der Körper wird geschwächt, und das macht anfällig für die Viren, die gerade überall herumschwirren“. Kletts Tipp: Auf jeden Fall Füße und Kopf warm halten, wenn es wärmer wird, damit nicht der letzte kalte Windhauch noch die Widerstandsfähigkeit bricht.

Aufwärmen unter Tage

Auf der S-21-Baustelle 21 stört der strenge Frost die Arbeiten laut einem Bahn-Sprecher nicht. „Die Leute schützen sich durch warme Kleidung“, sagt er – und „schaffen“ sich ansonsten warm. Der einzige Unterschied zu sonst: „Beim Betonieren ist es hier und da erforderlich, die Umgebungstemperatur zu erhöhen.“ Sprich: mit Heizstrahlern den flüssigen Beton zu erwärmen. Glück hat, wer unter Tage arbeitet: „Dort hat es ohnehin keine Minustemperaturen“, sagt der Bahn-Sprecher.