Zu beneiden sind die Polizisten nicht, die all die Handygespräche von Neonazis mithörten, die am Brandanschlag in Winterbach beteiligt gewesen sein sollen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Die Polizisten sind nicht zu beneiden, die all die Handygespräche der Rechtsextremen mithören mussten, die im Verdacht stehen, in den Brandanschlag von Winterbach verwickelt gewesen zu sein. Elf Männer und eine Frau stehen vor dem Landgericht, weil sie sich im April 2011 entweder selbst an der Hetzjagd gegen junge Migranten beteiligt haben oder die Täter decken sollen. Damals war eine Hütte niedergebrannt worden, in der sich die Opfer verschanzt hatten. In den Tagen nach dem Überfall hörte die Polizei die Mobiltelefone von Neonazis ab, die in der fraglichen Nacht auf dem Nachbargrundstück gefeiert hatten und aus denen sich die Gruppe der Täter rekrutiert hatte.

 

Stressige Vernehmung

Stressige Vernehmung

Einige Mitschnitte von Telefonaten der Angeklagten sind gestern im Gerichtssaal abgespielt worden. Der Brandanschlag, die Vernehmungen bei der Polizei, die Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Handys, Computern und Kleidung waren die bestimmenden Themen. So berichtet ein Angeklagter, wie es ihm bei seiner Vernehmung in der Polizeidirektion Waiblingen ergangen sei. Das ganze sei „völlig aus dem Ruder gelaufen“. Zwei Stunden habe man auf ihn eingebrüllt: „Erzählen Sie uns keinen Scheiß!“ und „Wen wollen Sie schützen?“ Er sei völlig fertig und erwäge eine Dienstaufsichtsbeschwerde.

Auffällig an sämtlichen Telefonaten ist, dass die Gesprächsteilnehmer ausführlich berichten, warum sie in der Nacht von dem Brand nichts mitbekommen haben wollen – meist wird übermäßiger Alkoholkonsum als Grund angegeben. „Ich hab’ weniger mitbekommen, als ich dachte“, sagt einer, „Ich hab’ nicht mal gewusst, dass da eine Hütte ist“, ein anderer. Auch leise Entrüstung lässt sich heraushören: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das einer von uns war“, heißt es in einem Telefonat. Ein anderer regt sich auf, weil er fürchtet, die Ermittlungen gefährdeten seine Bewährung. Er sagt, „wenn ich rauskriege, wer die Hütte angezündet hat, den verpfeif’ ich!“

Kein falsches Wort

Kein falsches Wort

Auffällig ist ferner, dass sich niemals jemand am Handy verplappert, keiner erzählt, dass er bei der brennenden Hütte gewesen ist oder Namen nennt von anderen, die dort waren oder auch nur dem Hörensagen nach da gewesen sein sollen. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass die Handynutzer wussten, dass sie abgehört wurden. Falls dem so war, erstaunt dennoch, dass niemandem je ein falsches Wort herausrutschte. „Wenn die wirklich geschauspielert haben, haben sie es gut hingekriegt“, kommentiert das der Nebenklagevertreter Walter Martinek.

Nur einmal kommt ein möglicher Lauschangriff zur Sprache. „Nach diesem Telefonat jetzt ist mein Name auch dabei. Ich nehme mal an, dass die dein Handy abhören“, sagt ein Gesprächspartner, der von einem der Angeklagten angerufen wurde. Es handelt sich um einen gut informierten Mann aus der rechten Szene, der sich abgebrüht gibt. Er erteilt seinem Freund den Rat, „in deinem Fall würde ich mir keinen prominenten NS-Anwalt nehmen“. Er klärt ihn darüber auf, dass die Polizeibeamten, die sicher noch bei ihm aufkreuzen würden, in Zivil kämen „aber du siehst es ihnen an.“ Den Kumpel am Telefon, gegen den ermittelt wurde und der um seine Bewährung bangte, versucht er schließlich mit den Worten zu beruhigen: „Ich sag’ mal so: Die Bewegung wird’s überleben.“