Was tun bei einem Notfall in großer Höhe? Im Windpark Goldboden üben die Höhenretter der Stuttgarter Feuerwehr verschiedene Rettungsszenarien in den 234 Meter hohen Windkraftanlagen.

Winterbach - Wir bekommen nicht oft die Gelegenheit, an solchen Windkraftanlagen zu trainieren", sagt Tobias Scharf und schaut nach oben, in Richtung Nabe des mittleren der drei Räder. Alle gehören zum Windpark Goldboden am Schurwaldrand über Winterbach und sind seit knapp einem Jahr in Betrieb. Gemächlich, aber sehr zielstrebig, schweben da zwei Personen in sogenannten Hängesitzen am Seil aus gut 160 Metern Höhe hinab zum Boden. Scharf ist der Einheitsführer und Ausbilder bei der Höhenrettungsgruppe der Feuerwehr Stuttgart.

 

Zusammen mit Sicherheitsleuten des Energieversorgers EnBW und Servicekräften der mit Bau und Betrieb der Anlage beauftragten Firma Nordex spielen die Höhenretter zwei Tage Rettungsszenarien durch. Auch im Betriebsraum in Nabenhöhe, auf 164 Metern über dem Boden, soll im Notfall schnelle und effektive Hilfe sichergestellt sein.

Bisher noch keine Notfälle

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen könnten in den Windenergieanlagen Notfallsituationen auftreten, auch wenn es solche bislang in den neuen Rotortürmen auf dem Goldboden noch nicht gegeben hat, sagt Fabian Joswig, ein Sicherheitsingenieur der EnBW im Bereich Erneuerbare Energien. „Dann ist es gut, wenn Rettungskräfte die Anlagen kennen und sofort wissen, was zu tun ist.“

Hierbei sei die Rettungsübung im Windpark sowohl für die Höhenretter, die in der Regel für Rettungen aus einer Höhe von mehr als 30 Metern zuständig sind, als auch für die Betreiber eine wichtige Maßnahme, betont Joswig: „Wir wollen aus dieser Rettungsübung auch Erkenntnisse und Erfahrungen auf andere Windparks übertragen.“

Abseilen geht schneller als die Fahrt mit dem Aufzug

Die schnelle und sichere Rettung hilfloser Personen in, an und auf der Windkraftanlage, so lautet denn auch die Grundaufgabe. Im Rettungskonzept sind dabei die verschiedenen Wege beschrieben, auf denen die Rettung aus Anlagenturm, Maschinenhaus, Nabe oder auch vom Rotorblatt erfolgen kann. Geübt wird mit Auffanggurten, Karabinern und Seilen, denn nicht in allen Fällen steht der mit 30 Metern pro Minute sehr gemächlich verkehrende Aufzug im Turm zur Verfügung. So ist denn auch die Abseilaktion mit Hängesitzen in wenigen Minuten erfolgreich absolviert – und damit deutlich flotter als im Aufzugstempo.

In der Regel, sagt Sebastian Bywaters, einer der Nordex-Servicemänner, die normalerweise einmal im Jahr die Anlagen auf dem Goldboden eine Woche lang warten, seien sie in der Lage, sich gegenseitig aus Notlagen zu retten. Allerdings gebe es eben absolute Notfälle wie Herzinfarkte oder eben lebensbedrohliche Verletzungen, die einen normalen Transport nach unten unmöglich machten. Dafür brauche man dann die Spezialisten von der Höhenrettung.

Am häufigsten seien im übrigen in derlei Anlagen Verletzungen, die von Kurzschlüssen herrührten und dann vorwiegend mit Verbrennungen verbunden seien. Die Gefahr, sich direkt an beweglichen Teilen der Anlage zu verletzen, sei bei modernen Windkraftmaschinen gering. „Da ist alles Bewegliche überdeckt“, erklärt der Servicemann. Wenn an den beweglichen Teilen gearbeitet werde, müsse zuerst das Windrad gebremst und sicher arretiert werden.

Für die Höhenretter der Feuerwehr, die unter anderem auch beim Transport stark übergewichtiger Menschen oder bei schwierigen Einsätzen an der neuen Downhill-Strecke in Stuttgart gefragt sind, seien die Übungen am Goldboden durchaus etwas besonderes, meint Scharf. „Das sind keine alltäglichen Notfälle, aber mit der zunehmenden Zahl der Anlagen kann schon der Fall eintreten, einen Menschen aus dem Maschinenhaus retten zu müssen.“