Das Pillerseetal in Tirol ist ein sicheres Schneeloch. Selbst wenn unten im Tal alle Wiesen grün sind, oben auf der Höhe ist die Landschaft weiß. Ein paar tolle Tage bei einem (Wieder)Einsteigerkurs der Nordic Academy in Hochfilzen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Hochfilzen - Frau Holle hat in der Nacht ganze Arbeit geleistet. Die Schneedecke ist noch mal gewachsen. In den vergangenen zwei Tagen ist geschätzt gut ein halber Meter Neuschnee gefallen. Alle Tiroler sind happy. Wohin man auch blickt: überall ist es weiß. Obgleich unten im Tal die Wiesen grün sind wie im Frühling.

 

„Da gehst wie auf Daunen“, sagt Gerhard Blaas und strahlt über sein von der Wintersonne gebräuntes Gesicht. Der 55-jährige Tiroler ist eigentlich Drucker. Während der Wintermonate indes arbeitet er für seinen Freund aus Kindertagen, Markus Förmer. Der leitet in Hochfilzen im Pillerseetal die Nordic Academy. Für die Gäste aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden und aus Italien ist der routinierte Tourenführer einfach nur der Gerhard – in Tirol käme niemand auf die Idee ihn mit Herr Blaas anzusprechen. Alle sind per Du. Alle sind gut drauf. Alles ist einfach – auch das Wandern mit den Schneeschuhen.

Laufen wie auf Daunen: der Tiefschnee federt die Schritte ab

Der Gerhard hat uns auf dem schnellsten Weg hinaus geführt aus dem kaum 1000 Seelen zählenden Dorf. Auf dem Asphalt der Hauptstraße kündigen sich die Schneeschuhwanderer schon von weitem an. Die Gehgeräte klappern – und einer der holländischen Mitwanderer hat dazu eben breit grinsend erklärt: „Klingt wie Pferde.“

Jetzt, mitten im Forst, ist davon nichts mehr zu hören. Außer dem Schnaufen der Ausflügler ist fast gar nichts zu hören. Wir laufen tatsächlich wie auf Daunen. Jeder Schritt wird vom Tiefschnee sanft abgefedert. Bereist nach ein paar Minuten sind wir weg vom Trubel, treffen keine Menschenseele mehr. Verlaufen, sagt Gerhard, gibt’s nicht. Notfalls müsse man halt auf dem Rückweg der eigenen Spur folgen.

Gar nicht so einfach für Flachlandtiroler

Er führt die zehnköpfige Truppe aber in einem Rundkurs gut zwei Stunden lang über dick verschneite Wiesen und Felder, über einen kleinen Bachlauf, den man allenfalls erahnen kann, vorbei an Baumwipfeln und über Streuobstwiesen. Die Früchte solcher Bäume werden uns an einem der nächsten Tage noch ein paar Stunden lang ordentlich beschäftigen.

Der Neuschnee knarrt bei jeden Schritt unter den Schneeschuhen, die wir uns vorhin in der Nordic Academy an die Wanderstiefel geschnallt haben. Bald laufen nicht nur die Ausflügler, es läuft auch der Schweiß – anstrengend ist es schon, das für Flachlandtiroler ungewohnte Schneeschuhwandern. Hannes aus Holland ist hellauf begeistert. „Ich würde am liebsten Tage lang auf Tour gehen – von Hütte zu Hütte.“ Das muss er wohl ein andermal tun.

Man ist ja nicht zum Faulenzen hier

Nach einer kleinen Rast, bei der Gerhard heißen Tee und Wurstbrötchen aus seinem Rucksack zaubert, geht’s zurück zur Skischule für die nordischen Disziplinen, die im selben Gebäude untergebracht ist wie unser Fairhotel. Dieses erste Passivhotel in Tirol, das kaum Energie benötigt, hat ein örtlicher Landwirt erst vor rund zwei Monaten auf einer seiner Wiesen eröffnet, als zweites Standbein für das Familieneinkommen.

Ein bisschen ausruhen – doch dann heißt es auch schon wieder: raus mit Euch in den Schnee. Zum Faulenzen sind wir nicht ins Pillerseetal gekommen, das als eins der sichersten Schneelöcher in Österreich gilt. Die Einheimischen schwören Stein und Bein: kein anderer Landstrich in der Alpenrepublik habe im vergangenen Jahr mehr Schnee abbekommen.

Die Anfänger kommen bald ganz passabel durch die Loipen

Diesmal ist Langlauf angesagt, klassischer Stil. Christoph Slowiok macht aus blutigen Anfängern und aus Leuten, die seit vielen Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr Ski gefahren sind, Langläufer, die schon nach einer halben Stunde ganz passabel durch die Loipen kommen. Der Christoph erklärt die Technik: Die Stöcke vorne in den Schnee bohren und dann mit ordentlichem Einsatz der Armmuskulatur nach hinten schieben. Bergab gilt’s gut zu gleiten, bergauf immer in kleinen Schritten laufen.

Armin aus München setzt sich mit einem Begleiter schnell ab von den anderen. Das Duo dreht flugs eine Zwei-Kilometer-Runde, dann noch eine und nochmals eine. „Die Merkel-Fahrer da vorne, die holen wir auch noch ein“, ruft er – und meint in Anspielung auf die Frau Bundeskanzlerin, die kürzlich beim gemütlichen Langlaufen gestützt ist, die Langsamfahrer in der Gruppe.

Kartoffelkrapfen, Käsknödel und Kaiserschmarrn

An den Abenden lassen sich die Sportler Tiroler Spezialitäten servieren, Kartoffelkrapfen, Käsknödel und Kaiserschmarrn. Zum Beispiel im Hotel Edelweiß unmittelbar an der Loipe, wo der Hausherr stolz berichtet, dass die norwegische Biathlonmannschaft bei ihm während des Weltcups in Hochfilzen seit Mitte der 90er-Jahre nächtige und speise. Zum Beweis präsentiert er ein gerahmtes Foto, das den norwegischen Star Ole Einar Björndalen in der Küche der Gaststube zeigt. Dann verteilt er ein paar Autogrammkarten des Olympiasiegers von Sotschi.

Nächster Tag, nächste Technik: Skating ist für die meisten Novizen schwieriger zu lernen als die klassische Langlauftechnik. Statt die Skier immer parallel zu führen, muss man sich beim Skaten mit den Skikanten seitlich abstoßen. Die Bewegung ähnlich jener beim Eisschnelllaufen. Die Holländer, deren Volkssport das Eislaufen ist, sind also klar im Vorteil.

Apfelbrand – die Tiroler Antwort auf die besten Whiskys

An einem feuchtfröhlichen Abend dreht sich im Nachbarort Fieberbrunn, auf dem Gaßoidhof in der Genusswerkstatt von Egidius Treffer, alles um Obstbäume. Besser gesagt um edle Brände, gemacht aus den Früchten dieser Bäume. Der Mann, den hier alle nur den Gidi nennen, ist ausgebildeter Edelbrandsommelier. Der gelernte Schlosser serviert die tollsten Eigenprodukte, etwa seinen Signum, einen Apfelbrand-Cuvée. „Die Triolen Antwort auf die besten Whiskys“, sagt er und grinst breit. Beim Gidi und seiner Frau Christel können die Gäste nicht nur Schnapsverkostungen buchen, sondern auch eine Brennereiführung machen und Zielwasser einkaufen.

Schnaps, heißt es, sei bestens geeignet, um die Trefferquote zu erhöhen. Das testen wir an unserem letzten Tag in Hochfilzen. In der Nordic Academy können die Gäste auch erste Biathlonerfahrungen sammeln. Der Alkohol vom Vorabend dürfte zwar längst verflogen sein, doch das Zielwasser wirkt nach. Liegend drei Treffer. Das ist für den Anfang doch ganz gut.

900 000 Übernachtungen im Pillerseetal

Das Pillerseetal liegt zwischen Kitzbühel und Zell am See in der Alpenregion Tirol im Nachbarland Österreich – mit dem Auto etwa vier Stunden von Stuttgart entfernt. Speziell der Ort Hochfilzen gilt als sicheres Schneeloch.

Im Pillerseetal werden jährlich rund 900 000 Übernachtungen gezählt. Das Fairhotel im Ort Hochfilzen, in dem auch die Nordic Academy arbeitet, ist das erste Passiv-Energie-Hotel in Tirol.

Biathlonfans ist der Ort Hochfilzen ein Begriff, weil hier regelmäßig Weltcup-Rennen stattfinden. 2017 geht im Pillerseetal die Biathlon-WM über die Bühne. Im Januar wurde der Masters-Weltcup im Langlauf ausgetragen. Es gibt rund 150 Loipenkilometer, die regelmäßig gespurt werden.

Der Redakteur Martin Tschepe ist fast 30 Jahre lang nicht mehr Ski gelaufen. Nach dem Kurs für Wiedereinsteiger hat er sich fest vorgenommen: Es werden ganz bestimmt weitere Skitouren folgen.