Die Kandahar hat sich binnen 24 Stunden von einer allseits gelobten Abfahrts-Strecke zu einem brutalen Rennhang entwickelt. Die Folge: Zwei Skirennfahrer wurden ins Krankenhaus geflogen, einer hatte einen Schutzengel. Am Samstag geht es nochmal auf den Hang.

Garmisch-Partenkirchen - Für zwei Skirennfahrer endete der Nachmittag im Rettungshubschrauber, ein Ex-Weltmeister hatte gleich mehrere Schutzengel auf seiner Seite: Die Weltcup-Abfahrt auf einer äußerst komplizierten Kandahar-Strecke in Garmisch-Partenkirchen ist von schweren Unfällen überschattet worden. Als Sieger Travis Ganong aus den USA am Freitag im Ziel mit dem Norweger Kjetil Jansrud auf Rang zwei und Peter Fill aus Südtirol für Siegerfotos posierte, waren andere Fahrer froh, überhaupt heil das Tal erreicht zu haben. Die deutschen Starter verpassten das angestrebte Top-Ten-Ergebnis.

 

Im Fokus standen bei der ersten von zwei Schussfahrten an diesem Wochenende die verunglückten Alpin-Athleten. Am schlimmsten hatte es den Franzosen Valentin Giraud Moine erwischt. Er kugelte sich nach Angaben des OK beide Knie aus und erlitt zudem Bänderverletzungen. Die in gut einer Woche beginnende Ski-WM in St. Moritz hat sich für ihn erledigt.

Nach seinem starken zweiten Platz in Kitzbühel war er in Garmisch auf Top-10-Kurs, ehe er nach dem Zielhang „Freier Fall“ in einer Kompression die Kontrolle verlor und in Sichtweite der Zuschauer ins Fangnetz krachte. Das Rennen war eine halbe Stunde unterbrochen.

Schon zuvor war der erfahrene Steven Nyman nach dem Kramersprung abgeflogen. Er wurde wie Giraud Moine vom Hubschrauber von der Strecke geholt. Der US-Sportler erlitt „Bänderverletzungen höheren Grades“.

Erik Guay dagegen konnte nach einem spektakulären Sturz über den Seilbahnstadelsprung selbstständig ins Ziel fahren. Der Weltmeister von 2011 - damals just in Garmisch - hatte schon beim Sprungansatz die Kontrolle über die Skier verloren, sich dann in der Luft gedreht und war nach knapp 50 Metern auf die Piste gekracht. Sein Airbag hat ihn womöglich vor gröberen Verletzungen bewahrt, wie er andeutete.

„Das ist am Limit“, wertete Jansrud das Rennen und erklärte, dass sich die Bedingungen im Vergleich zu den tollen Verhältnissen im Training tags zuvor geändert hätten und der Kurs schneller wurde. „Wenn du hohe Geschwindigkeit, weite Sprünge und unruhige Bedingungen kombinierst, ist das eine harte Kombination“, wertete er.

Der letztjährige Kitzbühel-Champion und Sieger im Abfahrts-Weltcup, Peter Fill, meinte: „Das war ein schwieriges Rennen. Die Jüngeren haben vielleicht zu viel riskiert.“ Allerdings sind weder Nyman noch Guay junge oder unerfahrene Skirennfahrer.

Die Fahrer fordern Veränderungen

Für die zweite Abfahrt am Samstag (12.00 Uhr) forderten die Fahrer Veränderungen, vor allem bei den Sprüngen. „Der Kramersprung ist einfach zu brutal“, meinte Fill. „Das war heute nicht einfach“, sagte Ganong, der seinen zweiten Weltcup-Sieg feierte und als erster US-Profi überhaupt in Garmisch gewann. Renndirektor Waldner kündigte an, den Kramersprung etwas abtragen zu wollen, „nicht weil er nicht geht, sondern weil wir ihn mehr unter Kontrolle haben wollen.“ Grundsätzlich sei die Piste aber in einem „Top-Zustand“ gewesen.

Die DSV-Starter suchten die Schuld am nicht zufriedenstellenden Ergebnis nicht nur bei der Strecke. Andreas Sander meinte nach Rang 14 mit 1,52 Sekunden Rückstand: „Es war mehr möglich. Ich habe ein paar Fehler gemacht, die nicht hätten sein sollen.“

Josef Ferstl wurde 20. (+2,44 Sekunden) und haderte: „Wir wollen einfach weiter nach vorn, das Risiko habe ich heute nicht umsetzen können“, sagte er. Thomas Dreßen (37.) und Dominik Schwaiger (42.) nach einem Beinahe-Sturz verpassten die Punkte-Ränge.

Aber vielleicht war ein unfallfreies Rennen an diesem Nachmittag schon ein Erfolg. Nach ihrem eigenen - glimpflich verlaufenem - Sturz im Abfahrtstraining von Cortina d’Ampezzo twitterte US-Skistar Lindsey Vonn: „Ich kann mir das Rennen in Garmisch nicht weiter anschauen. Zu viele Verletzungen und Unfälle. Das ist verrückt!!!“