Wissenschaftler haben eine grüne Alternative zu Kunstschnee entwickelt: Algen bieten ähnliche Gleiteigenschaften, verbrauchen kaum Ressourcen und sind günstig herzustellen. Profiskifahrer sind von ersten Kurven auf Algen angetan. Die Forscher sind überzeugt, dass solche Alternativen angesichts des Klimawandels an Bedeutung gewinnen.
Denkendorf - Zu Beginn der Saison haben Wetterexperten einen „langen harten Winter“ prognostiziert. Zumindest Skifahrerherzen ließ das höher schlagen. Bis auf ein paar kurze Episoden ist der große Schnee bis jetzt allerdings ausgeblieben, und viele Skifahrer mussten sich in den Ferien in der vergangenen Woche mit Altschnee und Kunstschnee zufriedengeben.
In Zukunft könnte es noch eine dritte Möglichkeit geben: Skifahren auf Algen. Ein Jahr lang hat das Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf gemeinsam mit Partnern erforscht, inwiefern eine Algenschicht als Untergrund für Wintersport geeignet ist. Am Ende der vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft geförderten Machbarkeitsstudie „Bioglizz“ steht die Erkenntnis, dass Algen durchaus als Schneeersatz geeignet sind.
Weniger Schnee durch Klimawandel
Projektleiter Jamal Sarsour vom Textilforschungsinstitut ist überzeugt davon, dass Schneealternativen an Bedeutung gewinnen werden: „Durch den Klimawandel wird es künftig immer weniger natürlichen Schnee geben.“ Herkömmlicher Kunstschnee stelle eine große Umweltbelastung dar. Manche Hersteller experimentieren stattdessen mit Kunststoffmatten. Diese sind allerdings recht hart und damit verletzungsträchtig, verschleißen schnell und verbrauchen ebenfalls viele Ressourcen.
Skihang der Zukunft bietet Mikroorganismen ein Zuhause
So sei der Projektpartner, die Innovationsagentur München, auf der Suche nach einer rutschigen und umweltfreundlichen Alternative auf Algen gekommen und habe sich an das Textilforschungsinstitut gewandt. „Wir haben jahrelange Erfahrung mit der Immobilisierung von Mikroorganismen“, erklärt Sarsour. Beispielsweise setzen Kläranlagen entsprechende Filter ein, die in Denkendorf mitentwickelt wurden. Zuvor seien diese Organismen frei im Behandlungsbecken geschwommen. Auf einem Textil gebunden wirken sie aber besser. „Wir bieten Mikroorganismen ein Zuhause – schon seit 20 Jahren“, sagt der promovierte Umwelttechniker. Ein solches Zuhause könnte auch der Skihang der Zukunft sein.
Die dafür benötigten Mikroalgen werden am Institut für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik der TU Dresden gezüchtet. Sarsour und seine Kollegen in Denkendorf applizierten sie schließlich auf den textilen Untergrund. „Sie sind spiralförmig und hängen von daher gut am Textil“, sagt Sarsour. Ein vier Meter langes Modell wurde schließlich in München aufgebaut und von Sportlern des Deutschen Ski-Verbandes getestet. Die zeigten sich mit den Fahreigenschaften zufrieden, berichtet Sarsour.
Skiprofis testen Modell
Manch eingefleischter Skifahrer mag nun empört aufschreien: Algen sind doch nicht das Gleiche wie Schnee. Zum Wintersport-Erlebnis gehört die Kälte, der Blick auf eingeschneite Berge und Tiefschnee – oder zumindest das vertraute Kratzen der Kanten auf vereisten Hängen. Jamal Sarsour kann das gut nachvollziehen. „Skifahren hat mit Schnee zu tun“, sagt er. Vielleicht sollte man das Ganze dann anders nennen, sinniert er. Ohnehin müssten die bekannten Wintersportarten ein wenig modifiziert werden, da die scharfen Kanten der Ski und Snowboards den Algen schaden. „Man braucht sie aber auch nicht, denn die Schicht ist viel weicher als ein vereister Skihang.“ Mit abgerundeten Kanten könnten Wintersportler künftig zu jeder Jahreszeit den Algenhang hinunterkurven.
Algen sind auch für Skihallen gut geeignet
„Ich bin beim Skifahren sowieso kein Experte“, sagt der Forscher, der aus Palästina stammt, und fügt lachend hinzu: „Ich bin ein Wüstensohn.“ Doch auch in seiner Heimat könnte man angesichts des Algenschnees künftig vielleicht „Gleitsportarten“ ausüben, wie Sarsour lieber sagt. Es könnten ganz neue Freizeitaktivitäten entstehen, die ein Erlebnis ähnlich dem des Skifahrens auch in Ländern ermöglichen, in denen es natürlicherweise keinen Schnee gibt. Auch für Skihallen seien die Algen gut geeignet. Sie gedeihen am besten bei 16 bis 20 Grad und sind insgesamt relativ unkompliziert. Zudem sind sie günstig, verbrauchen wenig Ressourcen und wachsen schnell nach.
Jetzt hoffen die Projektpartner auf zwei weitere Jahre Förderung, um ihren Kunstschnee praxistauglich zu machen. Beispielsweise müsse die Bewässerung geklärt werden, so Sarsour. Denn Gießen ist auf geneigtem Gelände ohne Erdboden darunter wenig nachhaltig. Zudem wäre der Untergrund dann sehr nass. Sarsour denkt an eine Textilschicht unter den Algen, die das Wasser speichert. Wer hinfällt, bekommt ohnehin grüne Flecken auf der Kleidung. „Aber das bekommen Sie beim Fußball auch“, sagt der Forscher, „das ist eben das Problem mit der Fotosynthese.“ Aber als Textilforschungsinstitut sei es denkbar, gleich einen passenden Skianzug mit zu entwickeln, der weniger anfällig für grüne Flecken ist.