Nach mehrjähriger Coronapause laden Weingüter und Gastronomen wieder zum „Winterweinweg“ nach Stetten. Der Andrang ist groß, die Gäste reisen aus der ganzen Region an.

Samstagnachmittag, bis zum offiziellen Beginn des Winterweinwegs in Stetten sind noch gut 20 Minuten Zeit. Trotzdem pilgern schon die ersten Besucher der Veranstaltung den Berg hinauf – immer den blauen Schildern nach, die „Kulinarik und Wein“ versprechen. Das Remstal präsentiert sich überwiegend grau. Ein kalter Wind pfeift durch die Reben, aber immerhin ist es trocken. Am Wegesrand stehen in etwa drei Meter Abstand Flammendosen parat. In knapp zwei Stunden wird es hier in den Stettener Weinbergen oberhalb der dann stimmungsvoll beleuchteten Ruine Yburg stockdunkel sein, die flackernden Lichter weisen den Weg zu den vier Anlaufstellen, an denen getrunken, gegessen und geschwätzt wird. Für die Bewirtung der Besucher sind elf Weingüter und vier Gastronomen zuständig. Die Gäste kommen aus der ganzen Region Stuttgart – das zeigen die Autokennzeichen auf dem Parkplatz bei der Glockenkelter.

 

Die Lohkäs-Trampler sind schon zum dritten Mal da

Kurz vor 16 Uhr laufen noch die letzten Vorbereitungen, werden noch Weinkisten ausgeladen und Gerätschaften zu den kleinen Zelten geschleppt. Am Genusspunkt beim Wegekreuz Strümpfelbach herrscht bereits Andrang: Eine gut 20-köpfige Gruppe, allesamt in schwarze Mäntel mit gelben, blauen und grünen Streifen gehüllt, bereitet sich für ihren Auftritt vor.

„Wir sind jetzt schon zum dritten Mal da“, sagt Jürgen Häußermann. „Wir“ – das sind die Lohkäs-Trampler, die Guggenmusiker des Backnanger Karnevalsclubs, die für die musikalische Begleitung des Weinfestes zuständig sind. Vier Stunden lang werden sie auf der rund 2,5 Kilometer langen Strecke zwischen den vier Genusspunkten hin und her ziehen und die Besucher mit Party-, Pop- und Rocksongs beschallen. Das Repertoire umfasse knapp 30 Stücke, berichtet Posaunist Jürgen Häußermann und zeigt auf die Liste, auf der Lieder wie Pink Floyds „Another Brick in the Wall“, aber auch der Ärzte-Hit „Westerland“ oder Leonhard Cohens ruhiger Song „Hallelujah“ stehen.

Wanderschuhe und Winterjacke statt Partykleidung

Letzterer werde an diesem Abend aber eher nicht zu hören sein, sagt Jürgen Häußermann: „Wir müssen ja Stimmung machen.“ Trotz kühler Temperaturen um den Gefrierpunkt freut sich die Truppe auf ihren Auftritt. „Sonst spielen wir ja meist auf Umzügen oder in Hallen. Das hier ist mal etwas ganz anderes, und die Aussicht ist wirklich sehr schön“, schwärmt Häußermann.

Derweil trudeln immer mehr Besucher ein. Alle sind eingemummelt in Winterjacken, tragen Schals und Mützen. Die Füße stecken überwiegend in Wanderschuhen oder Stiefeln – schicke Partykleidung ist eher kein Thema, wenngleich eine Frau ihrer Begleiterin erklärt: „Hier geht es vor allem ums Sehen und Gesehenwerden.“

Gesehen und gefunden haben sich Petra und Uwe aus Stuttgart-Riedenberg und Linda Merk und ihr Begleiter aus Stetten: Am Genusspunkt gleich oberhalb der Yburg, wo sich die Gäste im Pavillon schon knapp eine Stunde nach Beginn der Veranstaltung drängen und die Feuerkörbe mit Holzscheiten gefüttert werden, sind sie beim Anblick eines Stehtischs ins Gespräch gekommen. Dessen Fuß besteht aus übereinander gestapelten Holzkisten des Weinguts Beurer, die alle mit folgendem Spruch bedruckt sind: „Don’t panic, it’s organic.“ Beim Fotografieren des Tischs habe man sich kennengelernt und beschlossen, gemeinsam ein Glas Wein zu trinken, berichtet das Quartett.

Weingüter als Magnet

„Man kommt hier schnell ins Gespräch, und guten Wein gibt es auch“, begründen Uwe und Petra, wieso sie sich aus Stuttgart-Riedenberg mit dem Bus nach Stetten aufgemacht haben. Sie sind nicht zum ersten Mal beim Winterweinweg und kommen auch sonst öfter mal ins Remstal. „Wir haben hier keine Verwandten, uns ziehen die Weingüter her, wir kommen, um Wein zu kaufen“, sagt Petra. Dass es recht kühl ist, stört sie nicht: „Wenn man den Berg hoch schnauft, wird es einem warm. Bei Regen wären wir aber nicht gekommen.“ Der Winterweinweg ist für das Paar eine willkommene Veranstaltung in einer ansonsten an Festen eher armen Zeit – mal abgesehen von Faschingsevents, die nicht wirklich ihr Fall sind.

„Für uns ist das hier ein Heimspiel, wir wohnen nämlich in Stetten“, erzählt Linda Merk. Bisher sei sie jedes Mal beim Winterweinweg dabei gewesen: „Das hier ist ein schönes Fest, und durch die vier Standorte verteilen sich die Besucher. Man kann sich hier gut aufhalten.“