Der Stuttgarter Choreograf Marco Goecke zeigt beim Nederlands Dans Theater seine neueste Arbeit. „Wir sagen uns Dunkles“ ist inspiriert von der Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan.

Stuttgart - Wer Bachmann sagt, muss auch Celan sagen. Mit Ingeborg Bachmann, um genau zu sein, hat sich der Stuttgarter Haus-Choreograf Marco Goecke, der vom designierten Ballettchef Tamas Detrich nicht übernommen wird, schon einmal beschäftigt: in „Alles“ 2006 am Staatstheater Braunschweig. Paul Celan hat er dagegen noch nie zitiert, obwohl er mit dessen Versen sicher auf vertrautem Fuße steht. In Den Haag hat der Associate Choreographer des Nederlands Dans Theater das bisher Versäumte nachgeholt und mit „Wir sagen uns Dunkles“ für seine neuste Arbeit einen ebenso rätselhaften wie raunenden Titel gefunden, der zugleich für sein ganzes Œuvre stehen könnte.

 

„Wir sagen uns Dunkles“ entstammt dem Gedicht „Corona“ von Paul Celan, dessen Beziehung zu Ingeborg Bachmann erst vor kurzem von Helmut Böttiger unter dem gleichen Titel auf berührende Weise beschrieben worden ist. Hat man sich einmal eingesehen in die nachtschwarze Kreation von Marco Goecke, lassen sich darin möglicherweise auch die Lebens- und Liebesspuren der beiden entdecken. Insgesamt scheint sein halbstündiger Beitrag für das „Schubert“-Programm von NDT 2 ganz generell mehr vom Abschiednehmen zu handeln als von einer persönlichen Tragödie. So ist vom Lebewohl nicht bloß in den eingeschobenen Songs von Placebo die Rede. Es lässt sich zweifellos auch aus den Quartett- und Quintett-Sätzen von Franz Schubert und Alfred Schnittke heraushören, die live gespielt werden. Vor allem aber wird der Trennungsschmerz körperlich spürbar, wenn sich zwei Tänzer umarmen, ja sogar küssen – oder sich einfach übers Gesicht streichen, als wollten sie dem Partner eine versteckte Träne von der Wange wischen.

Das Lachen gefriert zur Maske

Aber vielleicht ist das alles schon wieder viel zu konkret gedacht. Wie so oft speist sich Goeckes Bewegungsfluss aus dessen Unterbewusstsein. Selbst wenn ihn der Choreograf letztlich steuert, bleibt doch etwas, das sich der Fassbarkeit entzieht. All die Soli, Duos und Ensembles lassen einen nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder lösen sich die Konturen des Tanzes auf, was nicht zuletzt an den flatterhaften Hosen liegen mag, die Goecke diesmal selbst entworfen hat. Einer der Tänzer umkreist rasend das Licht, für das wie so oft und unverwechselbar Udo Haberland zuständig ist. Erschrocken stöhnen einige andere Tänzer auf, als spürten sie schon den Hauch des nahen Todes. Und unvermittelt gefriert das Lachen von Tess Voelker so maskenhaft, dass es nicht allein den Tänzern kalte Schauer über den Rücken jagt.

Was einen der besten, Guido Dutilh, wenig später nicht daran hindert, sich mit einem erheiternden „Wow!“ vom Publikum zu verabschieden. Und das springt denn auch prompt von seinen Sitzen auf und feiert Marco Goecke als einen der ihren.