Der WDR kapituliert im Kampf um eine Klima-Radiosatire, die auf Facebook gestreamt wurde. Der Radiokanal WDR 2 unterbricht sogar für eine Stunde seine Sendung, damit Wellenchef Jochen Rausch sich live bei Hörern entschuldigen kann.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Samstagabend kurz nach 18 Uhr: Der Radiokanal WDR 2 bricht mit all seinen Gewohnheiten. Eine Stunde lang und ohne eine Minute Musikunterbrechung stellt sich der Wellenchef Jochen Rausch live dem Sturm entrüsteter Hörer. Er redet viel. Zwei Sätze wiederholt er dabei immer wieder: „Ich entschuldige mich. Wir haben nicht lange genug nachgedacht.“ Also: Mea culpa!

 

Anlass ist ein Facebook-Video des Senders, in dem der WDR-Kinderchor als satirischen Beitrag zur Klimadebatte eine neue Version des an sich schönen Juxschlagers „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ zum Besten gibt. Eine der zahlreichen Strophen lautet nun: „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Das sind tausend Liter Super jeden Monat. Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau.“ Und zur Kostprobe noch eine andere Strophe: „Meine Oma brät sich jeden Tag ein Kotelett, weil Discounterfleisch so gut wie gar nix kostet. Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau.“

Die Diskussion lässt sich nicht stoppen

Am Freitag geht das online, kurz darauf bricht ein Shitstorm über den WDR nieder. Die große Mehrheit allein der 40 000 Facebook-Kommentare klagt, der WDR würde hier einen Generationenkampf zwischen Jung und Alt schüren und die Kinder seines Chores instrumentalisieren. Noch am Abend löscht der Sender das Video – sicher kein einfacher Akt für einen öffentlich-rechtlichen Sender, der zu Recht für die Freiheit auch der Satire einzutreten hat.

Vom Krankenbett des Vaters gemeldet

Denn dass es sich um Parodie und Satire handelt, daran kann kein Zweifel bestehen. Aber beim Thema Klima haben sich die Emotionen offenbar längst bedrohlich hochgeschaukelt. Wie es, diesmal von der anderen Seite, ja auch der ARD-Kabarettist Dieter Nuhr zu spüren bekommt: Wenn er in seiner TV-Sendung satirische Spitzen gegen Greta Thunberg setzt, reagieren Teile des Publikums, als wenn er Witze über Auschwitz machen würde. Eines solchen Sturms der Gefühle konnte sich auch WDR-Intendant Tom Buhrow nicht mehr erwehren. Per Telefon schaltete er sich in die WDR-2-Sendung ein, hörbar bewegt und direkt vom Krankenbett seines 92-jährigen Vaters: Dieser habe sein Leben lang hart gearbeitet. „Mein Vater ist keine Umweltsau.“