Die Stadt hat 2016 weniger verdient als 2015. Für Michael Föll ist das schlecht: Womöglich kann der Kämmerer bald nicht mehr im Geld schwimmen, befürchtet Lokalchef Holger Gayer in seiner Wochenendkolumne.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Wer in Stuttgart günstig leben will, sollte nach Bad Füssing fahren. In dem bayerischen Kurort steht „zentral und an einen ruhigen Freizeitpark angrenzend“ ein Appartementhaus, das nach der baden-württembergischen Landeshauptstadt benannt ist, obwohl es so gar nicht zu den schwäbischen Verhältnissen passt. Eine schnuckelig möblierte Einzimmerwohnung mit 26 Quadratmetern ist dort schon für 22 Euro pro Tag zu haben – „leicht klappbare Betten, abgeschlossene Kleinküche mit Geschirr, Kaffeemaschine, Wasserkocher, Toaster, WLAN, digitales Sat-TV, Radio und möblierter Balkon“ inklusive. Sogar „ausreichend Pkw-Stellplätze“ seien „kostenlos direkt am Haus“ eingerichtet, vermeldet der freundliche Vermieter. Ein „absperrbarer Fahrradraum“ sei ebenso vorhanden wie ein Getränkeautomat und eine Massagepraxis, die sich im baugleichen Nachbarhaus befindet, das übrigens Frankfurt heißt. Nirgends sind die Metropolen der Republik näher beieinander als in Bad Füssing.

 

Doch der wirkliche Kracher kommt erst noch. Das Ganze ist nämlich auch als Zweizimmervariante (52 Quadratmeter) erhältlich, dann für 35,50 Euro pro Tag, wobei ab 21 Tagen Aufenthalt ein ganzer Tag gratis ist. Und wer die Nummer gleich komplett wählen will, begibt sich in die Abteilung „Langzeitvermietung“: 30 Übernachtungen im Haus Stuttgart kosten dann schlappe 540 Euro. Das sind unvorstellbar günstige 10,38 Euro pro Quadratmeter. Alle Inklusivpreise enthalten zudem „die komplette Erstwäsche und Endreinigung“. Nur die Kurtaxe geht extra. Dafür sind Therme 1, Europa-Therme und Johannesbad zu Fuß in fünf Minuten erreichbar.

Die Rücklagen betragen nur 1,8 Milliarden Euro

Welch Dürre herrscht dagegen in Stuttgart am Nesenbach. Obwohl den Quellen in Cannstatt und Berg täglich 44 Millionen Liter Mineralwasser entspringen und Stuttgart damit in der europäischen Mineralwasser-Hitparade auf Platz zwei liegt (nach Budapest, aber weit vor Bad Füssing), muss der arme Finanzbürgermeister Michael Föll die Betriebsdauer der Brunnen kürzen und einen Warmbadetag in den Hallenbädern streichen. Täte er das nicht, könnte er bald nicht mehr im Geld schwimmen.

Man muss die Sorgen des Kämmerers auch wirklich verstehen: 2016 hat die Stadt nur 231 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet, das sind 14 Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor. Die Rücklagen, die Föll in den vergangenen zehn Jahren gebildet hat, konnten aufgrund dieser katastrophalen Ertragslage auf lediglich 1,8 Milliarden Euro steigen.

Vielleicht sollten die Stadträte zur Kur nach Bad Füssing

Dass diese Entwicklung unmittelbar in den Ruin führt, wenn nicht drastisch gegengesteuert wird, dürfte auch dem naivsten Bürger klar sein. Doch zum Glück haben Föll und sein ihm treu ergebener Oberbürgermeister Fritz Kuhn das Ruder bereits rumgerissen. Die auf Rosen gebetteten Stuttgarter Sportvereine dürfen jährlich 8000 Euro mehr für Hallennutzungen und andere Dienste bezahlen, auf dem Killesberg werden Blumen durch ein sattes Dauergrün ersetzt, Einsparpotenzial: 118 000 Euro pro Jahr. Blühende Landschaften kann man sich in so trüben Zeiten einfach nicht leisten.

Nun gilt es nur noch, die mosernden Stadträte auf Linie zu bringen. Wollen die doch allen Ernstes in den im Herbst anstehenden Haushaltsberatungen das ganze schöne Geld für so unnütze Dinge wie mehr Personal in verschiedenen Ämtern ausgeben. Vielleicht sollten Föll und Kuhn die Herrschaften vor den Etatverhandlungen in Kur schicken. Nach Bad Füssing zum Beispiel. Dort könnten sie lernen, welche Standards anderswo gelten. Neben Stuttgart und Frankfurt steht dort auch das Haus Bremen.