Deal mit einem Musikverlag und Digitalvertrieb: Das HipHop-Label wirscheissengold wird erwachsen. Wir haben mit Alexander Föll (Sickless) gesprochen, was sich nun alles ändern wird - und was Marz mit der ganzen Sache zu tun hat.

Stuttgart - 2011 als „alternatives Modell zu einem Musiklabel“ gegründet, verkündete letzte Woche die HipHop-Plattform wirscheissengold die Zusammenarbeit mit dem Musikverlag Motor Songs GmbH und machte nun darüber hinaus einen Deal mit dem Digitalvertrieb Fine Tunes klar. „Diese Komponenten verleihen der Vision wirscheissengold nach fünfjährigem Bestehen nun endlich die Form eines eigenständigen Musiklabels“, so Macher Alexander Föll, der selbst unter dem Künstlernamen Sickless veröffentlicht, im Gespräch mit Stadtkind. Das nächste Produkt aus dem Hause wirscheissengold steht in den Startlöchern: Im Frühjahr soll mit der Kraft der neuen Strukturen das Debütalbum des Rappers Marz erscheinen.

Ihr habt diese Woche die Zusammenarbeit mit Motor Songs GmbH verkündet. Wie kam es dazu?
Die erste Kontaktaufnahme mit Motor Entertainment, der Muttergesellschaft der Motor Songs GmbH, hatten wir bereits 2014, als wir uns mit deren A&R Manager Adrian Hillekamp zum Kaffee im Kap Tormentoso getroffen haben. Er war damals einfach nur Fan unserer Musik und wollte wissen, wie beide Parteien sinnvoll miteinander arbeiten könnten. Daraus hat sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt, bei dem er uns öfters beratend bei musikrechtlichen Fragen zur Seite stand.

Der neue Partner soll euch „bei Netzwerkfragen und der Administration der Urheberrechte den Rücken freihalten“. Etwas konkreter: Was bedeutet für ein junges Label eine derartige Zusammenarbeit?
Für den Konsumenten ändert sich mit der Zusammenarbeit mit Motor auf den ersten Blick gar nicht mal so viel. Der Verlag wertet bei der GEMA unsere Urheberrechte bei Liveauftritten und Pressungen aus und sorgt für mehr finanzielle Sicherheit bei den Künstlern. Außerdem schafft er die Grundlage für eine weitere Verbreitung und Vermarktung unserer Musik. Zudem sind wir auf Abruf, falls Co-Writing-Sessions oder Produktionen für andere Labels angefragt werden.

Inwiefern verschafft euch der Deal Vorteile?
Der entscheidendste Vorteil hinter einem Verlagsdeal liegt aber in der schnellen Akquise von weiteren Partnern für den Auf- und Ausbau unserer Vision von wirscheissengold als Musiklabel. Über Motor wurde uns sehr zügig der Digitalvertrieb Fine Tunes vermittelt, der uns ab Februar 2016 professionell bei allen digitalen Plattformen wie iTunes, Amazon, Deezer, VEVO oder Spotify in Szene setzt. Auch die Kontaktherstellung zu Booking- und Promotion-Agenturen wird uns nun erleichtert. Das sind alles Bereiche, um die wir uns bisher mit unserem kleinen Team selbst kümmern mussten. Darunter hatte leider auch in der jüngsten Vergangenheit der Prozess musikalischer Kreativität etwas zu leiden.

 

wirscheissengold wurde 2011 laut Eigenaussage als alternatives Modell eines Musiklabels gegründet. In unserem Interview 2014 hast du noch betont, dass es kein Musiklabel sei. Wie ist das jetzt, nachdem die Strukturen immer professioneller werden?
Zum damaligen Zeitpunkt war wirscheissengold einfach noch auf einem anderen Stand der Entwicklung. Allzu häufig ist es im Hiphop gängige Praxis, sich mit einem Mikrofon im Zimmer und einem Youtube-Account XY Records bzw. als Label zu bezeichnen. Das fand ich immer ein wenig voreilig und irritierend. Um wirklich als Musiklabel wahrgenommen und agieren zu können, müssen einige Strukturen aufgebaut werden, die sich damals noch im Aufbau befunden haben. Hinzu kommt, dass wir seit 2014 einen funktionierenden Online-Shop eingerichtet haben, mit dem wir autark unser Merchandise an die Fans vertreiben können und nicht zuletzt die Tatsache, dass wir uns intern personell im vergangenen Jahr breiter aufgestellt haben. Diese Komponenten verleihen der Vision wirscheissengold nach fünfjährigem Bestehen nun endlich die Form eines eigenständigen Musiklabels.

Nach seinen Mixtapes erscheint dieses Jahr das Debütalbum von eurem Künstler Marz. Wird das der erste richtige große Test für euch als Label mit den neuen Strukturen?
Das erste Highlight für 2016 ist mit Sicherheit die Arbeit am Release zum Debütalbum „I love 2 hate“ von Marz, welches aller Voraussicht nach im April erscheinen wird. Musikalisch werden wir hier ganz bewusst neue Wege beschreiten, denn das Werk wurde größtenteils von den Bixtie Boys, der wohl groovigsten Jazz-Combo der Stadt nachträglich im Studio eingespielt und die Beats klanglich auf eine neue Ebene gehoben. Mit einem Vertrieb und einem Verlag im Rücken wird es auch dementsprechend mehr bürokratischen Aufwand geben.

Welche Erwartungen habt ihr an das Album?
Wir sehen uns nicht zwangsläufig genötigt, die Erwartungshaltung an Verkaufszahlen, etc. hochschrauben zu müssen. Unsere Releases in den letzten Jahren haben sich auch ganz ohne Vertriebsdeal deutschlandweit ganz gut verbreitet. Mit den neuen Rahmenbedingungen und dem Support, den wir auch sonst in letzter Zeit erhalten haben, können wir mit unserer Musik zukünftig auch in anderen Dimensionen als bisher denken.

Manchmal bezeichnet man euch als die neue Stuttgarter HipHop-Generation. Ist das bei dieser reichhaltigen Geschichte eine Ehre oder eher eine Last oder auch egal?
Marz ist aufgewachsen mit Freundeskreis, Afrob und den Massiven, ich bin in meiner Jugend mit der Musik von Maeckes und Plan B und Karibik Frank sozialisiert. Umso mehr macht es uns glücklich, unseren Platz in der Mutterstadt gefunden zu haben. Im Rückblick betrachtet war es ein langer und beschwerlicher Weg. Im Jahr 2014 bekamen wir einen Slot beim HipHop Open, 2015 haben wir das ganze Festival sogar auf der Mainstage moderieren dürfen, was für uns ein absolutes Highlight war. Hinzu kommen diverse Support-Shows und Festivals besonders im letzten Sommer. Gefühlt so wirklich angekommen sind wir dann vergangenes Wochenende, als wir im Freund & Kupferstecher vor komplett ausverkauftem Haus mit unserem Jugendidol Lakmann unseren kleinen Hit „Wer Aaaahh sagt“ gespielt haben, bei dem wirklich jeder jedes Wort mitbrüllen konnte. Das war ein kleiner Ritterschlag. Eigentlich sollte die Herkunft in der Musik keine primäre Rolle spielen, trotzdem macht es uns wirklich stolz, so positiv in der Szene wahrgenommen zu werden.

Was wird 2016 außer Marz noch passieren und was steht bei dir persönlich als Künstler an?
Wir sind aktuell alle sehr umtriebig und im Vergleich zu 2015, wo es bei uns allen etwas ruhiger zuging, wird dieses Jahr wieder offensive Releasepolitik betrieben. Neben Marz‘ Debütalbum im Frühjahr 2016 steht auch bei mir als Künstler Sickless, gemeinsam mit unserem Produzenten Drum Quixote, das Nachfolgewerk zu „Horus“ im Spätsommer an. Außerdem hat Drum Quixote seine EP fertig, die eher in der elektronischeren Musik angesiedelt werden kann. Das wird für unser kleines Team erstmal genug Arbeit sein.

Wird wirscheissengold nun auch neuen Artists ein Zuhause bieten?
Selbstverständlich möchten wir mit den neuen Strukturen auch anderen Künstlern eine Plattform bieten können, so dass man davon ausgehen kann, dass es bis 2017 den ein oder anderen sinnvollen Zuwachs geben wird.

www.wirscheissengold.de