Die Restauratorin Sabine Christ aus Kirchheim/Teck verschafft mit Geduld und Erfahrung von der Zeit gezeichneten Möbelstücken neuen Glanz. Auch bei der Begutachtung antiker Erbstücke ist sie gefragt und kann in ihrer Nische gut überleben.
Stuttgart - Wenn Elianne Schiedmayer einen historischen Flügel restauriert haben möchte, geht sie zu Sabine Christ. Bei Schiedmayer ist dies keine einmalige Angelegenheit. Elianne Schiedmayer sammelt Schiedmayer-Flügel – sie hat ein kleines Museum aufgebaut, ein Firmenmuseum, das nach vorheriger Anmeldung auch besichtigt werden kann. 35 historische Instrumente sind dort ausgestellt. Schiedmayer ist die geschäftsführende Gesellschafterin der traditionsreichen gleichnamigen Manufaktur in Wendlingen. Die Herstellung von Klavieren und Flügeln wurde bereits vor Jahren aufgegeben; heute konzentriert sich das Unternehmen, dessen Instrumente in vielen namhaften Konzerthäusern stehen, auf Celesten – eine Art Glockenspiel mit Klaviertastatur.
Seit kurzem steht ein Schiedmayer-Flügel aus dem Jahr 1820 in der Werkstatt von Sabine Christ in Kirchheim/Teck. Christ ist Restauratorin; mit der Aufarbeitung des Flügels dürfte sie die nächsten Monate beschäftigt sein. Restauration braucht Zeit – und manchmal eine „Eselsgeduld“, sagt Christ im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. Furniere beispielsweise sind teils hauchdünnen Blätter aus Edelhölzern, die auf die Oberfläche eines Möbelstücks geleimt werden und es so „lebendig“ aussehen lassen, sagt Christ. Schon in der Renaissance oder im Barock wurde bei der Möbelherstellung mit Furnieren aus Mahagoni, Rosenholz, Zitrone oder Buchs „gespielt“, wie Christ es nennt. Das soll heißen, dass die Maserungen kunstvoll zusammengesetzt wurden. Für eine Restauratorin heute ist es eine Herausforderung, fehlerhafte Stellen am Furnier auszubessern. Denn um ein historisches Möbelstück stilecht aufzuarbeiten, benötigt sie Furnier aus der damaligen Zeit – sonst drohen Farbunterschiede. Zudem muss das Furnier die richtige Maserung haben – ansonsten fällt später die ausgebesserte Stelle gleich ins Auge. Die nächste Herausforderung ist das Aufbringen der teilweise winzigkleinen Stücke – schließlich soll so viel wie möglich vom Original erhalten bleiben.
Aber wie kommt ein Möbelrestaurator heutzutage an altes Furnier? Aus Haushaltsauflösungen beispielsweise, sagt Christ. Alte Häuser scheinen manchmal geradezu eine Fundgrube dafür zu sein – selbst eine einzelne alte Schublade wird da wertvoll. Aber auch Antiquitätenhändler bieten ihr manchmal Furnier an. Teilweise erwirbt sie alte Schränke nur, um an die Oberflächen zu kommen. Dann löst sie die hauchdünnen Furnierblätter in mühevoller Kleinarbeit mit Hilfe eines Heißluftföhns oder eines Haushaltsbügeleisens ab. Kein Wunder, dass Furniere der Schatz einens jeden Restaurators sind. Christ sammelt sie kistenweise in ihrer Werkstatt – sortiert nach Holzarten.
Viel Geduld und Fingerspitzengefühl
Noch mehr Geduld und Fingerspitzengefühl sind nötig, wenn Intarsien auf Schranktüren oder Tischplatten ersetzt werden müssen. Teilweise ist das Original so schlecht erhalten, dass Christ erst mal zu Papier, Bleistift und Schablone greifen muss, um sich eine Mustervorlage zu erstellen. Bei der eigentlichen Restaurierung setzt sie auf die Techniken der jeweiligen Zeit – und verwendet etwa Knochenleim, der bereits von den alten Ägyptern und auch im 19. Jahrhundert verwendet wurde. Nach altem Rezept lässt Christ diesen Leim tagelang vor sich hin köcheln. Und sie poliert – natürlich von Hand – etwa mit Schellack. Das Besondere dieser Politur ist, dass sie von einem kleinen Insekt stammt, das sich auf in Indien beheimateten Bäumen niederlässt. Es saugt den Saft, der aus den Zweigen austritt und scheidet ihn wieder als harzige Substanz aus – der Rohstoff für Schellack.
Das komplette Berufsleben von Christ dreht sich um Holz. Zunächst hat sie eine Schreinerlehre absolviert, woran sich eine zweite Lehre für Designermöbel anschloss; dies sei ihr jedoch „zu wenig handwerklich“ gewesen, woraufhin sie wieder zu einem Schreiner wechselte – und die Restauration kennen lernte. Im Europäischen Ausbildungszentrum für Handwerker im Denkmalschutz in Venedig hat sie einen Abschluss erworben. Anschließend hat Christ, die auch den Meisterbrief hat, den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt; 20 Jahre ist das nun her.
Ihren Umsatz verrät sie nicht. An Aufträgen habe es ihr in den vergangenen Jahren aber nicht gemangelt, sagt sie. Auf ihrer Kundenliste stehen vor allem Privatleute. Auch auf Messen wie die „Kunst und Antik“ in Sindelfingen ist Christ vertreten. Neukunden kommen meist über das Internet. Und manchmal muss die Restauratorin aus Leidenschaft heftig schlucken, wenn ein Kunde sich für die preiswertere, aber eben nicht stilechte Restaurierung entscheidet. Manchmal läuft es aber auch anders. Dann konfrontiert sie einen potenziellen Kunden damit, dass seine vermeintlich kostbare Erbschaft doch nicht stilecht ist. „Dann ist ein Auftrag weg“.
Übrigens, wer „Möbelrestaurator Stuttgart“ googelt, landet 3240 Treffer. Doch darunter sind Doppelnennungen oder auch Zeitungsartikel, in denen die Wörter vorkommen. Die tatsächliche Zahl an Restauratoren in der Region ist deutlich niedriger. Häufig seien es Antiquitätenhändler, die selbst alte Möbeln aufkaufen – und nach der Überarbeitung wieder anbieten, sagt Christ.
Biedermeiermöbel sind im Trend
Oldtimer sind gefragt – und dank Zulassungsstelle sind die genauen Zahlen bekannt. Für antike Möbel gibt es keine Statistik. „Alte Möbel aus dem Wiener Barock und der Gründerzeit sind derzeit recht preisgünstig zu haben“, erläutert Christ. Anders sieht es bei Biedermeier und klassizistischen Möbelstücken aus, die für recht hohe Preise gehandelt werden. Und geradezu begehrt seien Möbel etwa von David Roentgen (1743 bis 1807), dem Kunsttischler und Kabinettmacher, der all seine Möbel signierte – und für die Liebhaber heute hohe Preise zahlen.
„Ein Standsekretär aus dem Jahr 1825“, sagt Christ und zeigt auf ein frisch aufbereitetes Möbelstück in ihrer Werkstatt, „ist 3000 Euro Wert, der Preis wird sich auch nicht so schnell verändern“. In 60 bis 70 Arbeitsstunden habe sie den Sekretär wieder auf Hochglanz gebracht. Doch antike Möbelstücke sind eher der Nischenmarkt. Die meisten Menschen entscheiden sich heute für eher preiswerte „Wegwerfmöbel“ von Discountmöbelhäusern oder aber auch für (nachgemachte) Stilmöbel.
Es gebe aber auch viele Fälschungen auf dem Markt – neue Möbel also, die auf alt getrimmt sind. Sogar die Löcher der Holzwürmer würden nachgemacht. Mit Fälschungen kennt Christ sich aus. Sie ist auch Sachverständige – und wird etwa bei Erbstreitereien hinzugezogen, um Möbelstücke zu bewerten. Oder sie begleitet Menschen, die sich ein antikes Möbelstück leisten wollen. Christ kennt die Kniffe der Fälscher, sie weiß genau wo sie hinschauen muss, um echte von unechten Möbelstücken unterscheiden zu können. Akribisch untersucht sie die Ecken der Schubladen, die Rückwand betrachtet sie genau und mit einem Spiegel schaut sie sich das Möbelstück von unten an.
Restauratoren in Deutschland – ein Überblick
Berufsbild –
Kunstwerke und Kulturgüter geben einen anschaulichen Einblick in vergangene Zeiten. Insofern tragen Restauratoren eine „große Verantwortung gegenüber unserem kulturellen Erbe“, schreibt der Verband der Restauratoren (VDR) in einer Broschüre. Denn sie arbeiten mit „unwiderruflichen Originalen“. Doch das Berufsbild Restaurator ist nicht gesetzlich geregelt; jeder kann sich so nennen und Dienste anbieten – unabhängig von der Qualifikation. Der VDR strebt eine Veränderung an. Allein in Deutschland gibt es mittlerweile neun Hochschulen, wo Konservierung und Restaurierung gelehrt wird – etwa an der Kunstakademie Stuttgart. Zudem gibt es anerkannte Schulen.
Branche –
Restaurierung ist ein vielfältiges Gebiet, Spezialisierung ist nötig. Im VDR gibt es 18 Fachgruppen – die reichen von archäologischen Ausgrabungen über Gemälde, Leder, Metalle, Musikinstrumente, Textil bis hin zu Wandmalerei. Restauratoren arbeiten in Museen, Archiven oder in der Denkmalpflege; viele sind Freiberufler. Es ist eine kleinteilige Branche. Wer zehn Mitarbeiter beschäftigt, hat schon einen großen Betrieb. Im Verband sind 3000 Restauratoren organisiert, aber dies ist nur ein Teil derjenigen, die in Deutschland tätig sind.